Die sexuelle Orientierung eines Paares hat den Staat nicht zu interessieren

Zum Leserbrief «Und das Kindeswohl?» von Christian Hochstrasser. Ausgabe vom 11. Juni.
Christian Hochstrasser aus Rothrist impliziert in seinem Leserbrief, dass homosexuelle Eltern ihren Kindern kein gesundes mentales und emotionales Aufwachsen ermöglichen können. Ich kann verstehen, wenn die Vorstellung eines Kindes mit zwei Mamis oder zwei Papis im ersten Moment gewöhnungsbedürftig ist. Aber bei politischen Entscheiden sollte nicht das Bauchgefühl, sondern rechtsstaatliche Grundsätze und wissenschaftliche Fakten massgebend sein.
Im Jahr 2017 publizierten Forscher der Columbia Law School eine Metaanalyse, die insgesamt 79 Einzelstudien umfasste. Die Forschung kam über eine Zeitspanne von drei Dekaden zum Konsensus, dass schwule oder lesbische Eltern keinen negativen Einfluss auf das Wohlergehen von Kindern in emotionaler, sozialer und pädagogischer Hinsicht haben. Reviews aus den USA (Manning et al., 2014) und Australien (Dempsey et al., 2017) bestätigen das. Es ist wissenschaftlich belegt, dass Familienprozesse – also zum Beispiel die Qualität der Kindererziehung oder die Zufriedenheit in innerfamiliären Beziehungen – eine wichtigere Rolle spielen als Familienstrukturen wie zum Beispiel das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung der Eltern (Short et al., 2007).
Als Naturwissenschaftler urteile ich gerne anhand von Fakten und als liberaler Politiker setze ich mich dafür ein, dass jeder Bürger die grösstmögliche Freiheit bekommt, solange sein Verhalten niemandem schadet. Momentan haben in der Schweiz homosexuelle nicht dieselben Freiheiten wie heterosexuelle Paare. Mit der Einführung der Ehe für alle und des Rechts zur gemeinschaftlichen Adoption nichtleiblicher Kinder können wir das ändern.
Ich akzeptiere, wenn Glaubensgemeinschaften diese Entwicklungen ablehnen. Was in ihrer Kirche oder Moschee erlaubt sein soll und was nicht, sollen sie weiterhin selbst entscheiden dürfen. Wo es aber um das Recht von Homosexuellen geht, vom Staat gleich behandelt zu werden wie Heterosexuelle, haben religiöse Gefühle nichts verloren. Den Staat hat die sexuelle Orientierung eines Paares nicht zu interessieren.
Tobias Hottiger, Einwohnerrat, Fraktionspräsident FDP, Zofingen
Wissenschaft.
Exakte Wissenschaft, falsche Veröffentlichung
Für die kritischen MedienkonsumentInnen ist es empfehlenswert, sich die Studien genauer anzusehen: Oft veröffentlichen die Medien nur das Ergebnis der positiven Studien-Zusammenfassung (ihrer eigenen Ausrichtung entsprechend). Untersucht man dann selber das ausführlicher beschriebene Studienergebnis, kann das erstaunlicherweise nicht mehr so klar oder sogar gegenteilig ausgefallen sein! Ein weiteres Beispiel: die Mobilfunkstrahlung.
Liberal, so lange es niemandem schadet
Wissenschaft ist nicht exact.
- religiöse Gefühle sind schlecht und haben im Staate nichts zu suchen, liberale Gefühle hingegen schon
- er hat also nun ein paar Studien gefunden, die seine Ansichten teilen. Was ist mit den Studien die das Gegenteil behaupten.
- er ist liberal, jedenfalls ein bischen. So sicher ist er sich aber nicht.
- liberal ist gut, solange man damit niemanden schadet. Dann sollte er diese Haltung in der FDP auch mal kommunizieren und zum Durchbruch verhelfen
- er liebt Fakten, jedenfalls solange wie sie seinen Einstellungen stützen
Wie der liebe Ueli schon oft zu recht angemerkt hat, ist die Wissenschaft manchmal ratlos und liegt oft auch falsch. Das muss auch hier beachtet werden. Auch wenn ich die Ehe für alle befürworte ist der Leserbrief von Tobias Hottiger beleidigend und kommt zu einem falschen Schluss. In der der tat darf der Staat die sexuelle Orientierung nicht bestimmen, muss sie sogar schützen. Aber sobald Kinder ins Spiele kommen, dann hat dies den Staat sehr wohl zu interessieren. Denn alle negativen Folgen hat die Gemeinschaft zu tragen. Auch wenn ich hier keine negativen Folgen erwarte, ist seine Aussage im Grundsatz eben falsch. Auch die Aussage zu Kirchen und Moscheen, dass dort alles erlaubt sein, was sie wollen ist so nicht richtig. Hier greift der Staat ein und reglet sehr wohl, was in den Kirchen erlaubt ist, denn die Kirchen stehen nicht über dem Gesetz.
Richtig Herr Hottiger

