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Neutralität darf kein blosses Schlagwort sein – ein Sitz im UNO-Sicherheitsrat ist eine Chance für die Schweiz

Die internationale Lage ist äusserst angespannt. Das birgt Risiken für ein neutrales Land wie die Schweiz. Der Angriff der SVP auf die Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat in letzter Minute ist dennoch falsch. Die Schweiz muss auch dort Verantwortung übernehmen – gerade in Krisenzeiten.

In Europa herrscht Krieg. Die russische Invasion in der Ukraine stellt viele vermeintlich unverrückbare Gewissheiten in Frage. Sie wirft auch in der Schweiz Fragen auf, vor deren Beantwortung wir uns zu lange ­gedrückt haben.

Eine dieser Fragen ist: Was bedeutet eigentlich Neutralität? Keine 1.-August-Rede kommt ohne dieses grosse Wort aus. Das Problem ist bloss: Was wir darunter verstehen, ist oft völlig unklar. Häufig verkommt die Neutra­lität zur leeren Worthülse. Das ist bequem: Neutralität klingt gut, tut zunächst niemandem weh.

Doch Aussenpolitik braucht ein stabileres Fundament als inhaltsleere Floskeln. Sonst droht sie auf einen opportunistischen Schlingerkurs zu geraten. Auch die neutrale Schweiz kann bei Völkerrechtsverletzungen und kriegerischen Angriffen auf souveräne, friedliche Staaten nicht schweigen. Auch sie trägt Verantwortung, sich für eine auf Frieden und Recht basierende internationale Ordnung einzusetzen.

Das soll sie, trotz aller berechtigten Kritik an diesem Gremium, auch im UNO-­Sicherheitsrat tun, wie es andere neutrale Staaten wie Österreich, Irland oder Schweden auch schon getan haben. Für die Schweiz böte diese Mitgliedschaft die Chance zu beweisen, dass ihre Neutralität mehr ist als eine leere Worthülse. Nämlich der Leitfaden für ein seit vielen Jahrzehnten vom Schlimmsten verschont gebliebenes Land, das Mitverantwortung für den Rest der Welt übernimmt.