Vogelgrippe: Wie gross ist das Risiko für den Menschen?
Nach heutigem Wissensstand sei der aktuell grassierende Vogelgrippe-Virusstamm nicht auf Menschen übertragbar, hatte das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen Ende November in einer Medienmitteilung geschrieben. Schön wär’s. In Grossbritannien wurde inzwischen ein Mensch infiziert – dies gab vergangene Woche die britische Regierung bekannt.
Es handelt sich um eine Person, die in engem Kontakt zu infizierten Vögel stand und diese «in ihrem Zuhause und darum herum» hielt. Noch ist der genaue Virusstamm nicht bestätigt, aber die Vermutung liegt nahe, dass es sich um H5N1 handeln könnte – der Vogelgrippe-Stamm, der in den vergangenen Monaten bei diversen Vögeln in Grossbritannien und auch in Kontinentaleuropa nachgewiesen wurde.
455 Todesfälle seit 2003
Vogelgrippe-Viren sind verwandt mit denjenigen Viren, die dem Menschen die Grippe bescheren. Sie sind insbesondere unter Wasservögeln verbreitet. Dass Vogelgrippe-Viren vom Typ H5N1 auf Menschen übergehen, ist jedoch selten. In der Regel kommt es nur bei engem Kontakt zu infizierten Vögeln oder deren Ausscheidungen vor. Aber wenn es einen Menschen erwischt, kann es gefährlich werden: Nebst grippeähnlichen Symptomen wie hohem Fieber und Husten kann es zu Lungenentzündung und anderen Komplikationen kommen. Von den 862 Infizierten, welche der Weltgesundheitsorganisation seit 2003 gemeldet wurden, starben 455 am Virus.
Der betroffenen Person in England geht es aber gut. In ihrem Umfeld wurden keine weiteren Infizierten gefunden. Übertragungen von Mensch zu Mensch sind für Vogelgrippe-Viren bislang nicht nachgewiesen. Die US-Gesundheitsbehörde CDC berichtet jedoch von vereinzelten Fällen, wo derartige Ansteckungen vermutet werden.
Laut dem Institut für Virologie und Immunologie (IVI) des Bundes ist es dem H5N1-Virus bislang nicht gelungen, sich an den Menschen als Wirt anzupassen. «Das heisst nicht, dass es diesen Viren zukünftig unmöglich wäre, sich im Menschen als neuen Wirt zu etablieren», sagt IVI-Sprecherin Nathalie Rochat. «Allerdings sind hierzu zahlreiche Mutationen in mehreren viralen Genen notwendig.»
Schweiz: Massnahmen entlang Gewässern
Während die Gefahr für Menschen sehr klein ist, gibt es gewisse Virusmutanten, an denen bis zu 100 Prozent der infizierten Hühner und Puten sterben. Geflügelbetriebe in der Schweiz blieben lange Zeit davon verschont. In November des vergangenen Jahres wurde jedoch H5N1 bei den Hühnern eines Tierasyls im Zürcher Unterland nachgewiesen – dies ist der erste Fall seit 1930. In der Region wurde vorübergehend der Transport von Tieren, Eiern und anderen Geflügelprodukten stark eingeschränkt. Diese Massnahmen konnten inzwischen aufgehoben werden, weil bei Tests in der Region keine weiteren Fälle zum Vorschein kamen.
Doch noch gilt offiziell Warnstufe rot: Die Gefahr, dass die Seuche erneut in der Schweiz auftritt, ist gross. Befürchtet wird insbesondere, dass ziehende Wasservögel das Virus wieder einschleppen könnten. Wer entlang der grossen Flüsse und Seen Geflügel hält, muss deshalb den Auslauf mit einem Netz abdecken und sicherstellen, dass die Tiere bei den Futter- und Tränkstellen nicht mit Wildvögeln in Kontakt kommen. Die Massnahmen gelten noch mindestens bis Ende Januar.
In Israel verenden Kraniche
Vom aktuellen Ausbruch in Europa sind 27 Länder betroffen. Allein in Lincolnshire in England mussten eine Million Vögel getötet werden, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen. In Deutschland spricht das Friedrich-Löffler-Institut, das auf Bundesebene die Tiergesundheit überwacht, von der grössten Vogelgrippe-Epidemie überhaupt in Deutschland und Europa. Auch der Nahe Osten ist betroffen: In Israel sind Tausende Kraniche verendet. Da bald die Zugzeit beginnt, wird befürchtet, dass das Virus sich von dort aus noch weiter verbreitet. Gefährdet sind auch die seltenen Schelladler, die von den Kranichkadavern fressen.