Kinder als Armutsrisiko für Frauen und fünf weitere Erkenntnisse zu Einkommen, Vermögen und fleissigen Rentnern
Sie leben zu zweit in einem Haushalt und verdienen gemeinsam rund 95’000 Franken? Oder sie leben alleine und erhalten einen Jahreslohn von etwas mehr als 63’000 Franken? Dann sind Sie so ziemlich Schweizer Durchschnitt, wie eine neue Studie im Auftrag des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) zeigt.
Für die Analyse der wirtschaftlichen Situation der Schweizer Bevölkerung haben zwei Forschende der Universität Genf Steuerdaten, Sozialtransfers und Haushaltsstatistiken von mehr als 4,5 Millionen Personen aus der Schweiz untersucht. Die Daten stammen aus den Jahren 2012 bis 2015. Die wichtigsten Erkenntnisse der Studie im Überblick:
Die Hälfte der Haushalte verdient mehr als 63’470 Franken
Das sogenannte Medianäquivalenzeinkommen lag in der Schweiz 2015 bei 63’470 Franken. Hinter dem komplizierten Begriff steckt folgende Definition: Sämtliche Einkommen aus einem Haushalt werden zusammengerechnet und anhand der im Haushalt lebenden Personen gewichtet: die älteste Person mit 1, alle anderen Personen über 14 Jahren mit 0,5 und jedes Kind unter 14 Jahren mit 0,3. Grundlage für das Einkommen bilden sämtliche Einkünfte aus Erwerbstätigkeit, Rente, Sozialzulagen sowie 5 Prozent des Vermögens.
Ein Beispiel: Ein Paar lebt gemeinsam mit seinen beiden Kindern im Alter von 6 und 8 Jahren in einem Haushalt. Gemeinsam verdienen sie 90’000 Franken jährlich, ihr Vermögen liegt bei 180’000 Franken. Das Äquivalenzeinkommen liegt demnach bei etwas mehr als 47’000 Franken und damit deutlich unter dem Median. Dieser liegt – wie eingangs erwähnt in der Schweiz – bei etwas mehr als 63’000 Franken. Das bedeutet: Die eine Hälfte der Schweizer Haushalte verdient mehr, die andere Hälfte weniger als diesen Betrag.
Fast jede fünfte Person muss sich wegen des Geldes Sorgen machen
17 Prozent der Haushalte in der Schweiz mussten im Jahr 2015 mit geringen oder gar sehr geringen finanziellen Mitteln auskommen. Bei Personen im Erwerbsalter waren es 15 Prozent, bei jenen im Rentenalter 22 Prozent. Für diese Berechnung wird ebenfalls der Medianäquivalenzwert herangezogen.
Die Studie zeigt: Bei knapp 17 Prozent aller Haushalte lag das Einkommen unter 38’000 Franken pro Jahr, also unter 60 Prozent des Medianäquivalenzeinkommens von 63’470 Franken. Ab dieser Schwelle gilt das Einkommen als gering, ab unter 50 Prozent als sehr gering.
Risikofaktoren: Bildung, Herkunft, Alleinerziehung, Erwerbsunterbruch
Am stärksten betroffen von Armut sind in der Schweiz alleinerziehende Personen, in erster Linie Frauen mit kleinen Kindern. Gemessen am Medianeinkommen hat jeder dritte Einelternhaushalt zu wenig Geld. Deutlich weniger Sorgen müssen sich all jene machen, die keine Kinder haben oder bei denen sie schon ausgezogen sind: Von den Haushalten ohne Kinder befinden sich lediglich 7 Prozent unter der 60-Prozent-Schwelle. Zum Vergleich: Jeder vierte Haushalt mit drei und mehr Kindern muss mit geringen oder gar sehr geringen finanziellen Mitteln auskommen.
Auch wer länger nicht arbeitet, ist eher gefährdet, in eine finanziell schwierige Situation zu geraten. Ausgenommen von dieser Erkenntnis sind allerdings Frauen in Paarhaushalten: Bei ihnen hat eine Reduktion der Erwerbstätigkeit keinen signifikanten Einfluss auf die finanzielle Situation.
Viel Einfluss haben auch Bildung und Herkunft: je höher die Bildung, desto geringer das Risiko von finanziellen Schwierigkeiten. Und beinahe jede zweite Person, die aus einem nicht europäischen Land stammt, verfügt nur über geringe bis sehr geringe finanzielle Mittel.
Je älter der Haushalt, desto höher das Vermögen
Ein grosser Teil des Vermögens in der Schweiz befindet sich im Besitz von pensionierten Haushalten. Grundsätzlich gilt bis zum Alter von 70 Jahren der Grundsatz: Je älter der Haushalt, desto höher das Vermögen.
Mehr Rentnerinnen und Rentner arbeiten nach der Pension weiter
Immer mehr Personen gehen auch nach der Pensionierung einer Erwerbstätigkeit nach: Von den unverheirateten Männern im Alter von 66 Jahren arbeiteten 2015 noch 35 Prozent weiter, bei den verheirateten waren es gar 45 Prozent. Die längere, freiwillige Erwerbstätigkeit zeigt sich auch bei den Frauen: Während 2003 gerade mal 16 Prozent der verheirateten Frauen nach der Pension weiter arbeiteten, waren es 2015 bereits 27 Prozent. Bei den unverheirateten Frauen stieg der Anteil von 23 auf 30 Prozent.
Mehr Frauen gehen einer Erwerbsarbeit nach
Im Vergleich zu 2003 arbeiteten 2015 deutlich mehr Frauen im Erwerbsalter. Insbesondere in Paarhaushalten tragen sie zudem auch stärker zum Einkommen bei, als noch vor zwanzig Jahren. Laut der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung ist der Beschäftigungsgrad von Frauen mit mindestens einem Kind zwischen 2010 und 2019 von 76,6 auf 82,8 Prozent gestiegen.