Sie war die Königin der Herzen: Die Trauer um Diana veränderte England
Mit einer toten Prinzessin lässt sich auch 25 Jahre später noch viel Geld verdienen. Den jüngsten Beweis trat am vergangenen Wochenende ein englisches Auktionshaus an: Statt der erwarteten 100’000 Pfund (113’510 Franken) musste der Käufer mehr als das Sechsfache für einen schwarzen Ford Escort Turbo, Baujahr 1985, lockermachen. Einziges besonderes Kennzeichen: Knapp drei Jahre lang sass in den 1980er Jahren Prinzessin Diana am Steuer.
Demnächst zum Verkauf kommt ausserdem eine Superjacht namens «Bash». Das auf 10 Millionen Pfund taxierte Schiff verfügt über eine illustre Geschichte: Als es noch «Jonikal» hiess, verbrachte die Ex-Frau des britischen Thronfolgers mehrere Wochen an Bord, minutiös dokumentiert von geschäftstüchtigen Paparazzi.
Diana gehörte zu Lebzeiten zu den meistfotografierten Menschen der Welt. Seit ihrem Tod, der sich an diesem Mittwoch jährt, ist sie zur Goldgrube geworden. Kleider, Schmuck, Autos, Schiffe – alles, womit die lediglich 36 Jahre alt Gewordene in Berührung gekommen war, erzielt Rekordgewinne.
Schlagzeilen freilich bleiben aus. Es gab Gedenkjahre, in denen die Medien das gesamte Sommerloch füllten mit schönen Fotos und diversen Erinnerungen offenherziger Ex-Diener, mit wichtigtuerischen Wunderheilern und Wahrsagerinnen. In diesem Jahr: beinahe nichts. Beinahe verschämt kündigen die Londoner Boulevardblätter bunte Fotoseiten an über die Ikone aus dem vergangenen Jahrhundert. Nur der «Mirror» entblödet sich nicht, auf der Titelseite ein Foto des Mercedes-Wracks zu drucken, in dem die selbsternannte «Königin der Herzen» in der Nacht zum 31. August 1997 ums Leben kam.
«Wo waren Sie, als Diana starb?» Die Moderatorin des «Times»-Radio hat die Frage gestellt und damit eine Behauptung verbunden: Jede und jeder erinnere sich noch an die Umstände, als sie die schreckliche Nachricht erhielten. «Naja, Sie und ich vielleicht», antwortet Jenny Bond. Man dürfe aber doch nicht vergessen, dass seither mehr als eine Generation herangewachsen sei. «Wenn ich mit jungen Leuten rede, fragen die mich: Diana Wer?»
Wut auf die Paparazzi – und auf das Königshaus
Bond arbeitete als royale BBC-Korrespondentin, erinnert sich also von Berufs wegen an den Moment, als die Nachricht vom Unfall im Pariser Tunnel sie in ihrem westenglischen Ferienhaus erreichte. Während der Fahrt Richtung London meldete das Radio: Tot waren nicht nur der Fahrer des Unglückswagens, Henri Paul, sowie Dianas Liebhaber Dodi Fayed; verstorben war, allen Bemühungen von Sanitätern und Ärzten zum Trotz, auch die Prinzessin von Wales.
Was folgte, überraschte Beobachter rund um die Welt. Zu Tausenden zogen die Trauernden zum Kensington-Palast, legten Blumen nieder, fielen sich weinend in die Arme. Fassungslos standen Diana-Fans in aller Welt vor der Banalität ihres Todes: unangeschnallt im Auto, mit einem betrunkenen Raser am Steuer. Umso mehr wurden Schuldige gesucht. Erst mussten die Paparazzi herhalten und die Zeitungen, die ihre Bilder gedruckt hatten; dann richtete sich die Wut der trauernden Massen gegen das Königshaus.
Die widersprüchlichen Gefühle galten einer zutiefst widersprüchlichen Frau mit vielen Schwächen und mindestens einer grossen Stärke: der instinktiven Zuwendung zu ihren Mitmenschen, nicht zuletzt der Kranken und Schwachen. Am Strassenrand vor der Westminster Abbey trauerten weisse Hausfrauen aus dem Londoner Speckgürtel neben schwarzen Arbeiterfamilien und Schwulen im Lederlook.
Es hat verschiedene Phasen gegeben in der Wahrnehmung des Ereignisses. Bald beschrieben Kommentatoren die Melange aus Trauer und Voyeurismus als «Massen-Hysterie». Mehr und mehr dominierte ein Gefühl der Peinlichkeit die öffentliche Debatte, Diana verschwand in der Versenkung.
Später entstand neues Interesse an der Toten, bedingt durch Äusserungen der mittlerweile erwachsenen Prinzen William und Harry. Beinahe schwärmerisch erinnerte sich Jonathan Freedland vom «Guardian» an die quasi-religiöse Anbetung der Toten in der ersten Trauerwoche: «Die Stimmung war fast zärtlich. Es entstand ein Moment des Zusammengehörigkeitsgefühls.»
Diana und die Trauer um sie haben Grossbritannien verändert oder zumindest eine bereits vollzogene Veränderung sichtbar gemacht. Das Land habe in den Spiegel geschaut und sich selbst nicht so recht wiedererkannt, analysierte der langjährige BBC-Anchorman Andrew Marr: «Das Gesicht war nicht mehr weiss, verschlossen und schweigsam. Diana war die Königin eines anderen Landes, multikulturell, liberal, emotional offenherzig.»
Heute gedenken die verbliebenen Fans ihrem Idol am besten im Hyde Park, einige Fussminuten entfernt vom Kensington-Palast. Dort gibt es nicht nur den Diana-Gedenkbrunnen, sondern auch einen bestens ausgestatteten Spielplatz zu Ehren der früheren Kindergärtnerin, auf dem kleine Londoner schon seit 2000 turnen. Bis heute bleibt dieses Areal das passendste Memento an die kinderliebe Prinzessin.