Trychler können nicht auf dem Bundesplatz demonstrieren – dafür ziehen sie durch Aarau und stören Fahnenübergabe mit Gallati
«Könnte es ironischer sein?», fragt ein Soldat seinen Kollegen, als die Freiheitstrychler ihre Glocken ertönen lassen. Die Demonstranten störten die Fahnenübergabe des Spitalbataillons 66, das unter anderem im Kanton Aargau die Spitäler und Impfzentren unterstützte. Die Fahnenrückgabe stellt jeweils das Ende eines WK dar.
Die Demonstranten kamen aus Bern nach Aarau. Am Nachmittag hatte die Berner Polizei den Bundesplatz für den Verkehr gesperrt. Zudem stellte sie mehrere Kastenwagen quer, etwa beim Käfigturm vor dem Bärenplatz oder eingangs Schauplatzgasse. Grund war eine angekündigte Auto- und Lastwagendemo von massnahmenkritischen Kreisen.
Die Idee zur Form des Protests dürfte aus Kanada stammen. In der Hauptstadt Ottawa kommt es seit einer Woche zu Demonstrationen, der Bürgermeister hatte am Sonntag deshalb den Notstand ausgerufen.
Auf Twitter wies ein User darauf hin, dass sich die Trychler von Bern nach Aarau bewegten. Um 19 Uhr trafen sie dort ein und zogen in die Nähe der Fahnenübergabe, zu der auch Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati erschienen war.
Trychler übertönten Rede des Militärkommandanten
Etwa in 200 Meter Entfernung hielt der Demonstrationszug, und die Trychler zwangen mit ihrem Lärm Daniel Keller, der als Kommandant über die Territorialregion 2 zu den Soldatinnen und Soldaten sprach, seine Rede zu unterbrechen. Die Kantonspolizei war vor Ort, griff aber nicht ein, sondern wartete ab, bis die zwei- bis dreihundert Demonstranten nach etwa fünf Minuten weiter zogen.
Wie die Kantonspolizei Aargau später gegenüber ArgoviaToday sagte, habe es bei der Kundgebung keine Ausschreitungen gegeben. Zudem sei die Demonstration bewilligt. Gesundheitsdirektor Gallati liess sich nicht aus der Ruhe bringen und sagte:
«Ich habe das Militärspiel, das die Nationalhymne zum Besten gab, wesentlich mehr genossen als den skurrilen politischen Alpaufzug.»
Er bedankte sich bei den Soldatinnen und Soldaten, die einen grossen Einsatz zu Gunsten der Gesundheit der Bevölkerung geleistet hätten. «In früheren Zeiten war es so, dass man bei grösseren Militäreinsätzen negative Presse befürchten musste. Über ihren Einsatz wurde durchwegs positiv berichtet», hielt Gallati fest.
Und auch der Kommandant des Spitalbataillons 66, Emerson Ramoni, war vollauf zufrieden mit dem Einsatz: «Die Rückmeldungen aus den Impfzentren und Spitälern waren voller Lob. Sie haben zu 100 Prozent erfüllt.» Die Pflege sei eine ehrenvolle Tätigkeit, für die jede und jeder einmal im Leben dankbar sein werde, so Ramoni.
Impfnachfrage im Aargau sinkt markant
Mit dem Ende des Einsatzes der Armee nehmen auch Impfungen weiter rapide ab. Im Kanton Aargau wurden in der vergangenen Woche noch gerade 9472 Impfdosen verabreicht. Davon war ein Grossteil Booster-Impfungen (gut 7000 Dosen), auf Zweitimpfungen entfielen rund 2000 Dosen, und nur noch 360 Dosen wurden für Erstimpfungen verwendet. Insgesamt ist das noch gut die Hälfte der Vorwoche (knapp 17’500 Dosen).
Momentan sind noch rund 24’000 Impfdosen an Lager. «Der Kanton Aargau bestellt beim Bund jeweils nur so viel Impfstoff, wie voraussichtlich benötigt wird. Damit wird der Aufbau grosser Lagerbestände und auch die Entsorgung von Impfstoff verhindert», erklärt Michel Hassler, Leiter Kommunikation beim Gesundheitsdepartement, dazu auf Anfrage.
R-Wert fällt unter 1: Zahl der Infektionen geht zurück
Der Kanton Aargau meldete am Montag 5701 bestätigte Neuinfektionen seit Freitag. Der Sieben-Tages-Schnitt der Neuinfektionen liegt bei 2250. Beide Kennzahlen haben im Vergleich zur Vorwoche abgenommen. Am vergangenen Montag hatte der Aargau 6633 Neuinfektionen und einen Sieben-Tages-Schnitt von 2532 verzeichnet. Letzterer hat somit um rund 11 Prozent abgenommen.
Zudem ist die Reproduktionszahl im Aargau unter den Wert von 1 gerutscht. Die Zahl gibt an, wie viele Menschen eine infizierte Person im Durchschnitt ansteckt. Der aktuellste R-Wert datiert vom 24. Januar und betrug laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) 0,97. Demnach steckten 100 Infizierte 97 weitere Personen an. Das bedeutet, dass die Zahl der Infektionen sinkt. Letztmals lag der R-Wert Mitte Dezember unter 1.