Daniele Ganser bittet zur Kasse – und wirbt für Ungeimpfte
Die Plakate sind nicht zahlreich. Doch an prominenten Stellen in den Bahnhöfen von Basel, Bern und Zürich blickt Daniele Ganser auf die Passanten. In Rednerpose gibt sich der prominente Vertreter der Verschwörungs- und Querdenker-Gemeinde versöhnlich: «Lasst uns wieder Brücken bauen! Alle gehören zur Menschheitsfamilie.» Wer mag der Anlehnung an Lessings Theaterstück «Nathan der Weise» widersprechen. Gansers Zusatz auf dem Plakat lautet: «Sowohl Ungeimpfte als auch Geimpfte!» Was im subtilen Subtext etwa bedeutet: Was für Ungeimpfte selbstredend gelte, werde von den Geimpften teilweise bestritten.
Gegenüber dieser Zeitung reagiert Ganser nicht auf Anfragen. Für die impfkritische Esoterik-Plattform «corona-transition» mochte er sich erklären: Die Politik und die «Leitmedien» hätten in den vergangenen Monaten stark zur Spaltung der Gesellschaft beigetragen und die Ungeimpften ausgegrenzt. Dem wolle er mit seiner Kampagne begegnen. Seine Uneigennützigkeit hat allerdings Grenzen. Gleichzeitig lanciert er auf Twitter eine Kampagne in eigener Sache: Er baut eine zahlungsbereite Community auf.
Ein Ganser-Vollpaket von 365 Franken jährlich
Ab Januar startet Ganser dieses Projekt. Wer einen Jahresbeitrag von 365 Franken entrichtet, wird künftig direkt von ihm bedient. Sein Leistungskatalog umfasst einen monatlichen Newsletter, ein monatliches «Inspirations»-Video, Gesprächsrunden, Chatroom mit Gleichgesinnten sowie den Zugang zu einem «Kursraum». In je dreissig Lektionen je 15 Minuten bietet Ganser darin «Inneren Frieden» und «Werde Peacemaker» an.
Wenn nur ein Bruchteil der 140’000 «Facebook»-Freunde, auf die Ganser baut, seiner Community beitreten, dann wird diese zum grossen Geschäft. Die Wertschöpfung, die er bisher als Quotenbringer durch zahlreiche Gastauftritte anderen Querdenker-Foren und -Medien überlassen hat, wird künftig bei ihm selbst liegen. Zudem kann er Ertragsausfälle kompensieren, die durch die pandemiebedingte Absage seiner Vorträge entstehen.
Die anonymen Mitkämpfer: YOW – The Freedom Project
Gemäss den Plakaten ist Ganser nicht alleine auf Mission. Auch das Logo einer Organisation «YOW – The Freedom Project» prangt weiss auf dunklem Blau. Wer sich dahinter verbirgt, mag weder Ganser noch YOW selbst offenlegen. Anfragen werden nicht beantwortet. Gansers Plakat findet sich ebenso auf der Website wie vier Links zum «YOW Freedom System». Während zwei inaktiv sind, führt einer allerdings zu einem asiatischen Tourismusveranstalter und der andere zu einer US-Plattform, die Pflanzanleitungen für Hobbygärtner verkauft.
Ein Zusammenhang mit der eigentlichen Botschaft der Website ist nicht ersichtlich. Denn da heisst es in deutscher und englischer Sprache, YOW repräsentiere, «den Ursprung der globalen freiheitlichen Opposition und setzt sich für Meinungsfreiheit, Entscheidungsfreiheit und Eigenständigkeit sowie für Bürger- und Menschenrechte ein.» Transparenz in eigener Sache gehört nicht zu diesen Zielen.