In einer Sonderausstellung widmet sich das Rothrister Heimatmuseum der Bibel
Mit bis zu drei Milliarden Exemplaren ist die Bibel das mit Abstand meistverkaufte Buch. So ist es nicht weiter erstaunlich, dass sich im Fundus des Heimatmuseums Rothrist zahlreiche Bibeln befinden, die dem Museum vermacht worden waren. «Die grosse Zahl hat auch mich überrascht», sagt Erich Christen, Mitglied im Kernteam des Heimatmuseums. Christen hat sich vor längerer Zeit daran gemacht, alle Bibeln im Lager des Heimatmuseums zusammenzutragen und ein erstes Mal zu sichten. «Ich fand es schade, dass die Bibeln noch nie gezeigt wurden, und hätte diese gerne in einer Ausstellung gezeigt», sagt er.
Schon bald reifte bei ihm die Einsicht, dass er mit der Einordnung der einzelnen Werke überfordert war, weil ihm das notwendige Hintergrundwissen fehlte. «In dieser Situation habe ich mich an Bernhard Spörri gewandt, dessen Bibelausstellung ich 2019 in Gränichen besucht habe», sagt Christen. Über längere Zeit haben sich nun Spörri und Christen des Bibelbestands im Museum angenommen und diesen gesichtet und geordnet. Aus dieser Arbeit ist schliesslich eine Auswahl an Werken bestimmt worden, die ab Sonntag in einer Sonderausstellung erstmals gezeigt wird.
Einen wesentlichen Teil in der Sonderausstellung nehmen ausgewählte Bibeln aus der Sammlung des ehemaligen Gränicher Bezirkslehrers Bernhard Spörri ein. Besucherinnen und Besucher können sich nun im Miescherheimet auf einen repräsentativen Rundgang durch die Entstehungs- und Publikationsgeschichte des Buchs aller Bücher begeben.
Streifzug durch 2500 Jahre Geschichte
Dieser Streifzug beginnt im jüdisch-arabischen Bereich in der Zeit um 500 v. Chr., führt nach einem Exkurs über die aramäische Sprache weiter zu den ersten griechischen Übersetzungen der hebräischen Bibel in der Zeit um 250 v. Chr. und schliesslich zu den Übersetzungen in die lateinische Sprache, deren bekannteste – die Vulgata – der Papst zwischen 383 und 405 n. Chr. in Auftrag gab. Die Vulgata erlebte Mitte des 15. Jahrhunderts durch die Erfindung des Buchdrucks eine starke Verbreitung, die mit der Gutenberg-Bibel einsetzte.
Diese in einer Auflage von 180 Exemplaren hergestellte, lateinische Bibel ist das erste mit beweglichen Lettern gedruckte Buch der westlichen Welt. Es entstand zwischen 1452 und 1454 in der Druckerwerkstatt von Johannes Gutenberg in Mainz. Aufgrund ihrer historischen Bedeutung und ästhetischen Qualität gilt die 42-zeilige Gutenberg-Bibel als das wichtigste und wertvollste Buch der Druckgeschichte.
Weiter führt der Streifzug durch die verschiedenen Herausgaben und Drucke der Reformationszeit bis in die Neuzeit mit den ersten Ökumenebibeln. Ergänzt wird die Darstellung der Bibeleditionen mit zahlreichen weiteren Exkursen zu Familienbibeln, Bilderbibeln, Jugendbibeln sowie Andachts- und Gebetbüchern. Eine weitere Vitrine versammelt viele Taufandenken aus dem Bestand des Heimatmuseums. Eine alte Druckpresse, die dem Heimatmuseum für die Dauer der Ausstellung vom Reitnauer Bruno Altherr zur Verfügung gestellt wurde, zeigt, wie zu Gutenbergs Zeiten gedruckt wurde.
Zu sehen sind in der reichhaltigen Ausstellung auch einige kuriose Besonderheiten. So etwa die kleinste gedruckte Bibel der Welt, die Liliput-Bibel von 1970. Um in ihr lesen zu können, braucht es sehr gute Augen, hat doch der Buchblock ein Format von gerade einmal 2,5 × 3,5 Zentimetern.
Ein spezielles Augenmerk dürfen Besucherinnen und Besucher auch auf besondere Bibelausgaben legen. Wieso die 1691 in Bern gedruckte Luther-Bibel auch Trotz-Bibel genannt wird, erfährt man in der Ausstellung. Ebenso erfährt man dort, wieso die deutsche Calvin-Bibel auch als «Straf-mich-Gott-Bibel» bezeichnet wird.
In vielen Bibeln sind Spuren ihrer Besitzer zu finden
«Spannend finde ich, dass man in einer Familienbibel nicht nur das Wort Gottes, sondern auch zahlreiche Spuren ihrer Besitzer finden kann», sagt Gabriela Rüegger, die neue Leiterin des Rothrister Heimatmuseums. Das seien vielfach getrocknetes Edelweiss – die Blume der Ewigkeit – oder Widmungen und Familienchroniken. Eine dieser Bibeln hat auch das Interesse von Erich Christen geweckt. «Diese Bibel ist ein Geschenk des Pfarrer Grob in Rothrist zur Erinnerung an den Hochzeitstag den 24. August 1891 von Heinrich Haller, von Reinach, geboren den 2. Juli 1864, gestorben durch Unglücksfall im Elektrizitätswerk Ruppoldingen den 4. September 1900 und Rosalie Clara Mathilde Stamm, von Rothrist, geboren den 28. Dezember 1865, konfirmiert zu Ostern 1882 und gestorben den 1. Dezember 1931», lässt sich den ersten Seiten entnehmen.
Christen hat die Familiengeschichte der Familie Haller weiterverfolgt und unter anderem herausgefunden, dass deren Enkelin Ines Haller (geb. 1923) Modistin im Dorf war. Im Stammbaum der Stamm ist er auf die Schwester von Rosalie Stamm gestossen, Frida Stamm (geb. 1869), die ehemalige Posthalterin des Postamts Rothrist-Dorf, die sich im Elternhaus befand. Das beim Zehntenhaus gelegene ehemalige Postamt – auch als Dr.-Stamm-Haus, später Flückiger-Haus bekannt – wurde bei der Begradigung des Rössliwegs abgebrochen.
Sammlung mit Zufallsfund gestartet
Doch zurück zur Bibelsammlung von Bernhard Spörri. Er wisse noch genau, wie er auf die ersten Exemplare seiner Sammlung gestossen sei. «Bei einem Gelegenheitsjob zur Finanzierung meines Heilpädagogik-Studiums bin ich bei einem Hausabbruch auf drei alte Bücher gestossen», erinnert er sich. Ein Gesangsbuch, eine Bibel und ein Andachtsbuch aus dem 18. Jahrhundert. «Ich habe dann gefragt, ob ich diese behalten darf», führt Spörri weiter aus. Erst viele Jahre später, nachdem er noch ein Geschichtsstudium absolviert habe, sei es mit dem Sammeln richtig losgegangen: Münzen, Liederbücher, Andachtsbücher, Volkslieder, Kirchengesangsbücher und Bibeln. Eine Leidenschaft, die nicht allzu viele Menschen mit ihm teilen. «Ja», sagt Spörri, «die meisten Bibeln werden mir zugetragen.» Nur wenige Exemplare kaufe er zu – und wenn, dann gibt es ein striktes Preislimit. 200 bis 300 Franken, maximal aber 500 Franken würde er für eine alte Bibel ausgeben, betont er, aber dann müsste die Bibel schon einen gewissen Seltenheitswert haben.
Apropos Wert: Eine Bibel habe für ihn keinen kommerziellen Wert, betont Spörri, obwohl er seine Exponate bei der letzten Ausstellung für eine fünfstellige Summe versichern musste. «Eine Bibel hat einen ausschliesslich emotionalen Wert», ist sich der 81-jährige Gränicher, der die handliche Senfkorn-Bibel als seine Lieblingsbibel bezeichnet, sicher. Trotzdem ist er aber in der Lage, den Wert einer Bibel zu bestimmen. So können Besucherinnen und Besucher denn auch eigene Bibeln zur Begutachtung in die Ausstellung mitbringen. Auch sehr gebrauchte Exemplare. «Ich begutachte die Bibeln nach dem Motto ‹Je wüster, desto wertvoller›», sagt er und lacht.