«Impf-Heil!»: Wie Österreichs Rechte gegen die Impfpflicht ankämpft – und welche Bussen den Impfverweigerern drohen
Ab dem 1. Februar gilt in Österreich eine allgemeine Corona-Impfpflicht für alle. Das hat die Regierung Mitte November so entschieden – und das tragen laut jüngsten Umfragen 60 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher mit. Eine laute Gruppe am äussersten rechten Rand des politischen Spektrums aber torpediert die europaweit bislang einzigartige Massnahme mit wüsten Parolen. Der Widerstand der Impfgegner radikalisiert sich. Das zeigte sich zuletzt beim Auftritt von Andreas Spanring, Vertreter der rechtsradikalen FPÖ im Bundesrat (der österreichischen Länderkammer).
«Was passiert denn bei der Impfpflicht? Treten sie mir in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Tür ein, zerren mich aus dem Bett und drücken mir die Spritze rein, die ich nicht will?», fragte der enervierte Politiker und fügte an:
«Rufen die dann vielleicht zum Abschluss „Impf Heil!“?»
Spanrings Tiraden könnte man als wahnhaftes Geschwafel abtun. Nicht aber, wenn inzwischen sogar der Chef der drittstärksten Partei Österreichs, Herbert Kickl, das Schauermärchen verbreitet, Impfen sei tödlich oder mache schwerkrank. Als Alternative empfiehlt FPÖ-Chef Kickl das für Pferde gebräuchliche Entwurmungsmittel Ivermectin, das bei Menschen toxisch wirken kann.
Ein Corona-Kranker ist in Oberösterreich nach einer Selbstbehandlung mit dem Entwurmungsmittel gestorben. Kickl hat das nicht zugelassene Mittel angeblich selbst getestet und sich trotzdem angesteckt. «Nur leichte Symptome», beschwichtigt er.
Der illegale Handel blüht
Mittlerweile ist das Antiwurmmittel in Österreichs Apotheken ausverkauft, weshalb der Schmuggel «förmlich explodiert» sei, meldete das österreichische Finanzministerium am Wochenende. Allein in diesem Jahr habe der Zoll bereits 24‘000 Tabletten beschlagnahmt.
Abgesehen von den tödlichen Nebenwirkungen ihrer Medikamenten-Empfehlungen wird die FPÖ auch politisch allmählich zu einer Gefahr für den Erfolg der Pandemiebekämpfung in Österreich. Bundeskanzler Alexander Schallenberg warf der Partei ein Attentat auf die Gesundheitsversorgung vor und schimpfte, die FPÖ handle «unverantwortlich gegen die Wissenschaft und schürt kollektive Ängste».
Bis zur Einführung der Impfpflicht am 1. Februar 2022 befürchten Sicherheitskräfte eine Radikalisierung der Proteste. Weil sich unter die verunsicherten Impfverweigerer und ideologisch verbohrten Impfgegner immer häufiger Neonazi-Gruppen und andere Rechtsradikale mischen, die zum Teil aus Deutschland anreisen.
Innenminister Karl Nehammer spricht von vermehrten körperlichen Attacken auf Polizisten. Sein Ministerium meldete kürzlich, seit Einführung des vierten Lockdown am 22. November seien über 300‘000 Kontrollen durchgeführt und 2500 Demonstranten wegen Regelverstösse angezeigt worden.
Strafen für Impfverweigerer von bis zu 3600 Euro
Vor rund acht Tagen liess sich die konservativ-grüne Regierung noch von internationalen Medien wegen ihrer vermeintlichen Entschlossenheit feiern, weil Österreich als erstes EU-Land den vierten Lockdown verhängte und die Impfpflicht ankündigte. Dabei musste sie die Konsequenzen der schweren Versäumnisse der Vorgängerregierung unter Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) ziehen, die den Sommer für eine Impfkampagne ungenutzt liess und die tatsächliche Lage monatelang nahezu sträflich verharmloste. Die raketenartig hochschiessenden Neuinfektionen seit Anfang November auf zuletzt bis zu 15’000 täglich zwangen die neue Regierung Schallenberg/Kogler zu einer Vollbremsung.
Jetzt besteht die Befürchtung, die radikale Kurskorrektur könnte zu spät kommen. Obwohl sich vor Impfstellen seit Tagen Schlangen bilden, steigt die Impfquote nur langsam und verharrt derzeit bei 67 Prozent Durchgeimpften. Möglicherweise wird Österreich die für einen flächendeckenden Schutz nötige 80-Prozent-Marke nicht erreichen. Denn laut Experten wird sich der Anteil der Gegner und Verweigerer, die nicht zu überzeugen sind, bei rund 25 Prozent der Bevölkerung einpendeln, woran die FPÖ-Kampagnen erheblichen Anteil haben.
Gerüchteweise will die Regierung mit saftigen Geldstrafen nachhelfen: Wer auf eine offizielle Benachrichtigung einen Impftermin nicht wahrnehme, müsse mit einer Verwaltungsstrafe von bis zu 3600 Euro rechnen. Die heimliche Hoffnung der Regierung ist, dass bis zum 1. Februar die Einführung der Impfpflicht nicht mehr nötig sei.
Klar ist inzwischen, dass bis zum 6. Dezember der Gesetzesentwurf für die Impfpflicht vorliegen und die verfassungsrechtliche Prüfung bis Weihnachten abgeschlossen sein soll.