Wermuth sagt in seiner 1. August-Rede: «Ich entschuldige mich für jede unfaire Aussage über Boswil»
Das Wetter meinte es gut mit den Feiernden, strahlender Sonnenschein unterstrich die gute Stimmung der Besucherinnen und Besucher in der Arena beim Schulhaus. Auch Festredner Cédric Wermuth freute sich darüber, den 1. August endlich wieder ohne Maske und Abstand zelebrieren zu können.
Dennoch wies er in seiner Ansprache auf aktuelle gesellschaftliche Probleme hin und sprach zudem über seine spezielle Verbundenheit zu Boswil. Und er betonte: «Ich weiss, dass ich im Ort politisch kein Heimspiel habe, aber Boswil ist Heimat für mich.»
«Das tut mir heute leid»
Die Beziehung zu Boswil lasse sich als kompliziert beschreiben. Mit sechs oder sieben Jahren sei er mit seiner Familie nach Boswil gekommen und habe dort eine glückliche Kindheit erlebt. Sogar an die Namen seiner Mitschülerinnen und Mitschüler erinnerte er sich.
Doch seine Mutter, Laurence Wermuth, sei hier von einer schweren psychischen Krankheit heimgesucht worden, die 2014 in einem Suizid endete. Wermuth berichtete:
«Ich weiss nicht, ob Sie sich vorstellen können, was eine solche Krankheit mit Menschen macht, was sie mit ihrem Umfeld, ihrer Familie macht.»
Danach habe er so schnell wie möglich weg wollen aus dem Ort, den er ungerechtfertigter Weise für das Geschehen verantwortlich gemacht habe. «Das tut mir heute leid. Ich habe mich wahnsinnig gefreut, als diese Einladung gekommen ist. Ich möchte mich für jede unfaire Aussage über Bosmel entschuldigen», sagte Cédric Wermuth.
Und er habe auch etwas mitgebracht: «Ich habe im nächsten Frühling und im Sommer je ein paar Plätze für einen Besuch im Bundeshaus in Bern für die Bevölkerung von Boswil reserviert. Ich bin Bosmeler und ich bin heute stolz darauf.»
«Gesündere Balance zwischen Eigenverantwortung und Solidarität»
Seit zweieinhalb Jahren habe er diese Einladung zur 1. August-Feier, Corona habe die Planungen ordentlich durchgerüttelt. Und auch jetzt sei zwangloses feiern wegen Wladimir Putins Krieg in der Ukraine schwer möglich. Aufgrund eines Schülerinnenaustausches vor 20 Jahren habe er heute wieder Kontakt zu einem Bekannten in der Ukraine. Via WhatsApp bekomme er den Krieg relativ direkt mit.
Als er vor gut 20 Jahren begann, sich politisch zu engagieren, sei in dem damaligen politischen Zeitgeist das Wort «Eigenverantwortung» so etwas wie die heilige Kuh gewesen, der Staat habe sich nach Möglichkeit nicht einmischen sollen.
Dazu sagte der Co-Präsident der SP:
«Verstehen Sie mich nicht falsch, ich finde die Idee der Eigenverantwortung grossartig.»
Doch eigenverantwortlich könne niemand etwas gegen einen Krieg ausrichten, eine Pandemie bekämpfen oder gar die Klimakrise stoppen.
Eine gesündere Balance zwischen Eigenverantwortung und gesellschaftlicher Solidarität sei angebracht. «Und ja, für letztere brauchen wir den Staat, den viele so gerne so schlechtreden. Wir brauchen ihn, wenn er die Gesellschaft vor dem Kollaps bewahrt, nach dem die Finanzspekulanten die Weltwirtschaft an den Abgrund gebracht haben», machte Wermuth deutlich.
Niemand solle durch die Maschen fallen und jene, die es können, etwas mehr beitragen.