Mehr als 100 Covid-Patienten im Spital – «sie dachten, ihr Immunsystem sei gut genug»
Schon wieder mehr neue Coronafälle als je zuvor. Nachdem letzte Woche im Aargau erstmals mehr als 600 Neuansteckungen gemeldet wurden, waren es am Montag bereits 731. Im Schnitt sind in den letzten sieben Tagen jeden Tag 644 Personen positiv auf das Coronavirus getestet worden. So viele wie noch nie seit Beginn der Pandemie.
Seit Freitag haben sich auch die Aargauer Spitäler gefüllt. Vor dem Wochenende wurden 72 Covid-Patienten auf der Bettenstation behandelt. Am Montag waren es bereits 96. Auf den Intensivstationen lagen am Montag 21 Personen mit Covid-19 – drei mehr als am Freitag. Vier weitere wurden auf der Überwachungsstation behandelt. Erstmals seit Anfang Jahr sind wieder mehr als 100 Personen wegen Covid-19 im Spital.
Todesfälle gibt es ebenfalls wieder mehr. In den letzten sieben Tagen sind im Aargau 21 Personen gestorben, die an Covid-19 erkrankt waren. Mehr als doppelt so viele wie in der Woche davor, als der Kanton acht Todesfälle meldete.
Impfstatus ist für die Triage nicht relevant
Die Fallzahlen steigen. Die Lage ist angespannt. Die Spitäler füllen sich. Die Intensivstationen sind teilweise bereits voll. Obwohl sich dort die Neuansteckungen von gestern, vorgestern und letzter Woche noch gar nicht niederschlagen. Das dauert jeweils zwei bis drei Wochen. Und vor zwei bis drei Wochen wurden im Aargau im Schnitt noch weniger als 400 Personen pro Tag positiv auf das Coronavirus getestet.
Aber wer sind eigentlich die Patientinnen und Patienten, die so schwer an Covid-19 erkranken, dass sie ins Spital müssen? Es seien nicht die «Impfkritiker mit den schweren Kuhglocken», sagte Infektiologe Christoph Fux vom Kantonsspital Aarau am Dienstagabend im «Talk Täglich» auf Tele M1. Deshalb dürfe der Impfstatus einer Person auch nicht darüber entscheiden, ob jemand – wenn es zu Triagen kommt – ein Intensivbett bekommt oder nicht.
Viele Patienten sind schlecht informiert
Fux skizzierte in der TV-Sendung zwei Typen von Covid-Patienten. Jene, welche die Krankheit «einfach unterschätzt haben» oder nie gedacht hätten, dass es sie erwischen könnte. «Sie dachten, ihr Immunsystem sei gut genug», so der Infektiologe.
Bei der zweiten Patientengruppe handle es sich um Personen mit Migrationshintergrund. Diese seien oft einfach «schlecht informiert», sagte Fux. Sie informierten sich in Medien aus ihren Herkunftsländern, wo viele Fake News zu Corona kursierten und Ängste bedient würden.
Impfpflicht als schnellster Weg aus der Krise?
Für Fux ist klar: Wenn sich die aktuelle Situation nicht noch weiter verschärfen soll, dann sind jetzt alle gefragt. «Wir müssen unser Verhalten anpassen», sagte er. Und braucht es eine Impfpflicht? Ja, so Fux. «Eine Impfpflicht wäre in der aktuellen Situation, in der wir nicht vom Fleck kommen und die uns extrem viel kostet, das Beste, um möglichst rasch aus der Krise zu kommen.»
Im Aargau entscheiden sich zwar nach wie vor mehrere hundert Personen pro Tag für die Covid-Impfung. In den letzten sieben Tagen sind 2874 Erstimpfungen verabreicht worden. Das sind 700 mehr als in der Vorwoche. Aber die Impfquote erhöht sich dadurch nur langsam. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum haben sich 25’599 boostern lassen.
Die Impfwilligkeit jener, die bereits zweimal geimpft sind, ist also deutlich höher. Aber deshalb eine Impfpflicht?
Fux findet, eine Impfpflicht sei eigentlich nichts Neues. Für gewisse Reisen müsse man sich heute schon impfen lassen. Und dann blickte der Chefarzt auch noch weit zurück in jene Zeit, als in der Schweiz die Pocken wüteten. 1882 habe das Stimmvolk eine Pflicht für die Pockenimpfung zwar abgelehnt. Aber 1923 bei der nächsten Pockenepidemie habe sie der Bundesrat – zumindest lokal – angeordnet.