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«Duttis» Worte müssen gelten

300 Jobs weg – Kahlschlag bei Migros Aare. Die Meldung bewegt mich, obwohl mich sonst Entlassungen bei Grosskonzernen nicht sonderlich berühren. Aber ich bin ein Migros-Kind und fühle mit denen mit, die ihren Job verlieren.

Schon als Kind kreuzte der orange Riese meinen Weg. Mein Vater war Centerleiter einer Migros-Klubschule und engagierte sich über das Alltagsgeschäft hinaus für den Konzern. Ich erinnere mich, wie ich als Mädchen mitmarschierte am Gottlieb-Duttweiler-Gedenkmarsch, einem Volkswandertag, den mein Vater organisierte. Als Zehnjährige hielt ich seinen Einsatz als Getränkefahrer auf einer Zeichnung fest und schickte das Werk dem Brückenbauer, wie das Migros Magazin bis 2004 hiess. Zur Belohnung gab es eine Schachtel Farbstifte. Später stieg ich tausende Male auf eine Leiter, um in Migros-Filialen Weihnachts- und Osterdekorationen aufzuhängen – aus Sicht der Kundschaft immer zu früh. Ich rückte Produkte ins richtige Licht, bügelte Hemden für Mannequins, verzierte Strumpfbeine mit Maschen. Vier Jahre liess ich mich zur Dekorationsgestalterin ausbilden, schreinerte, tapezierte, malte und war gestalterisches Sprachrohr der Migros.

Die Sprache zog mich dann weg vom orangen M in den Journalismus. Doch auch im Kommunikations-Studium in Winterthur begleitete mich die «Migi». Ich analysierte die Nachhaltigkeitskommunikation des Detaillisten. Für ein Praktikum wählte ich die Abteilung Kommunikation und Kulturelles der Genossenschaft Migros Zürich. Dort schlug ich mich mit Medienschaffenden herum, plante den Aufbau der Fanmeile für die Fussball-EM und ein Konzert in einer Höhle mit, das bis heute nachhallt.

Die Migros war mir stets sympathisch, weil ich das Gefühl hatte, da wird zu den Angestellten geschaut. Gründer Gottlieb Duttweiler formulierte einst 15 Thesen, einen ethischen Kompass. Da steht auch: «Löhne, Saläre, Arbeitsbedingungen und das Verhältnis zu Arbeiter- und Angestelltenschaft müssen weiterhin vorbildlich sein. Unser Bekenntnis, dass der Mensch in den Mittelpunkt des Wirtschaftens gestellt werden müsse, hat besondere Gültigkeit.» An Tagen, an denen eine Meldung wie «300 Jobs weg – Kahlschlag bei Migros Aare» kursiert, hoffe ich, dass «Duttis» Werte präsent bleiben. Sonst werde ich zum Coop-Kind.

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