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So EU-kritisch ist die Schweizer Stimmbevölkerung – sie steht aber dennoch hinter neuen Verhandlungen

25 Jahre nach der Unterzeichnung der bilateralen Abkommen mit der EU zeigt sich: Die Schweizer Stimmbevölkerung ist eher EU-kritisch. Sie wünscht sich aber neue Verhandlungen mit Brüssel. Das sind dabei die glaubwürdigsten Akteure in der EU-Frage.

1999 hat die Schweiz mit der Europäischen Union (EU) sieben bilaterale Abkommen abgeschlossen. Im Jahr darauf nahm auch die Stimmbevölkerung diese sogenannten Bilateralen I mit 67,2 Prozent Ja-Stimmen deutlich an. Weitere fünf Jahre später stellte sich das Schweizer Volk dann mit 54,6 Prozent Ja-Stimmen auch hinter die Bilateralen II.

Seither drängt namentlich die EU auf eine Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen. Bis vor drei Jahren war auch die Schweiz an einer Klärung der Zusammenarbeit mit den europäischen Nachbarn interessiert.Doch dann hat der Bundesrat die laufenden Verhandlungen über ein Rahmenabkommen kurz vor dem Ziel einseitig abgebrochen.

25 Jahre nach dem Abschluss der Bilateralen zeigt sich: Die Schweizer Bevölkerung ist inzwischen insgesamt deutlich EU-kritischer eingestellt.Laut einer am Freitag publiziertenUmfrage von gfs.bern im Auftrag der SRG hegen 49 Prozent der Stimmberechtigten negative Gefühle gegenüber der EU. Lediglich noch eine Minderheit von 28 Prozent ist der EU gegenüber positiv positioniert.

So steht die Schweiz zu neuen Verhandlungen

Dennoch stellen sich die Stimmberechtigten mit 71 Prozent grundsätzlich hinter neuerliche Verhandlungen zur Weiterentwicklung der bilateralen Beziehung (26 Prozent Nein-Stimmen). Deren Ziel ist diesmal eine Modernisierung und Ausweitung der bestehenden bilateralen Verträge.

Die Dringlichkeit der neuerlichen Verhandlungen wird jedoch ganz unterschiedlich eingeschätzt.Je nachdem, wem man glauben schenken will, stehen diese dabei bereits kurz vor dem Abschluss.Zumindest der Schweizer Chefunterhändler sieht Bern gegenüber Brüssel in diesem zweiten Anlauf im Vorteil.

Inhaltlich begründen Herr und Frau Schweizer ihre kritische Haltung gegenüber der EU in der Umfrage mit dem Verlust nationaler Souveränität, der Brüsseler Bürokratie und als undemokratisch empfundenen Entscheidungsprozess in der Europäischen Union. Wer der EU gegenüber positiv steht, sieht diese als Friedensprojekt, wirtschaftliche Vorteile und die Einbindung der Schweiz in eine grössere Gemeinschaft. Insgesamt also keine überraschenden Befunde.

Positiver sieht eine Mehrheit der Schweizer nach einem Vierteljahrhundert die Bilateralen Verträge. Insbesondere in links-grünen Kreisen wird das Vertragskonstrukt mit Brüssel laut der Umfrage positiv gesehen, während SVP-nahe Stimmberechtigte und Parteiunabhängige kritischer sind. Als negative Auswirkungen der Bilateralen werden in der Umfrage die verstärkte Zuwanderung, die zusätzliche Belastung der Sozialwerke, der Lohndruck sowie steigende Miet- und Immobilienpreise erwähnt.

Was die Bilateralen privat bedeuten

Nichtsdestotrotz gelten die Bilateralen Verträge in der Schweizer Bevölkerung als wichtig für die Wirtschaft (88 Prozent Ja gegen 11 Prozent Nein). Und das insbesondere beim Zugang zum europäischen Markt und zur Abfederung des Fachkräftemangels. Die Relevanz des Vertragswerks für sich persönlich schätzen Herr und Frau Schweizer jedoch deutlich geringer ein (54 Prozent Ja gegen 44 Prozent Nein).

Im Auftrag der SRG hat gfs.bern die Umfrage zwischen dem 16. und 30. September durchgeführt. Laut dem Kleingedruckten haben 19’955 Stimmberechtigte an der gewichteten Online-Befragung teilgenommen.(sat)