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Rückgang, Stagnation oder gar Zunahme? Neue Zahlen zum Tabakkonsum bei Minderjährigen wecken Zweifel

Für die Gegner der Initiative für ein Tabakwerbeverbot ist klar: Immer weniger Jugendliche greifen zur Zigarette, weshalb ein radikales Werbeverbot übertrieben wäre. Doch Zahlen aus dem Kanton Aargau deuten darauf hin, dass der Tabakkonsum bei Minderjährigen höher liegen könnte, als bisher angenommen.

Es ist einer der Streitpunkte, die im Abstimmungskampf zur Initiative für ein Tabakwerbeverbot immer wieder auftauchen: Ein wie grosses Problem ist der Tabakkonsum unter Minderjährigen in der Schweiz überhaupt? Auch die Gegner der Initiative betonen, dass Jugendliche nicht rauchen sollten. Gleichzeitig ist für sie aber auch klar, dass die Tendenz in die richtige Richtung zeigt.

Die Anzahl der 15-Jährigen, die regelmässig rauchten, sei hierzulande in den letzten acht Jahren um 49,7 Prozent gesunken, heisst es im Argumentarium der Nein-Kampagne. Der indirekte Gegenvorschlag zur Initiative, das vom Parlament verabschiedete revidierte Tabakproduktegesetz, nehme den Jugendschutz sehr ernst. Die Initiative mit ihrem quasi kompletten Tabakwerbeverbot hingegen schiesse angesichts der positiven Tendenz völlig über das Ziel hinaus, so die Gegner.

Sie stützen sich bei diesem Argument auf Zahlen aus einer Studie der Organisation Sucht Schweiz, die hinter der Initiative steht. Und tatsächlich ist gemäss der 2018 erschienenen Studie «Health Behaviour in School-aged Children» der Anteil regelmässiger Tabakkonsumierender bei den 15-Jährigen von 17,3 (2010) auf 8,6 (2018) gesunken. Allerdings fand der massgebliche Rückgang bis 2014 statt. Seither stagniert der regelmässige Tabakkonsum beziehungsweise ist nur noch im statistischen Unschärfebereich gesunken.

Beliebte Alternativprodukte

Jetzt zeigen neue Zahlen der Lungenliga Aargau aus dem Jahr 2021, dass der Tabakkonsum unter Minderjährigen höher ausfallen könnte. Gemäss einer bisher unveröffentlichten Befragung von 15 bis 18-jährigen Berufs- und Mittelschülerinnen und Mittelschülern gaben 32,1 der Teilnehmenden an, mindestens einmal pro Woche Tabak- oder Nikotinprodukte zu konsumieren. Dieser Wert liegt deutlich über den 15,4 Prozent der 15- bis 17-Jährigen, die bei der schweizweit durchgeführten Suchtmonitoring-Befragung 2016 angaben, regelmässig zu rauchen.


Die neuen Zahlen liessen sich zwar nicht direkt mit landesweiten Erhebungen vergleichen, seien aber dennoch aussagekräftig, sagt Carmen Rusch von der Lungenliga Aargau: «Sie zeigen, dass viel zu viele Minderjährige regelmässig Tabak oder Nikotin konsumieren.» Auch wenn herkömmliche Zigaretten weiterhin am häufigsten konsumiert würden, seien bei den Befragten neuere Alternativprodukte wie E-Zigaretten, Tabakerhitzer oder Snus sehr beliebt ‒ die von der Werbung stark promotet würden.

Seit acht Jahren keine neuen Massnahmen

Für Markus Meury von Sucht Schweiz zeigen die Aargauer Zahlen, dass das Narrativ der Gegner von einem stetigen Rückgang falsch ist. Vor 2014 sei weltweit in Studien ein Rückgang im Tabakkonsum von Jugendlichen festgestellt worden, so auch in der Schweiz: «Seither müssen wir hierzulande von einer Stagnation oder gar einer erneuten Zunahme ausgehen.» Seit 2014 sind laut Meury in den Kantonen kaum mehr neue Massnahmen eingeführt und die Tabaksteuer nicht mehr erhöht worden.

Die Aargauer Zahlen weisen für ihn auch darauf hin, dass stark beworbene Alternativprodukte wie E-Zigaretten den Konsum herkömmlicher Zigaretten nicht ersetzen, sondern eher ergänzen. Studien belegten, dass Jugendliche, die der Werbung für E-Zigaretten ausgesetzt sind, auch mit höherer Wahrscheinlichkeit anfangen, herkömmliche Zigaretten zu rauchen: «Das zeigt die Notwendigkeit eines wirksamen Werbeverbots.»