AHV-Reform, Europa, Klima: Mitte und SP setzen Schwerpunkte – und starten in ein schwieriges Vorwahljahr
Sowohl die Mitte als auch die SP haben den bundesrätlichen Kurs in der Pandemiebekämpfung in weiten Teilen unterstützt. Die SP stellte sich treu hinter ihren Gesundheitsminister Alain Berset. Mitte-Präsident Gerhard Pfister pfiff teilweise gar die eigene Fraktion zurück und betonte staatstragend, Krisen seien die Stunde der Exekutive.
Doch gemäss einer Tamedia-Umfrage vom Mittwoch zahlt sich diese Haltung bei der Wählerschaft nicht aus. Zulegen können die Nicht-Bundesratspartei GLP und die SVP mit ihrem harten Corona-Oppositionskurs. Mitte und SP hingegen würden leicht Wähleranteile einbüssen – allerdings im Rahmen des statistischen Fehlerbereichs der Umfrage.
Kein Grund zur Panik also: Mitte-Präsident Gerhard Pfister wirkt denn auch motiviert am Dreikönigsgespräch mit Medienschaffenden. Seine Partei sei «auf dem richtigen Weg», der Namenswechsel vor einem Jahr sowie die Fusion mit der BDP hätten sich positiv ausgewirkt: «Die Kantonalparteien sagen uns, dass es mit dem neuen Namen wesentlich leichter sei, neue Kandidierende zu gewinnen», so Pfister. Bei der Jungpartei seien seither gar 800 neue Mitglieder dazugestossen.
Doch das alleine reicht nicht aus, um bei den Wahlen 2023 erfolgreich abzuschneiden. Dessen ist sich auch Pfister bewusst:
«Wir verfolgen nicht primär das Ziel, die Mitgliederzahlen zu erhöhen. Viel eher wollen wir Sympathisanten dazugewinnen.»
Reform der Sozialwerke und Kostenbremse im Gesundheitswesen
Wie das geschehen soll und welche Schwerpunkte die Mitte im soeben begonnen Jahr setzt, führt Fraktionschef Philipp Matthias Bregy aus: «Einerseits wollen wir mit unserer Kostenbremse-Initiative die Prämienlast für Gering- und Mittelverdienende nachhaltig lindern.» Laut einer vom Bundesrat beauftragten Expertengruppe können ohne Einschränkung der Qualität der Gesundheitsversorgung bis zu 6 Milliarden Franken der Gesundheitskosten eingespart werden. Die Initiative wird im laufenden Jahr im Parlament diskutiert.
Andererseits engagiere sich die Partei für eine nachhaltige Reform der Sozialwerke. «Bei der AHV haben wir uns im Parlament für einen Kompromiss eingesetzt», so Bregy. Gegen diesen haben die Linken bereits das Referendum ergriffen. Sie kritisieren, dass die Reform zu Lasten der Frauen gehe. Für Mitte-Nationalrat Bregy ist das unverständlich: «Damit besteht die Gefahr, dass wir die Renten der zukünftigen Generationen nicht mehr sichern können.» Das soll verhindert werden. «Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass wir diese wichtige Reform mit vereinten Kräften über die Ziellinie einer absehbaren Volksabstimmung bringen», so der Walliser.
Auch bei der 2. Säule will die Mitte vorwärtsmachen. Im Sinne der Generationengerechtigkeit soll der Umwandlungssatz gesenkt werden. Für tiefe und mittlere Einkommen soll dabei ein fairer Ausgleich realisiert werden.
Sozialdemokraten müssen Verluste an Grüne stoppen
Auch bei der SP hat sich 2021 einiges verändert. Mit Cédric Wermuth und Mattea Meyer hat die Partei ein neues Co-Präsidium. Elektoral ist dessen bisherige Bilanz durchzogen: Die Sozialdemokraten verlieren in Gemeinden und Kantonen laufend Sitze – vor allem an die Grünen. Vielleicht genau deshalb will sich Wermuth im laufenden Jahr für «eine verstärkt offensive Politik, die auch fundamentale Veränderungen zur Diskussion bringt» einsetzen, wie er am Dreikönigsanlass der SP sagte.
Konkret will der Co-Präsident fünf Herausforderungen angehen. Dazu zählt erstens die Migrations- und Asylsituation und damit die bereits angekündigte «Volksinitiative für einen zukunftsfähigen Finanzplatz». Zweitens fordert die SP eine fundamentale Umkehr in der Klimapolitik. In diesem Zusammenhang ist eine Initiative gemeinsam mit den Grünen geplant (Klimafonds-Initiative).
Drittens wollen die Sozialdemokraten die Gleichstellung vorantreiben. Der Fokus liegt dabei insbesondere auf der Kinderbetreuung. Auch hier ist eine Initiative geplant. Diese fordert, dass flächendeckende Kitas nach dem Modell der Volksschule eingeführt werden.
SP will Kapital und Unternehmen an den Kragen
Genau wie die Mitte verfolgt auch die SP das Ziel, eine sozial gerechte Reform der Altersvorsorge zu Stande zu bringen. Sozial gerecht bedeutet für die SP allerdings etwas anderes als für die Bürgerlichen, weshalb sie – wie bereits erwähnt – das Referendum ergriffen hat. Als letzte Herausforderung sieht Wermuth die Bedrohung der Demokratie:
«Der Druck der grossen Konzerne, die sich aus der gesellschaftlichen Verantwortung ziehen, ist enorm.»
Deshalb dürften Kapital und Unternehmen nicht noch mehr entlastet, sondern müssten stärker belastet werden, so Wermuth.
Die SP will 2022 vier Initiativen lancieren und sammelt derzeit Unterschriften für drei Referenden; weitere könnten hinzukommen. Dieser direktdemokratische Aktivismus dürfte auch mit Blick aufs Wahljahr 2023 erfolgen.