«Fleischkonsum muss sinken»: Tierschutz will den Fleischtigern Beine machen
Vorbei die Zeiten, als zu jedem Essen ein gutes Stück Fleisch einfach dazu gehörte. In den Läden wächst das Angebot an vegetarischen Plätzchen und veganen Würstchen stetig. Dennoch ist der Fleischkonsum pro Kopf in den letzten Jahren nicht gesunken, sondern ziemlich stabil geblieben, wie die Statistik des Branchenverbands Proviande zeigt: Rund 50 Kilogramm Fleisch verzehren wir pro Kopf im Jahr.
Das soll sich ändern. Der Schweizer Tierschutz (STS) lanciert zusammen mit weiteren Organisationen heute Dienstag eine Kampagne, wie STS-Agrarexperte Stefan Flückiger bestätigt. Der Slogan: «Weniger Fleisch – dafür aus tiergerechter Haltung». Das sei besser «für Mensch, Tier und Umwelt», sagt die Allianz. Mit an Bord sind die Stiftung für Konsumentenschutz, die Kleinbauernvereinigung sowie die Biolabel KAGfreiland und Demeter.
Mit Plakaten und auf Social Media wollen sie die Schweizerinnen und Schweizer dazu bewegen, weniger Fleisch zu essen – dafür solches aus tiergerechter Haltung. Die Initiative für die Kampagne kam vom Schweizer Tierschutz STS. Das Budget: im sechsstelligen Bereich.
Dass zu viel Fleisch auf die Teller kommt, sagt auch der Bund. Er hat konkrete Ziele zur Reduktion gesetzt. «Der Bund macht jedoch zu wenig, um diese zu erreichen», sagt Flückiger. «Wir wollen nun Druck aufsetzen.» Kurzfristig müsse der Absatz an Fleisch, das unter einem Tierwohl-Label verkauft wird, endlich wieder ansteigen. «Langfristig ist unsere Vision, dass alle Nutztiere in einem tierfreundlichen System gehalten würden», sagt er. Das sei aber nur möglich, wenn weniger Fleisch konsumiert werde.
«Hilfestellung» für Konsumenten
Hinter der Kampagne steht auch der Konsumentenschutz. Das erstaunt auf den ersten Blick: Weshalb engagiert sich eine Organisation, welche die Interessen der Konsumenten vertritt, für eine Kampagne zur Reduktion des Fleischkonsums?
Teil der Kampagne ist indes auch eine Website mit Informationen zum Thema. «Wir wollen damit eine Hilfestellung bieten», sagt Josianne Walpen vom Konsumentenschutz. «Vielen Konsumentinnen und Konsumenten ist es nicht gleichgültig, wie die Nutztiere lebten. Dazu erhält man aber kaum Informationen, und auch bei den Labels ist es schwierig, den Überblick zu haben.»
Auch das Bewusstsein, dass die Produktion von Nahrungsmitteln und insbesondere von Fleisch schädliche Auswirkungen auf die Umwelt hat, sei gestiegen. Als einzelner Konsument fühle man sich da oft machtlos. «Jede und jeder Einzelne hat aber einen gewissen Spielraum», sagt Walpen:
«Wir wollen aufzeigen, was man selber machen kann, wenn man will.»
Das Thema ist heikel. Rasch ist der Vorwurf zur Hand, man wolle die Konsumenten bevormunden. Das weisen STS und der Konsumentenschutz aber zurück. «Es ist nicht unsere Absicht, den Leuten vorzuschreiben, wie sie sich ernähren sollen», sagt Walpen. «Wir wollen den Konsumentinnen und Konsumenten lediglich aufzeigen, dass es Alternativen gibt.»
Warum nicht gleich vegan?
Auch für den Tierschutz ist das Thema nicht ganz einfach. Mit der Kampagne wirbt der STS für eine Reduktion des Fleischkonsums, nicht aber für eine vegetarische oder vegane Ernährung. Wäre nicht das konsequent – zum Wohl der Tiere? Dass sich alle vegan oder vegetarisch ernährten, sei unrealistisch, sagt Flückiger. Der STS sieht durchaus Vorteile in der Nutztierhaltung, solange diese artgerecht ist und die Fütterung auf Raufutter wie Gras und Heu basiert. Wenn Kühe auf den Weiden Gras fressen, werden diese Flächen genutzt und verganden nicht. «Zudem sind Mist und Gülle ein wichtiger Bestandteil der Ackerfruchtfolgen», sagt Flückiger. Und das Weiden sei auch positiv für die CO2-Einlagerung in die Böden.
Der STS wirbt dafür, möglichst Fleisch mit Tierwohl-Label zu kaufen. Nur: Diese sind oft deutlich teurer – was die Nachfrage hemmt. «Hier versagen Politik und Markt», sagt Flückiger. Nachhaltig und tiergerecht produzierte Produkte müssten aus seiner Sicht gefördert werden, die «künstlich hohen Preisdifferenzen» zu den Standardprodukten müssten sinken. Die Organisationen wollen deshalb im Rahmen der Kampagne auch Landwirtschaftsverbände, Detailhändler, Gastronomie und andere Marktakteure anschreiben und die Zusammenarbeit suchen.