Es gibt kein Recht auf billiges Benzin, denn: Egal, woher wir das Öl beziehen, meist klebt daran das Blut mächtiger Männer
Die Energiepreise steigen. Benzin, Gas, Heizöl, alles ist teurer geworden. Ein Ärgernis, gewiss. Wer zahlt schon gerne mehr an der Zapfsäule?
Heikel ist die Entwicklung für jene gesellschaftlichen Schichten, die über wenig Geld verfügen, beruflich aber auf ein Auto angewiesen sind. Diese Leute gibt es, auch in der Schweiz, gerade auf dem Land. Doch die grosse Masse kann sich, bei allem Verdruss, die höheren Preise leisten.
Es ist politisch deshalb nicht angebracht, nach dem Giesskannenprinzip die Treibstoffsteuern zu senken.
Derlei Rufe sind primär dem Opportunismus populistischer Politiker geschuldet, die sich bei Teilen der Bevölkerung beliebt machen wollen.
Schädlich fürs Klima, die Freiheit und die Demokratie
Bleiben wir zunächst beim grossen Bild. Die steigenden Preise sind stark Putins Krieg gegen die Ukraine geschuldet. Sie zeigen, wie fundamental wir vom Öl der Schurken abhängig sind. Um Importe aus Russland zu reduzieren, pilgern westliche Politiker deshalb derzeit nach Saudi-Arabien oder Venezuela, um die dortigen Schlächter höflich zu bitten, ein bisschen mehr Öl zu fördern. Zur Erinnerung: Das saudische Königshaus hat diese Woche 81 Häftlinge köpfen lassen – ein neuer Rekord.
Mit anderen Worten: Wir geraten bei diesen Substitutionsübungen vom Regen in die Traufe.
Egal, woher wir das Öl beziehen, meist klebt daran das Blut mächtiger Männer, die mit Angst und Schrecken regieren.
Die Preissteigerungen fossiler Energien rufen uns also bloss in Erinnerung, wie schädlich dieses Geschäft nicht nur fürs Klima, sondern auch für unsere Freiheit und Demokratie ist.
Abhängigkeit von Öl und Gas reduzieren
Statt dass wir unser Geld im Inland oder in Europa für erneuerbare Energien wie Wind, Wasser oder Sonne ausgeben, fliesst es in die Taschen von Schurken, Kriegsverbrechern und Despoten. Politisches Ziel kann es daher nur sein, die Abhängigkeit von Öl und Gas möglichst rasch auf ein Minimum zu reduzieren. Darauf sollten wir unser Engagement konzentrieren. Und nicht auf die Nebenfrage, wie wir die Benzinpreise kurzfristig etwas drücken könnten.
Dafür gibt es aussichtsreichere Strategien, denn der Benzinpreis kann via Steuern ohnehin nur in beschränktem Ausmass beeinflusst werden.
Beginnen wir beim Kaufverhalten. Die verbreitete Wehklage kaschiert, dass wir gerade in der Schweiz im Durchschnitt zu grosse und zu schwere Autos fahren, die zu viel Benzin verbrauchen. Wer sparen will, kann hier ansetzen. Es muss nicht unbedingt ein SUV sein, um elegant vorwärts zu kommen. Kleinere, sparsamere Modelle tun es auch. Und es darf je länger, desto mehr auch ein Elektroauto sein, dessen Komfort und Qualität laufend zu- und die Preise abnehmen.
Kurze Strecken zu Fuss oder mit dem Velo
Natürlich gibt es Menschen, die aufs Auto angewiesen sind und kaum Fahrten reduzieren können. Aber seien wir ehrlich: Die meisten von uns steigen auch dann ins Auto, wenn es nicht zwingend nötig ist. Die kurze Fahrt in die Migros oder zum Coiffeur – das ginge auch zu Fuss oder mit dem Velo. Der Familienausflug an den See – das Postauto fährt auch dort hin.
Viele sind zu wenig bereit, auf die Annehmlichkeiten zu verzichten, die mit dem ständigen Rückgriff aufs eigene Auto verbunden sind.
So weit, so gut. Nur sollte man dann nicht über die hohen Benzinpreise jammern. Wir leben im Land mit dem wohl besten öffentlichen Verkehrsnetz der Welt. Viele Züge und Busse, gerade auch auf dem Land, fahren halb leer in der Gegend herum. Das müsste nicht sein, wenn mehr Leute umsteigen täten.
Es gibt kein Recht auf billiges Benzin und Heizöl
Ja, die Preise sind hoch. Das sind sie aber auch bei den Mieten. Zieht aufs Land, rufen Landbewohner gerne den Städtern zu, die sich beklagen. Genauso gut könnte es jetzt umgekehrt tönen: Keiner muss auf dem Land wohnen, wo der Bus nur jede Stunde fährt.
Gewiss, das sind unfruchtbare Debatten. Fakt ist aber: Es gibt kein Recht auf billiges Benzin und Heizöl. Gerade die Treibstoffpreise sind im langjährigen Vergleich kaum angestiegen, was Umwelt und Klima, Freiheit und Demokratie nicht genützt hat. Nutzen wir die Preishausse zum forcierten Ausstieg. Und denken dabei auch ein wenig übers eigene Verhalten nach.