Omikron-Variante ist im Aargau angekommen – Infektiologe Christoph Fux: «Wir sehen nur die Spitze des Eisbergs»
Im Kanton Aargau haben sich sechs Personen nachweislich mit der neuen Omikron-Variante des Coronavirus angesteckt. Genauere Abklärungen seien im Gang, teilt das Gesundheitsdepartement mit. Das Contact-Tracing behandle die sechs Fälle mit höchster Priorität. «Enge ungeschützte Kontakte der Betroffenen werden unter strikte Quarantäne gestellt», heisst es in der Mitteilung. Christoph Fux, Infektiologe am Kantonsspital Aarau und beim Kantonsärztlichen Dienst, beantwortet die drängendsten Fragen.
Ist bekannt, wo sich die Betroffenen angesteckt haben?
Christoph Fux: Nein. Was wir wissen: Keine der sechs betroffenen Personen hat sich im Ausland in einem Omikron-Risikogebiet aufgehalten. Das heisst, wir müssen davon ausgehen, dass sie sich hier angesteckt haben und die Omikron-Virusvariante bereits hier zirkuliert.
Muss man also davon ausgehen, dass sich im Aargau bereits mehr als sechs Personen mit der Omikron-Variante angesteckt haben?
Ja. Da die Diagnose-Sicherung eine aufwendige Genanalyse nötig macht, erfassen wir aktuell den Zustand von vor zwei Wochen. Zudem werden aus technischen Gründen nur ein Teil der PCR-, aber keinerlei Schnelltests auf Omikron gescreent. Wir sehen also nur die Spitze des Eisberges.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen den sechs Fällen?
Es gibt ein Ehepaar, sonst nur Einzelfälle. Es handelt sich also nicht um einen einzelnen Ausbruch. Es sind mehrere Orte, an denen die Omikron-Variante aufgepoppt ist. Fünf der sechs Betroffenen sind aus dem Kanton Aargau. Eine Person arbeitet nur im Aargau.
Wann sind die sechs Betroffenen positiv auf das Coronavirus getestet worden?
Der erste Betroffene ist bereits vor etwa zwei Wochen positiv getestet worden. Wir wissen aber bei allen sechs Infizierten erst seit Montag, dass sie sich mit der Omikron-Variante angesteckt haben.
Warum?
Um die Omikron-Variante nachweisen zu können, muss das Virus im Labor sequenziert werden. Das ist sehr aufwendig und dauert bis zu zwei Wochen.
Wann wird eine solche Sequenzierung gemacht?
Wir fragen die Leute, die sich testen lassen, ob sie sich kürzlich in einem Omikron-Gebiet aufgehalten haben. Wenn dies der Fall ist, melden wir das dem Labor. Die Labors können bei gewissen, aber nicht bei allen der standardmässigen PCR-Analysen Hinweise auf Omikron finden. Zur Bestätigung muss dann eine Sequenzierung erfolgen.
Welche Hinweise?
Bei der Omikron-Variante fehlt das Spike Gen (man spricht vom S gene drop-out), während die anderen Sequenzen vorhanden sind. Wenn das S-Gen fehlt, weiss man, dass es Omikron sein könnte. Aber auch harmlose andere Mutanten sind hier möglich. Deshalb braucht es die Sequenzierung. Melden uns die Labors diese Auffälligkeit bei Leuten, bei denen wir aufgrund der Krankheitsgeschichte Hinweise auf Omikron haben, setzen wir die engen ungeschützten Kontakte in strikte Quarantäne. Die Proben ohne S-Gene drop-out werden nicht zur Sequenzierung geschickt.
Wie geht es den sechs infizierten Personen?
Keine der sechs Personen ist im Spital. Sie befinden sich alle zuhause in Isolation. Aber sie sind auch alle eher jung, zwischen 27 und 59-jährig.
Sind die Infizierten gegen Covid-19 geimpft?
Das habe ich bisher nicht erfahren.
Was weiss man über die Omikron-Variante?
Man weiss noch relativ wenig. Aber die Generationsdauer liegt bei zwei bis vier Tagen anstatt fünf bis sieben Tagen. Das heisst, jemand kann schon zwei Tage nachdem er sich angesteckt hat, andere Personen anstecken. Dadurch verbreitet sich das Virus schneller und wir sagen, es ist ansteckender. Ein Virus kann aber auch ansteckender sein, weil es einfacher in Zellen eindringen oder die Impfung umgehen kann. Wenn wir jetzt sagen, Omikron ist ansteckender, weil sich Fallzahlen schneller vermehren, kann das also unterschiedliche Gründe haben. Welche genau, ist noch unklar.
Wie wird es weitergehen?
In Basel sind schon fast 10 Prozent der sequenzierten Viren Omikron. Aus den Erfahrungen von Südafrika und Dänemark erwarten wir, dass Omikron Delta innert weniger Wochen verdrängt. Bleiben die Schutzmassnahmen gleich, wird bei einem ansteckenderen Virus die Fallzahl ansteigen. Ist der Impfschutz geringer, wird die Fallzahl ebenfalls ansteigen. Diese Veränderungen sind exponentiell, gehen also sehr schnell.
Wie können wir uns auf Omikron vorbereiten?
Der beste Schutz ist auch für Omikron die Impfung. Der Booster vermag den Schutz vor Omikron deutlich zu verbessern. Deshalb soll sich jede und jeder sechs Monate nach der zweiten Impfung unbedingt boostern lassen.