«2G käme einer Impfpflicht gleich»: Drei Aargauer Nationalrätinnen sind entschieden gegen 2G-Regel
Die Infektionszahlen in Österreich explodierten in den letzten Wochen dramatisch – jetzt hat die Regierung die Notbremse gezogen. Im öffentlichen Leben gilt seit Montag: Teilnehmen können nur Geimpfte oder Genesene. Die Einführung der 2G-Regelung wird auch in der Schweiz diskutiert. So nannte die wissenschaftliche Taskforce bereits vor Wochen 2G als eine Option, falls sich die Lage hierzulande verschärfe. Seit Mitte Oktober verdoppeln sich die Fallzahlen etwa alle zwei Wochen, sagte BAG-Expertin Virginie Masserey am Dienstag an einer Medienkonferenz in Bern.
2G steht derzeit nicht zur Diskussion
Hinsichtlich der sich zuspitzenden Lage rückt die Frage, ob es in der Schweiz strengere Massnahmen wie der Einführung einer 2G-Regelung bedarf, vermehrt ins Zentrum der Diskussion. Nein, sind sich Virginie Masserey vom BAG und Rudolf Hauri, Präsident der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte, einig. «Die Lage ist noch nicht derart dramatisch, dass wir weitere Massnahmen ergreifen müssten», begründet Hauri seine Einschätzung am Dienstag gegenüber den Medien.
Nun sprechen sich auch Aargauer Nationalrätinnen gegen die verschärfende Massnahme aus. SP-Nationalrätin Yvonne Feri etwa kritisiert gegenüber ArgoviaToday dass die 2G-Regel Ungeimpfte vom öffentlichen Leben ausschliessen und die Spaltung der Gesellschaft noch mehr vorantreiben würde. Statt durch Zwang müssten die Menschen durch gezielte Aufklärungsarbeit überzeugt werden, sich impfen zu lassen.
«Man muss den Menschen aufzeigen, was die Alternativen sind, bleibt die Impfbereitschaft in der Schweiz so niedrig.» Etwa die 2G-Regelung wie sie bereits in Österreich eingeführt wurde. Das müsse unbedingt verhindert werden. «Ich bin entschieden gegen eine Impfpflicht. Würde 2G in der Schweiz eingeführt, käme das einer Impfpflicht gleich.»
«Seit Beginn der Pandemie kopiert der Bundesrat blind die Massnahmen, die in den umliegenden Ländern eingeführt werden, bloss, um medial gut dazustehen.»
Ähnlich argumentiert SVP-Nationalrätin Martina Bircher. «2G wäre ein Lockdown für Ungeimpfte, einfach schöner verpackt.» Anders als Feri gehen Bircher jedoch die geltende 3G-Regelung und die Zertifikatspflicht bereits zu weit. «Wir müssen jetzt Risikopatienten schützen und die Spitäler entlasten. Dazu braucht es keine Zertifikatspflicht.»
Dass 2G in der Schweiz vermehrt diskutiert wird seit die Regelung in Österreich greift, überrascht die SVP-Politikerin nicht. «Seit Beginn der Pandemie kopiert der Bundesrat blind die Massnahmen, die in den umliegenden Ländern eingeführt werden, bloss, um medial gut dazustehen.»
Es geht auch um Vertrauen in die Politik
Ruth Humbel, Mitte-Nationalrätin, bringt einen anderen Aspekt in die Diskussion: «Bei der Einführung des Covid-Zertifikats haben wir immer von 3G gesprochen. Es geht da auch um Vertrauen in die Politik und in die Massnahmen.» Als Ultima Ratio, um strengere Massnahmen wie ein Verbot zu verhindern, würde Humbel über die Einführung von 2G an Grossveranstaltungen nachdenken.
Allerdings nur mit einer gewissen wissenschaftlichen Evidenz, dass der Schutz grösser und das Risiko einer Ansteckung wesentlich reduziert werden können. Im öffentlichen Bereich – beim Friseur oder im Supermarkt etwa – dürfe es in keinem Fall zum Ausschluss ungeimpfter Personen kommen.
Einführung der 2G-Regel auch ohne Ja zum Covid-Gesetz möglich
Momentan ist die Einführung einer 2G-Regelung in der Schweiz weder auf politischer noch auf epidemiologischer Ebene ernsthaft Thema. Dabei würde die Rechtslage in der Schweiz dies grundsätzlich zulassen, sagt Christoph A. Zenger, Professor für Gesundheitsrecht und Management im Gesundheitswesen an der Universität Bern.
«Grundsätzlich wäre die Einführung aufgrund des geltenden Gesetzes- und Verordnungsrecht zulässig. Allerdings muss die Einführung verhältnismässig sein.» Sprich: Je grösser die Übertragungswahrscheinlichkeit ist und je stärker die Intensivstationen ausgelastet sind, desto eher ist die Einführung von 2G-Regeln zulässig. «Dabei gilt ein strenger Massstab nur dann, wenn 2G-Regeln für Aktivitäten angeordnet werden, die durch Grundrechte geschützt sind, wie beispielsweise politische Versammlungen, Gottesdienste oder das Leben innerhalb der eigenen Wohnung,» konkretisiert Zenger.
Das Covid-Gesetz, über welches am 28. November erneut abgestimmt wird, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Und das, obwohl die Verordnungen, welche die Zertifikatspflichten regeln, auf dieses Gesetz gestützt sind.
«Hätten wir kein Covid-Gesetz, könnte der Bundesrat – gestützt auf das geltende Epidemiengesetz – die ausserordentliche Lage ausrufen, wenn die Gefahr der Ausbreitung des Virus und der Überlastung der Intensivstationen so gross würde, dass 2G-Regeln nötig würden.» Im Rahmen der ausserordentlichen Lage kann der Bundesrat alle Massnahmen anordnen, die er zur Abwehr der Gefahr für geeignet sowie erforderlich und für die betroffenen Personen als zumutbar erachtet.