Delta wütet in Österreich – wird der Winter in der Schweiz österreichisch?
14’416 Neuansteckungen an einem Tag melden die österreichischen Gesundheitsbehörden. Das ist mehr als das Doppelte der Schweiz und auf die Einwohnerzahl gerechnet etwa das Zweieinhalbfache von Deutschland. Deshalb spielt Österreich eine weitere Karte im Massnahmen-Poker aus und verschärft die Coronaregeln für Einreisende.
Ungeimpfte aus der Schweiz müssen nun an der Grenze einen PCR-Test vorweisen, ein Schnelltest reicht nicht mehr. Und bei Grenzpendlern gilt das PCR-Testergebnis nur noch 72 Stunden und nicht mehr eine Woche. Die Pendler dürfen zwar weiterhin Schnelltests verwenden, diese gelten aber nur noch 24 statt 48 Stunden. Damit will man sich Viren aus dem Ausland ersparen, im Inland wenden die Österreicher mit 2G und Lockdowns für Ungeimpfte schon härtere Massnahmen an.
Auch in Österreich sind dort wo die Impfquoten am tiefsten sind, die meisten infiziert
Österreich ist durchaus vergleichbar mit der Schweiz. Die Einwohnerzahl ist ähnlich, die Impfquote auch: 65,5 % der Gesamtbevölkerung in Österreich, 65 % in der Schweiz. In Österreich treten 83% aller symptomatischen Erkrankungen in der ungeimpften Bevölkerung auf, so wie etwa in der Schweiz. Deutlich am meisten Infektionen hat das Bundesland Oberösterreich, das mit 60 Prozent auch die tiefste Impfquote hat. In Oberösterreich leben nur 1,5 Millionen Menschen der 9 Millionen Österreicher. Trotzdem meldeten die Behörden dort heute mit 4423 Fällen ein Drittel aller Neuinfektionen des Landes. Auch das ist eine Parallele zur Schweiz. Auch bei uns wütet Delta am meisten in den Kantonen der Zentral- und Ostschweiz, also dort wo die Impfquoten am tiefsten sind.
Unterschiede gibt es bei den Hospitalisationen. In Österreich sind 2723 Personen im Spital, davon 486 auf der Intensivstation. In der Schweiz werden 141 Personen intensiv betreut und liegen 709 Covid-Patienten im Spital.
Über die Gründe dieses Unterschieds kann man nur spekulieren. Werden Infizierte in Österreich eher im Spital aufgenommen als in der Schweiz? Werden die Hygienemassnahmen schlechter umgesetzt oder hat der Anteil der Impfstoff-Art eine Auswirkung? Oder folgen die Hospitalisationen einfach nur verzögert und müsste die Schweiz also die Massnahmen verschärfen?
Eckerle fordert entschiedenes Handeln
Das fordert die deutsche Professorin Isabella Eckerle von der Universität Genf, die schon während der ganzen Pandemie für einen harten Kurs plädiert hat, zumindest für ihr Heimatland. Sie schreibt auf Twitter:
Es brauche jetzt Druck auf die Politik, endlich was zu unternehmen. «Wir Wissenschafter können nicht mehr als warnen, wir können das nicht lösen. Die Entscheidungsträger sind jetzt gefragt. Ja, auch unpopuläre Entscheidungen vielleicht», schreibt sie und teilt einen Aufruf deutscher Wissenschafterinnen und Wissenschafter.
Ob sie mit ihrem Votum auch die Schweiz miteinschliesst, war wegen Abwesenheit leider nicht zu erfahren. Andere Schweizer Epidemiologen haben sich bis jetzt noch vorsichtig geäussert. Marcel Salathé von der EPFL Lausanne hat vor ein paar Tagen in dieser Zeitung erklärt, dass er die Erstimpfungen und rasche Booster für zentral hält, um eine Überlastung des Gesundheitswesens zu verhindern. Dieser Meinung ist auch der Epidemiologe Marcel Tanner:
«Jetzt muss man konsequent Booster anwenden. Dann kann man solche Hospitalisationen wie in Österreich verhindern.»
Deshalb sei es wichtig, die Auffrischimpfungen nun zuerst bei den Ältesten durchzuführen. Das sind jene, die ohne Booster am ehesten im Spital landen, weil der Impfschutz von 70- und 80-jährigen am meisten nachlässt.