Bundesrat ringt um Antwort auf SVP-Initiative – Was wir dank immer neuen Leaks wissen (und was nicht)
Was wir wissen: Der Bundesrat lehnt die sogenannte Nachhaltigkeits-Initiative der SVP ab. Sie gefährde Wohlstand und Sicherheit der Schweiz. Zugleich beauftragte die Landesregierung Justizminister Beat Jans im Sommer, ein «Begleitkonzept» für den drohenden Abstimmungskampf über die sogenannte Initiative «Keine ‹10-Millionen-Schweiz!›» zu erarbeiten. Ziel: Damit sollen die unerwünschten Folgen der Zuwanderung gemildert werden.
Was seither geschah: Es gab eine erste Diskussion über das Begleitkonzept, und diese war «sehr interessant». Das – und kein Wort mehr – sagte Jans am Mittwoch vor den Medien in Bern. Auch auf zahlreiche Nachfragen von Journalisten beharrte er auf diesen zwei Sätzen zur Diskussion in der Landesregierung vom gleichen Tag. Ein Entscheid im eigentlichen Sinn ist also nicht gefallen.
Was steht im Begleitkonzept?
Was wir offiziell nicht wissen: Welche Massnahmen Bundesrat Jans seinen Regierungskollegen im Begleitkonzept vorschlägt, ist also nur Insidern in Bundesbern bekannt. Und diese scheinen derzeit äusserst gesprächig. Denn seit Tagen werden im und ums Bundeshaus Indiskretionen verteilt wie selten zuvor. Darauf lassen zumindest verschiedene Medienartikel schliessen.
So berichtet am Donnerstag beispielsweise die NZZ unter dem Titel «Ist Beat Jans naiv, oder läuft er absichtlich ins Messer?», der Asylminister habe seinen Kolleginnen und Kollegen eine Liste von nicht weniger als 25 Massnahmen vorgeschlagen. Die Palette reiche von höheren Kinderzulagen über zusätzliche Subventionen für den Wohnungsbau bis zur Asylpolitik.
Doch das Echo im Bundesrat auf Jans‘ Pläne sei «verheerend ausgefallen», so die NZZ. «Aus den anderen Departementen sind fünf Mitberichte zurückgekommen, von denen vier relativ kritisch bis vernichtend waren.» Einzig Genossin Elisabeth Baume-Schneiders Stellungnahme sei wohlwollend gewesen, auch wenn sie einzelne Massnahmen ebenfalls ablehne. Kritisch äusserten sich demnach Ignazio Cassis, Karin Keller-Sutter, Guy Parmelin und Albert Rösti. Als einzige Magistratin geschwiegen haben soll Bundespräsidentin Viola Amherd.
Runde Tische mit allen möglichen Interessierten
Was Insider der NZZ weiter verraten: Nebst einer «Zuwanderungsgebühr» sollen auf dem Wunschzettel von Innenminister Jans vorab Anliegen stehen, welche die Linken und Gewerkschaften schon länger fordern. Allerdings scheint unklar, ob es sich bei der geleakten Liste um eine aktuelle oder ältere Version des «Begleitkonzepts» handelt.
Klar scheint laut dem Bericht einzig, dass Beat Jans im Bundesrat auflief mit seiner ersten Version. Auch soll bislang kein neuer Zeitpunkt für eine nächste Diskussion feststehen.
Bereits tags zuvor berichteten dieTamedia-Zeitungen über ähnliche Pläne. Und dass Jans damit in der Regierung auf «heftigen Widerstand» stosse. Und das trotz Dutzender von Sitzungen, unter anderem mit Guy Parmelins Wirtschaftsdepartement, aber auch Gewerkschaften und Arbeitgeber hätten Einladungen zum Austausch erhalten, Experten Ideen vorgestellt. Und das «alles unter strenger Geheimhaltung». Selbstverständlich alles basierend ebenfalls auf Leaks aus dem Umfeld der Landesregierung.
Wie die SVP den Bundesrat unter Druck setzt
Die sogenannte Nachhaltigkeits-Initiative der SVP fordert eine Begrenzung der Bevölkerung in der Schweiz auf unter 10 Millionen bis 2050. Werde diese Grenze vorher überschritten, seien Massnahmen zu ergreifen. Sollte das nichts bewirken, müsste nach zwei Jahren die Personenfreizügigkeit mit der EU gekündigt werden. Die Gegner sprechen denn auch von der «Kündigungsinitiative 2.0».
Im Bundeshaus gilt die SVP-Initiative alles andere als chancenlos. Dies, weil das Zuwanderungs-Thema in der Bevölkerung starke Emotionen wecke. Denn schon 2014 hat das Volk die Masseneinwanderungsinitiative der Volkspartei angenommen, die eine ähnliche Stossrichtung hatte. Zu reden gab dann vor allem die Umsetzung der Volksinitiative durch das Parlament.
Mit der Initiative setzt die SVP insbesondere auch den Bundesrat unter Druck in den laufenden Verhandlungen über ein neues Abkommen mit der EU. Die Diskussionen zur Ausgestaltung der künftigen bilateralen Beziehungen stehen bekanntlich auf der Zielgeraden. Dabei verlangt die Schweiz von der EU beispielsweise eine bessere Schutzklausel, mit der sie die Zuwanderung temporär beschränken könnte. Brüssel stellt sich jedoch gegen starre Obergrenzen.