«Die Wohnung ist noch nicht fertig ausgestattet, wir sind aber parat»: So setzen sich Aargauer Politiker für die Menschen aus der Ukraine ein
Genauso wie die Bevölkerung wollen auch Politikerinnen und Politiker aus allen Parteien den aus der Ukraine geflüchteten Menschen helfen. Wir haben bei jeder aus dem Aargau im Nationalrat vertretenen Partei ein Mitglied dazu befragt, wie es sich privat für die Ukraine engagiert.
Yvonne Feri: «Wie ich mich weiter engagieren kann, wird sich zeigen»
SP-Nationalrätin Yvonne Feri hat ein freies Zimmer bei ihr zu Hause angemeldet. Weiter hat Feri, über eine ihr bekannte Person, Kleiderspenden getätigt.
Auch sei sie dabei abzuklären, «wie man weitere Sachspenden für die hier in der Schweiz angekommenen Geflüchteten tätigen kann», so Feri. «Wie ich mich weiter engagieren werde und kann, werden die nächsten Wochen zeigen», sagt sie.
Am 17. März posierte Feri zudem mit einer Flagge mit der Aufschrift «Refugees Welcome» auf der Bundesterrasse.
Die Wettinger Nationalrätin präsidiert zudem die Stiftung Kinderschutz Schweiz, die bereits entschieden hat, die Beschreibung ihrer Angebote auf Ukrainisch zu übersetzen. Darüber hinaus würden bei der Stiftung auch Überlegungen gemacht, jemandem aus der Ukraine einen Arbeitsplatz zu bieten.
Beat Flach: «So können wir direkt helfen»
Nationalrat Beat Flach (GLP) indes hat bisher kein Geld für die Ukraine gespendet. Dafür hat er privat eine Wohnung für Geflüchtete beim Schweizerischen Flüchtlingshilfswerk angemeldet.
«Zu Beginn der Coronakrise haben meine Frau und ich einen Co-Working-Space für unser Geschäft in der Wohnung eingerichtet. Während der Pandemie konnte die Wohnung aber nicht vermietet werden», sagt Flach.
Diese Möglichkeit nutzt der Nationalrat aus Auenstein nun, um Ukrainerinnen und Ukrainern ein Heim zu bieten. «So können wir direkt helfen», sagt er. Sachspenden hat Flach bisher nicht getätigt. Er wird wohl selbst noch welche entgegennehmen können. Denn: «Die Wohnung für die Geflüchteten ist noch nicht fertig ausgestattet.» Eine Rückmeldung von der Flüchtlingshilfe habe es bisher noch nicht gegeben. «Wir sind aber parat», sagt Flach. Falls dem GLP-Nationalrat Geflüchtete zugeteilt werden sollten, will er sie natürlich auch weiter unterstützen, zum Beispiel bei einer allfälligen Stellensuche.
Marianne Binder: «Wenn man Menschen aufnimmt, muss man Zeit haben»
Nationalrätin Marianne Binder (Mitte) hat privat an verschiedene Hilfsorganisationen gespendet. Unter anderem an die Glückskette und an SOS-Kinderdorf. Momentan haben die Nationalrätin und ihr Mann niemanden bei sich zu Hause in Baden aufgenommen.
«Wenn man Menschen aufnimmt, muss man meines Erachtens schon die Zeit haben, diese auch etwas betreuen zu können», sagt Binder. «Und wir sind nun halt beide sehr viel unterwegs und oft nicht zu Hause.»
Es sei aber nicht so, dass sie und ihr Mann prinzipiell nicht daran denken würden, eine Wohnmöglichkeit anzubieten, so die Nationalrätin. Denn: «Man weiss nicht, wie lange diese Krise noch andauern wird und wie sehr der Bedarf nach privaten Betreuungsplätzen und Unterkünften in der Schweiz zunehmen wird», so Binder.
Momentan nutze sie ihr Netzwerk, um Institutionen und Behörden bei der Arbeit zu unterstützen. «So hat mich kürzlich jemand angerufen, der einen privaten Transport von 50 Menschen von Lwiw nach Baden organisiert hatte. Bei der Ankunft fehlten aus verschiedenen Gründen etwa 20 Unterbringungsplätze. Ich rief den Stadtammann an, der mich an die zuständige Ressortleiterin, Stadträtin Regula Dell’Anno, verwies.» In einer Blitzaktion organisierte diese mit ihrem Team neue Unterkünfte. «Ich war beeindruckt von der guten Organisation und der unbürokratischen Abwicklung», so Binder.
Binder hat auch Kontakt zu einer Parlamentarierin aus der Ukraine, mit der sie sich austauscht und Videokonferenzen organisieren möchte.
«Es ist erschütternd, wenn man direkt von jemandem hört, was in der Ukraine durch den russischen Angriffskrieg gerade passiert.»
Binder sieht es als ihre Pflicht, Aufklärungsarbeit zu leisten und eine klare Position zu beziehen. «Es ist die Wahrheit, die in einer Diktatur und im Krieg als Erste stirbt», sagt Binder.
Irène Kälin: «Die Hilfsorganisationen wissen am besten, was gebraucht wird»
Nationalratspräsidentin Irène Kälin (Grüne) hat Geld an die Glückskette gespendet. Auf Sachspenden hat sie indes verzichtet. «Die Hilfsorganisationen vor Ort wissen am besten, was die Menschen im Moment brauchen», sagt Kälin.
Geflüchtete bei sich aufnehmen kann die Nationalratspräsidentin gegenwärtig nicht. «Wir haben kein Zimmer frei – und ich finde es wichtig, dass man sich in einem solchen Fall darauf einstellt, den Menschen ein richtiges Zuhause zu bieten. Und das nicht nur für einige Wochen.» Das Zeitmanagement wäre für die höchste Schweizerin dabei kein Problem. Genügend Platz für beide Parteien – Geflüchtete und Gastfamilie – sei aber sehr wichtig, «damit sich alle frei entfalten können».
Das Zeitmanagement sei aber mit Blick auf ein freiwilliges Engagement als Deutschlehrerin für die Geflüchteten ein Problem. «Meine Agenda ist eine Herausforderung, sodass ich zu unregelmässig zur Verfügung stehen würde», sagt Kälin. Dafür engagiert sich die Aargauer Nationalrätin auf der politischen Ebene:
«Ich stehe in engem Austausch mit dem ukrainischen Botschafter. Wenn dieser schreckliche Krieg einmal endet, muss ein wirtschaftlich ruiniertes Land wieder aufgebaut werden.»
Mit dem Botschafter sei sie dabei auszuloten, welche Projekte man in der Ukraine lancieren kann, um dem kriegsgebeutelten Land zu helfen, insbesondere mit Blick auf den Wiederaufbau und den Klimaschutz.
Die Solidarität der Schweizer Politik und der Bevölkerung mit der Ukraine sei sehr berührend. «Alle im Land fragen sich, was man machen und wie man helfen kann. Die Hilfsbereitschaft ist sowohl im privaten Bereich als auch in der Politik unglaublich gross», so Kälin.
Alois Huber: «Ich denke, die finanzielle Hilfe ist wichtiger»
SVP-Nationalrat Alois Huber hat privat und in verschiedenen Vereinen und Organisationen und Landwirtschaftsverbänden, wo er Mitglied ist, Geld gespendet. Bei einigen dieser Organisationen ist der Meisterlandwirt im Vorstand und konnte so mitentscheiden, wo Geld gespendet werden soll. Gerade in dieser Woche seien in einer der Organisationen 10’000 Franken gesprochen worden, die über einen Berufskollegen von Huber direkt in der Ukraine eingesetzt werden sollen. «Wir sehen, dass es uns hier gut geht, deshalb wollen wir etwas geben», so Huber.
«Viele Bauern hier haben zudem Kontakte in die Ukraine oder sind dort in Projekte involviert», so der Nationalrat weiter. «Die Verbände hier engagieren sich stark, das ist aber natürlich nichts im Vergleich zu dem, was die Menschen in der Ukraine oder an der polnischen Grenze leisten», so Huber. Auch Hilfswerke wie Helvetas würden dort einen guten Job machen. «Diese Menschen haben grossen Respekt verdient», sagt Huber.
Wenn der Krieg vorbei sei, sei es damit zudem nicht getan. «Viele Menschen wollen wieder zurück in ihre Heimat, wenn es denn geht. Auch hierbei brauchen die Ukrainerinnen und Ukrainer unsere Unterstützung», so Huber. Wenn jemand denke, dass es mit einer kleinen Spende getan sei, dann liege die Person falsch.
Sachspenden machen aus Hubers Sicht indes wenig Sinn. «Ich denke, die finanzielle Hilfe ist wichtiger.» Wichtig sei zudem, dass die «richtigen Kriegsflüchtlinge» auch Hilfe bekommen. Für eine private Aufnahme von Geflüchteten fehle ihm der Platz, so Huber weiter, da bei ihm auch Lehrlinge und Angestellte aus dem eigenen Landwirtschaftsbetrieb unterkommen müssten. In Abklärung sei aber eine Möglichkeit zur Beschäftigung von jugendlichen Flüchtlingen im Betrieb, die durch leichte Arbeit von ihren Sorgen abgelenkt werden könnten, so Huber. Eine Idee, die vom Bauernverband gekommen sei.
Matthias Jauslin: «Gemeinden sind professioneller unterwegs»
FDP-Nationalrat Matthias Jauslin aus Wohlen hat zum jetzigen Zeitpunkt nicht vor, Geflüchtete aus der Ukraine privat aufzunehmen. Sollte es Bedarf geben, würde er seine Ferienwohnung in Bellinzona zur Verfügung stellen. Vor allem fehle ihm die Zeit für die Betreuung der Geflüchteten.
Diese müssten aber begleitet werden, da sie «die Abläufe und Prozesse in unserem Staat zu wenig kennen», so Jauslin. «Die Gemeinden und die Kantone sind in diesem Bereich professioneller unterwegs als Private», sagt er. Und: «Wenn der Platz in öffentlich organisierten Unterkünften knapp werden sollte, muss die Situation neu beurteilt werden.»
Jauslin erachtet es zudem als wichtig, dass die Schweizerinnen und Schweizer das Vorgehen von Russland klar verurteilen. Es sei traurig, so etwas 2022 in Europa zu erleben. «Überall, wo ich politischen Einfluss nehmen kann, engagiere ich mich gegen solche Machenschaften», so Jauslin.
«Ich spreche mich klar für harte Massnahmen gegen Russland aus. Putin hat jegliche Sympathien verspielt.»
Ferner hat der Freiämter Nationalrat selbst auch Geldspenden getätigt, unter anderem an die Glückskette. «Ich finde das die idealste Form von Spenden. Denn so können die Organisationen vor Ort entscheiden, wie und mit welchen Gütern am besten geholfen werden kann», sagt Jauslin.
Lilian Studer: «Geldspenden sind die beste Variante»
Ähnlich sieht das auch EVP-Nationalrätin Lilian Studer. Sie hat Geld an verschiedene Hilfswerke, so auch an die Glückskette und an das Rote Kreuz, gespendet. Weiter hat sie dafür in den sozialen Medien Werbung gemacht. Durch ihren Bekanntheitsgrad und ihre Reichweite kann Studer auf das Thema aufmerksam machen.
Unter anderem unterstützt sie auch die Sammelaktion ihres Zürcher Parteikollegen und Nationalrat Nik Gugger. «Geldspenden sind die beste Variante», so die Nationalrätin.
Zu Sachspenden sagt sie: «Die waren auch wichtig, aber jetzt braucht es vor allem Geld, denn die Hilfswerke sind auf Geldspenden angewiesen, damit die richtigen Güter gesammelt und geliefert werden können.» Auch für weiteres, freiwilliges Engagement sei sie offen, sagt Studer, und will, so wie die anderen Aargauer Vertreterinnen und Vertreter im Nationalrat, auch ihre politischen Möglichkeiten nutzen.
Studer hat sich zudem, bei der Flüchtlingshilfe, für eine mögliche Aufnahme von Geflüchteten registriert. Dafür stellt sie ein Zimmer und die Mitbenützung der ganzen Wohnung bei sich zu Hause in Wettingen zur Verfügung. «Wenn ich etwas beitragen kann, mache ich das gerne, auch wenn es natürlich nur ein Tropfen auf dem heissen Stein ist», sagt sie.