Kantonsschulen im Aargau zu links? FDP-Grossrat Adrian Schoop fordert Umfrage und Massnahmen für politische Neutralität der Lehrpersonen
Drei Badener Kantonsschüler haben eine Maturaarbeit verfasst, die Folgen haben könnte: Mick Biesuz, Jan Suter und Fabian Zehnder untersuchten die Frage, ob die Aargauer Mittelschulen politisch neutral sind. Und stellen in der Umfrage mit 530 Teilnehmenden fest, dass die Schülerinnen und Schüler die Aargauer Mittelschulen nicht als politisch neutral wahrnehmen.
Laut der Umfrage nimmt über ein Drittel der Schülerinnen und Schüler die Inhalte in den Fächern Geschichte, Deutsch, Englisch, Französisch oder Geografie als «eher links» geprägt wahr. «Eher rechts» geprägte Inhalte werden lediglich im Fach Wirtschaft und Recht vermittelt, finden die Schülerinnen und Schüler.
Alarmierend ist laut den Verfassern, dass einige Schülerinnen und Schüler angaben, ihre Meinung an der Mittelschule nicht frei äussern zu können. Vor allem politisch rechts eingestellte Schülerinnen und Schüler befürchten, Nachteile zu erleiden, wenn sie sich frei äussern. Die drei Verfasser führen dieses Gefühl darauf zurück, dass sich sowohl Lehrpersonen als auch die einzelnen Schulen nicht politisch neutral verhalten würden.
Jungfreisinnige Verfasser kritisierten Schule bereits früher
Alle drei Verfasser der Arbeit sind Mitglieder der Jungfreisinnigen, Biesuz ist Präsident der Jungfreisinnigen Baden. Die Jungpartei hat bereits früher die Kanti Baden wegen fehlender politischer Neutralität kritisiert, so beispielsweise aufgrund der Thematisierung des Frauenstreiks der Schule im Jahr 2019.
Biesuz: Umfrage ist nicht repräsentativ – Tendenzen sollen stimmen
Ähnliche Kritik äussern die drei Gymnasiasten auch in ihrer Maturaarbeit. Dass ihr eigener politischer Hintergrund die Resultate ihrer Erhebung verfälscht, bestreiten sie aber. «Wir interessieren uns natürlich aufgrund unseres Engagements für das Thema, auf die Resultate der Arbeit hatten unsere eigenen Einstellungen aber keinen Einfluss», sagt Mick Biesuz.
Angesprochen darauf, dass die Umfrage nicht repräsentativ ist, meint Mitverfasser Biesuz: «Wir verstehen diese Bedenken. Aufgrund der Klarheit der Resultate denken wir aber, dass die Tendenzen stimmen, die wir aufzeigen.» Biesuz fügt an, dass die Verfasser nicht fänden, dass lediglich aufgrund ihrer Arbeit politische Schritte eingeleitet werden sollten. Dazu seien weitere Untersuchungen nötig.
FDP-Grossrat Adrian Schoop verlangt repräsentative Studie
Schützenhilfe bekommen die drei Gymnasiasten nun von Grossrat Adrian Schoop (FDP). Dieser findet die Resultate der Arbeit «erschreckend» und «beängstigend», wie er in seinem Vorstoss schreibt. Schoop verlangt deshalb in seinem Postulat vom Regierungsrat eine repräsentative Umfrage unter den Schülerinnen und Schülern.
Schoop kritisiert, dass «gewisse Schulen eigenständig politische Aktivitäten unterstützen». Neben Aktionen zum Frauen- und Klimastreik meint er damit auch die Verwendung des Gendersterns. Der Grossrat sieht darin Anzeichen dafür, dass es an den Schulen ein «strukturelles Problem» gibt.
In seinem Postulat verlangt Schoop deshalb, dass der Regierungsrat eingreifen soll, falls sich bestätigt, dass «die politische Neutralität der Schulen systematisch verletzt wird». Auf bestimmte Massnahmen festlegen möchte sich der Grossrat aber noch nicht. «Die genauen Schritte müssten auf die Resultate der Studie abgestimmt werden», so Schoop.
Gabriela Suter (SP) und Ruth Müri (Grüne) sehen kein Problem
Anders als Adrian Schoop halten Nationalrätin Gabriela Suter (SP) und Grossrätin Ruth Müri (Grüne) vertiefte Abklärungen zur politischen Neutralität an Aargauer Schulen nicht für notwendig.
Ruth Müri, die im Badener Stadtrat das Schulressort innehat und in der Bildungskommission des Grossen Rats sitzt, findet, dass die Thematisierung von aktuellen politischen Themen wie Frauenstreik oder Klimawandel zum Auftrag der Schule gehört. Das sieht auch Gabriela Suter so: «Problematisch wird die Thematisierung von politischen Inhalten erst, wenn dies mit einer klaren Schlagseite geschieht und die Lehrperson für eine bestimmte politische Auffassung wirbt.» Das sei an den Aargauer Schulen ihres Wissens aber nicht der Fall, so Suter.
Die Nationalrätin und ehemalige Kantilehrerin fügt an, dass sich Schülerinnen und Schüler oft für den politischen Standpunkt ihrer Lehrpersonen interessierten. Ein Austausch solle deshalb möglich sein. «Es gilt, die Schülerinnen und Schüler zu befähigen, eigenständig zu denken und differenziert zu argumentieren. Lehrpersonen sollen dabei Haltung zeigen dürfen, müssen diese aber klar deklarieren», sagt die Nationalrätin und Präsidentin der SP Aargau.
Baur (Mitte): Appell an die Eigenverantwortung
Grossrat Jürg Baur (Mitte), Schulleiter und Mitglied der Bildungskommission des Grossen Rats, sieht ebenfalls keinen Handlungsbedarf. Angesprochen auf die Äusserungen einzelner Schüler, welche das Gefühl haben, ihre Meinung nicht frei äussern zu können, meint Baur: «In so einem Fall erwarte ich Eigenverantwortung. Vor allem Kantischüler sollten in der Lage sein, bei Problemen aufgrund der politischen Neutralität das Gespräch mit Lehrpersonen oder Schulleitung zu suchen.»