Bahn, Bus und Tram sind in der Schweiz für viele teuer – so können Sie beim Billettkauf Geld sparen
Wieso ist der öffentliche Verkehr in der Schweiz so teuer? «Ist er nicht!», lautet die Antwort, welche die Branche regelmässig mittels einer Studie zu untermauern versucht. Am Mittwoch hat der Branchenverband Litra die neueste Ausgabe seines Preisvergleichs vorgestellt. In seinem Auftrag hat das Forschungsunternehmen Infras zum vierten Mal die Preise für Bahn, Bus und Tram mit jenen in sechs europäischen Ländern verglichen.
Das Fazit: «Die Schweiz ist mit ihren Preisen gutes europäisches Mittelfeld». Der Ruf des öffentlichen Verkehrs, teuer zu sein, sei ein «Vorurteil», heisst es in einer Mitteilung. Ein Blick in die Studie zeigt aber: Das stimmt nur teilweise.
Günstig für Fahrten in der Stadt
Um den unterschiedlichen Preisniveaus gerecht zu werden, wurden die Preise kaufkraftbereinigt und die Währungen umgerechnet. Beide Effekte spielen beim Preisvergleich dem Schweizer ÖV in die Hände. Einerseits ist der Franken in den letzten Jahren erstarkt. Andererseits wird mit der Kaufkraftbereinigung vereinfacht gesagt ein Billett, das in der Schweiz 1 Franken kostet, gleich gesetzt mit einem, das in Österreich 62 Rappen kostet, in Deutschland 56 Rappen und in Italien 53 Rappen.
Trotzdem kann der Schweizer ÖV in keiner der Kategorien obenaus schwingen. Im Vergleich der sieben Länder eher günstig ist er für tägliche Fahren innerhalb einer Stadt für Erwachsene und Jugendliche. Nur in Italien und Österreich sind solche Fahrten günstiger. Teurer sind sie hingegen in Deutschland, den Niederlanden, England und Frankreich. Eher teuer ist der städtische ÖV hierzulande hingegen für Seniorinnen und Senioren – auch, weil spezielle Angebote für sie häufig ganz fehlen.
London ist gleich Lausanne
Die Resultate sind mit Vorsicht zu geniessen: So wurden jeweils die Preise für die Tarifzone verglichen, welche die Fahrt innerhalb der ganzen Stadt ermöglicht. Dadurch werden die ÖV-Angebote der vergleichsweise kleinen Städte Zürich (440’000 Einwohnern) und Lausanne (140’000 Einwohner) mit jenen von europäischen Metropolen wie Berlin mit 3,7 Millionen Einwohner, Rom oder London gleichgesetzt.
Für die Schweiz, in welcher ein grosser Teil der Bevölkerung in Agglomerationen lebt und in Städten arbeitet, ist der Preisvergleich für Fahrten innerhalb des ganzen Metropolitanraums relevant. Dafür wurden die Strecken Zürich – Zug und Lausanne – Nyon berücksichtigt, die mit Strecken wie Berlin – Potsdam, Rotterdam – Den Haag oder London – Watford Junction verglichen wurden.
Der ÖV ist nichts für Senioren
Bei täglichen Fahrten bewegen sich die Schweizer Preise dabei im Mittelfeld, jene für die Jugendlichen liegen leicht über dem Durchschnitt. Besonders in Deutschland fahren Jugendliche günstiger. Für Erwachsene sind ÖV-Fahrten in den Niederlanden, Deutschland und Grossbritannien hingegen teurer als in der Schweiz.
Werden Fahrten in Metropolitanräumen verglichen, die nur einmal wöchentlich zurückgelegt werden, schneidet die Schweiz schlecht ab. In der Kategorie der Billette für Erwachsene und Jugendliche sind nur Grossbritannien und die Niederlande teurer, in der Kategorie der Senioren-Billette gar nur die Niederlande.
Etwas besser schneidet die Schweiz ab, wenn Fahrten zwischen Städten oder von der Stadt aufs Land verglichen werden – dem Generalabonnement (GA) sei Dank. Am günstigsten sind solche Fahrten in Österreich. Unser östlicher Nachbar unterbietet das Schweizer Tarifniveau in fast allen Kategorien.
Mit dem letzten Jahr lancierten «Klimaticket», einem GA für ganz Österreich für umgerechnet 1150 Franken (das Schweizer GA kostet in der 2. Klasse 3860 Franken), dürfte sich der Preisgraben zwischen den beiden Ländern noch vergrössern. Das Klimaticket wurde in der aktuellsten Ausgabe des Litra-Vergleichs noch nicht berücksichtigt.
Wie gut ist der Schweizer ÖV?
Die Preise sind allerdings nur eine Dimension der Qualität des öffentlichen Verkehrs. In der Studie wurden auch qualitative Aspekte berücksichtigt. Das geschah anhand von vier Indikatoren: Pünktlichkeit, Dichte des Angebots, Dichte des Netzes – also wie viele Kilometer Schiene pro Fläche liegen – und Geschwindigkeit im Fernverkehr.
In Sachen Qualität schneidet die Schweiz mit Abstand am besten ab. Pro Kategorie werden maximal vier Punkte vergeben. Die Schweiz als Gewinnerin in den ersten drei Kategorien kommt auf total 12 Qualitätspunkte, gefolgt von den Niederlanden (6,4) und Österreich (5,3).
Eine exakte Wissenschaft ist das nicht: Während das ÖV-Angebot hierzulande unbestritten gut ist, darf bezweifelt werden, dass es doppelt so gut ist wie jenes in Österreich oder den Niederlanden, wo mittlerweile selbst auf Fernverkehrs-Strecken ein 10-Minuten-Takt angeboten wird.
Keine Preiserhöhungen
Zwei gute Nachrichten gibt es für die Nutzerinnen und Nutzer des Schweizer ÖV: Weil die Branche in den letzten Jahren auf Preiserhöhungen verzichtete, gewinnt die Schweiz gegenüber dem Ausland an Boden. Die indexierte Preisentwicklung zeigt, dass Italien und Grossbritannien zwischen 2008 und 2020 höhere Preissteigerungen aufwiesen als die Schweiz.
Die zweite gute Nachricht ist das wachsende Angebot an Rabatten bei frühzeitiger Buchung. Dank Angeboten wie Sparbilletten lässt sich mittlerweile auch in der Schweiz mit geschickter Planung viel Geld sparen. In der zweiten Klasse können für eine Fahrt von der Stadt aufs Land bis zu 63 Prozent günstigere Tickets gefunden werden, wenn die Reise vier Tage vor Antritt gebucht wird. Dieses Sparpotenzial ist höher als in allen Ländern ausser Grossbritannien.
Weil zuletzt immer mehr solche Angebote lanciert wurden – etwa das «Ausflugs-Abo», ein GA für wahlweise 20 oder 30 Tage, könnte das ÖV-Fahren in der Schweiz künftig noch günstiger werden. Ein weiteres Beispiel sind die kürzlich lancierten Spar-Klassenwechsel, die günstiges Mitfahren in der 1. Klasse ermöglichen. Die Branche testet seit letztem Jahr ausserdem mehrere neue Angebote.
Homeoffice-GA ist beliebt
So können ausgewählte Nutzerinnen und Nutzer 3000 Franken nationales ÖV-Guthaben erwerben und zahlen dafür nur 2000 Franken. Im Tarifverbund Zug wird ein ähnliches Modell auf regionaler Ebene getestet. Die Tarifverbünde Passepartout und Ostwind testen zudem derzeit Sparbillette auf regionaler Ebene. Die Schnäppchenjagd im ÖV hat gerade erst begonnen.
In der Westschweiz probieren die Tarifverbünde Mobilis und Frimobil ein flexibles GA aus, das Kundinnen und Kunden an zwei oder drei Tagen pro Woche nutzen können, die sie frei wählen dürfen. Die ersten Ergebnisse sind laut Projektleiterin Sylvia Coutaz ermutigend. Es zeigte sich im bisherigen Test, dass damit vor allem auch Frauen angesprochen werden. Sie machen laut einer Befragung fast zwei Drittel der Kundinnen und Kunden aus. Das Pilotprojekt wird nun bis 11. Dezember verlängert und ab heute auch an den Schaltern verkauft. Es tut sich was an der Preisfront.