Omikron ist schuld: Im Berner Oberland sitzen die Organisatoren vor den Rennen in Adelboden und Wengen wie auf Nadeln
Das darf doch nicht wahr sein. Jetzt geht das schon wieder los. Das waren die Gedanken, die Urs Näpflin durch den Kopf schossen, als er zum ersten Mal dem Wort Omikron begegnete. Näpflin ist der OK-Präsident der Lauberhornrennen, und in Sachen Coronavirus und Varianten ist er ein gebranntes Kind. 2021 fielen die Rennen in Wengen ganz aus. Wegen der Delta-Variante. Und jetzt also, im Winter darauf, Omikron.
Ein Riesenslalom und ein Slalom am Chuenisbärgli, dann, eine Woche später, die Rennen am Lauberhorn: Die ersten Januar-Wochen sind aus Schweizer Sicht die wichtigsten im Skikalender überhaupt, von Grossanlässen einmal abgesehen. Für die Athleten, weil ein Sieg an den Heimrennen besonders wertvoll ist. Für den Skiverband, weil ihm die Rennen im Berner Oberland Geld einbringen und viel Aufmerksamkeit im Land. Für die Veranstaltungsorte, weil ihr Name um die Welt geht.
Letztes Jahr fehlten die Zuschauer ganz
Im letzten Jahr stand die Pandemie den Klassikern im Weg. In Adelboden fuhren Marco Odermatt und Loïc Meillard in den beiden Riesenslaloms aufs Podest, zwei dritte Plätze. Zuschauer waren am Chuenisbärgli wegen der Corona-Massnahmen allerdings keine zugelassen. In Wengen fielen die Rennen eine Woche später ganz aus, weil die Delta-Variante sich rasch ausgebreitet hatte im Bergdorf. Es war der Kanton, der kurzfristig die Reissleine zog. OK-Chef Näpflin sprach damals von einer «absoluten Katastrophe».
Jetzt also Omikron. Und trotzdem sieht es derzeit gut aus. Für Adelboden an diesem Wochenende. Für Wengen am nächsten. Sogar Zuschauer dürfen wieder dabei sein, es gilt 3G draussen und 2G drinnen. Aber eben: Die Erinnerung ans letzte Jahr ist noch frisch. Daran, wie schnell alles gehen kann. Tiefenentspannt, sagt Urs Näpflin, sei anders. Und Christian Haueter, der Geschäftsführer der Adelbodner Weltcup-Rennen, formuliert es so: «Natürlich bin ich nicht so relaxt wie zu Zeiten, in denen wir Corona noch nicht kannten.»
Es ist auch in diesem Jahr die Pandemie, die den Organisatoren im Berner Oberland keine ruhige Minute lässt. Und weniger das warme Wetter der letzten Tage. Sowohl aus Adelboden als auch aus Wengen heisst es, dass man das schon hinkriege mit der Piste.
Also zurück zu Omikron, der hochansteckenden Variante, die Urs Näpflin und Christian Haueter aus drei Gründen Sorgen bereitet. Da sind, erstens, die Behörden und die Frage, ob sie sich das nicht noch anders überlegen. Und beschliessen, dass vor dem Hintergrund der hohen Fallzahlen Skirennen mit tausenden Menschen vielleicht doch nicht so eine gute Idee sind. Momentan deutet allerdings wenig auf ein Zuschauerverbot hin.
Der Kanton Bern hält den Daumen hoch
Die Bewilligung für Grossveranstaltungen wie Skirennen erteilt der Kanton Bern. In Baselland sagten kürzlich die Organisatoren den Weltcup-Reitanlass CHI Basel von Mitte Januar ab, nachdem die Regierung Grossanlässen mit über tausend Personen in Innenräumen den Stecker gezogen hatte. Im Berner Oberland ist die Situation insofern anders, als dass sich das Gros der Zuschauer draussen aufhält.
Derzeit stehen keine Verschärfungen zur Debatte, sagt Gundekar Giebel, der Sprecher der Berner Gesundheitsdirektion. «Wir sehen momentan keinen Grund für Sofortmassnahmen», sagt Giebel, «Stand heute ändert sich das nur, wenn der Bund neue Massnahmen ergreift». Der Bundesrat wiederum will sich erst in einer Woche, nach den Rennen in Adelboden, wieder zu einer Sitzung treffen. Und hat bisher vor allem schärfere Massnahmen in Innenräumen zur Diskussion gestellt.
So viele Zuschauer wie in anderen Jahren werden den Rennen aber nicht beiwohnen. In Adelboden, wo am Samstag üblicherweise 20’000 bis 25’000 Zuschauer im Zielraum stehen, wurden laut Christian Haueter bisher 10’000 Tickets verkauft. Urs Näpflin sagt, in normalen Jahren kommen in Wengen 30’000 bis 35’000 Zuschauer zum Highlight, der Abfahrt vom Samstag. Aktuell sind 11’000 Karten verkauft.
Zweimal über 1000 Helfer im Einsatz – Sorgen beim OK wegen allfälliger Quarantäne
Auf eine Maskenpflicht im Aussenbereich will man sowohl in Adelboden wie auch in Wengen verzichten, man belässt es bei einer Empfehlung. Reicht das wirklich? Urs Näpflin sagt, alles andere sei nicht umsetzbar und nicht kontrollierbar. Man halte sich an die Vorgaben der Behörden und kontrolliere die 3G-Zertifikate.
Die Zuschauer dürfen wieder kommen. Doch was ist, wenn Marco Odermatt oder Beat Feuz sich mit dem Virus anstecken und beim Heimrennen aussetzen müssen, so, wie das diese Saison etwa Lara Gut-Behrami oder Mikaela Shiffrin und zuletzt einem Slalom-Trio aus dem Schweizer Frauenteam passiert ist? «Das macht uns natürlich Sorgen und würde auf die Stimmung drücken», sagt Näpflin.
Wie Kollege Haueter in Adelboden treibt ihn noch eine dritte Sache um: Die Angst davor, dass freiwillige Helfer ausfallen, weil sie in Isolation oder Quarantäne müssen. In Adelboden sind 1000 Helfer im Einsatz. Ein paar Ausfälle, ungefähr zehn, hat es laut Christian Haueter schon gegeben. Und das bereitet ihm schon Bauchweh. «Wir können Ausfälle kompensieren, aber natürlich nur begrenzt», sagt er.
In Wengen, wo gar 1200 Helfer im Einsatz stehen, sagt OK-Präsident Näpflin, dass man ein Problem habe, wenn Schlüsselpersonen ausfallen. «Wir sperren sie deshalb ab fünf Uhr abends zu Hause ein, um kein Risiko einzugehen», lacht er.