SGV zu Dampfschiff-Zusammenstoss: «Die Kollision hätte durch bessere technische Vorgaben vermieden werden können»
Im Luzerner Seebecken kollidierten am 19. August 2016 die beiden Dampfschiffe «Unterwalden» und «Schiller». Die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) hat jetzt ihren Schlussbericht zum Unfall veröffentlicht. Dieser bestätige die bereits kurz nach der Kollision vermutete Unfallursache, teilte die Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees (SGV) am Dienstag mit.
Das Video zum Unfall
Gemäss dem Sust-Bericht ist die Schiffskollision darauf zurückzuführen, dass der Ruderausschlag des DS Unterwalden in Richtung Backbord aufgrund von zwei fast gleichzeitig getätigten Steuerbefehlen auf zwei unterschiedlichen Fahrständen nicht rechtzeitig korrigiert werden konnte. Die Software der Rudersteuerung war so programmiert, dass der zuerst gegebene Steuerbefehl auch dann noch weiter ausgeführt wurde, als gleichzeitig über den zweiten Steuersignalgeber ein anderer Steuerbefehl für eine Ruderkorrektur gegeben wurde.
Die Ruderanlage des DS Unterwalden hat laut Sust-Bericht den regulatorischen Vorgaben und dem aktuellen Stand der Technik zwar entsprochen, jedoch die oben beschriebene Situation nicht vorgesehen. Dem Sust-Schlussbericht ist zu entnehmen, dass durch das rasche Einleiten des entsprechenden Notmanövers durch die Schiffsführer die Auswirkungen der Kollision reduziert wurden.
Sachschaden von 200’000 Franken
Die SGV bedauert in ihrer Mitteilung den Unfall sehr und entschuldigt sich nochmals bei allen involvierten Personen. «Die Kollision hätte durch bessere technische und betriebliche Vorgaben vermieden werden können», erklärt SGV-Geschäftsführer Stefan Schulthess auf Anfrage.
Glücklicherweise wurden beim Zusammenstoss der beiden Dampfschiffe keine Personen verletzt. Das DS Unterwalden musste repariert werden und konnte zehn Tage nach der Kollision wieder eingesetzt werden. Es entstand ein Sachschaden von rund 200’000 Franken. Der Schaden ist durch die Versicherung gedeckt, betont SGV-Geschäftsführer Schulthess. Strafrechtliche Folgen habe der Vorfall nach dem Kenntnisstand der SGV keine, sagt Schulthess.
Software der Ruderanlage wurde angepasst
Die Software der Ruderanlage auf dem DS Unterwalden sowie auf allen im Bericht erwähnten betroffenen Schiffen sei nach dem Unfall angepasst worden, teilt die SGV weiter mit. Damit sei künftig sichergestellt, «dass ein Steuerbefehl erst angenommen werden kann, wenn kein anderer Steuerbefehl ansteht und keine Ruderbewegung ausgeführt wird».
Gleichzeitig wurde die Ruderanlage auf dem DS Unterwalden nach dem Unfall so umgebaut, dass die einzelnen Fahrstände vom Schiffsführer neu mit einem Übernahmeknopf manuell aktiviert werden müssen: «Dadurch wird verhindert, dass das Steuer von zwei verschiedenen Fahrständen aus durch verschiedene Personen gleichzeitig bedient werden kann.» Die nach dem Vorfall getroffenen Massnahmen seitens SGV AG und Shiptec AG werden im Sust-Bericht als richtig beurteilt.
Die SGV setzte auch den im Bericht erwähnten Sicherheitshinweis um, wonach für die Übernahme der Steuergewalt zwischen zwei verschiedenen Schiffsführern die Regeln schriftlich festgehalten werden. Bei der praktischen Ausbildung sei dieses Vorgehen bereits in der Vergangenheit instruiert worden.
Aufprall mit 7 Stundenkilometern
Zum Zeitpunkt des Zusammenstosses befanden sich auf dem Dampfschiff Unterwalden 139 Passagiere und auf dem Dampfschiff Schiller 321 Passagiere. Gemäss den ausgewerteten GPS-Daten steuerte das DS Unterwalden mit einer Geschwindigkeit von 23 Stundenkilometern aus dem Bereich Meggenhorn kommend die Station Verkehrshaus Lido an. Um 13.32.25 Uhr, zirka 30 Sekunden vor dem Anprall, änderte das Schiff seinen Kurs Richtung Backbord, um dem entgegenkommenden DS Schiller auszuweichen. In diesem Moment betrug die Distanz zwischen den beiden Schiffen rund 160 Meter. Zeitgleich reduzierte sich die Geschwindigkeit, bis auf 7 Stundenkilometer zum Zeitpunkt der Kollision. Etwa 100 Meter vor der späteren Aufprallstelle machte das DS Schiller eine deutliche Kursänderung nach Steuerbord. Es lief nach dem Aufprall zirka 300 Meter bis zum Stillstand.
Besatzung konnte Auswirkungen der Kollision reduzieren
«Unter Druck haben sowohl der Schiffsführer als auch der Matrose versucht, mit Bedienungen in ihren jeweiligen Fahrständen die Situation unter Kontrolle zu bringen, und konnten nicht reflexartig die Steuerung in den Notbetrieb umschalten», heisst es im Sust-Schlussbericht. Das Einleiten eines Notmanövers (Notstopp – Maschinen «voll zurück») durch die Besatzung habe die Auswirkung der Kollision reduziert. Dass keine Personen verletzt wurden, sei auch dem raschen und besonnenen Handeln der Person an der Kasse auf dem DS Unterwalden zu verdanken. Diese habe die drohende Kollision erkannt und die Passagiere im Bereich des Buges angewiesen, sich schnell nach hinten zu begeben und sich sofort hinzusetzen. Am Dampfschiff «Schiller» entstand beim Anprall auf der Backbordseite eine kleine Delle in der Scheuerleiste.