Massaker in Butscha: Parteien fordern deutlichere Worte und neue Sanktionen vom Bundesrat
Was nach dem Rückzug der russischen Truppen aus Butscha in den Köpfen der Menschen bleibt, sind schockierende Bilder und Fassungslosigkeit: Tote, teils gefesselte Zivilisten liegen auf den Strassen in einer Vorstadt von Kiew, es sind Menschen, die in der Stadt nördlich von Kiew von der russischen Armee erschossen wurden. Die ukrainischen Behörden sprechen von über 400 Toten.
Regierungen weltweit haben mit deutlichen Worten auf diese Gräueltaten reagiert. Von einem «Schlag in die Magengrube» spricht US-Aussenminister Antony Blinken. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz und seine Aussenministerin Annalena Baerbock reden von «Kriegsverbrechen». Der britische Premier Boris Johnson ebenso.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron fordert, Russland für seine «Verbrechen» zur Verantwortung zu ziehen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fordert eine internationale Untersuchung. Neue EU-Sanktionen sind zudem bereits in Vorbereitung.
Bloss niemanden verärgern: EDA verwendet wohl temperierte Formulierung
Angesichts der deutlichen internationalen Reaktionen fällt die Stellungnahme des Schweizer Departements für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) von Bundesrat Ignazio Cassis geradezu harmlos aus. Statt die Dinge beim Namen zu nennen, wird darin bloss von den «Entwicklungen in Butscha» und «schweren Verstössen gegen das humanitäre Völkerrecht» gesprochen, die ausserdem «mutmasslich» stattgefunden haben sollen. Auch einen klaren Adressaten seiner Botschaft, namentlich Russland, lässt das EDA missen und ruft stattdessen «alle Seiten» dazu auf, das humanitäre Völkerrecht zu schützen.
Weshalb diese stark temperierte Formulierung? Und warum hat sich Bundespräsident Ignazio Cassis nicht persönlich geäussert, wie es seine Amtskollegen in der EU und weltweit getan haben? Eine Rückmeldung auf diese Fragen von Seiten des EDA stand bis Montagmittag noch aus.
«Schweiz muss weitere, eigenständige Sanktionen ergreifen»
Fest steht: Die in Watte verpackten Worte der Schweiz gehen vielen Politikerinnen und Politikern zu wenig weit. So schreibt Mitte-Präsident Gerhard Pfister auf Twitter, er erwarte, «dass der Gesamtbundesrat klarere und deutlichere Worte findet zu den Kriegsverbrechen in der Ukraine als das Ignazio Cassis am Sonntag». Seine Partei fordert zudem, dass der Bundesrat «weitere eigenständige Sanktionen gegen Russland» ergreife. Die Schweiz müsse «jetzt ihren Beitrag leisten, um die Bevölkerung der Ukraine besser vor diesen Gräueltaten zu schützen», schreibt Pfister weiter. Parteikollegin und Ständerätin Andrea Gmür strebt gar ein Öl- und Gasembargo der EU und der Schweiz an.
Auch FDP-Parteipräsident Thierry Burkart findet im Gegensatz zum EDA klare Worte zum Blutvergiessen in der Ukraine: Die Bilder aus Butscha seien «ein weiterer Beleg für schwere russische Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung». Er sei tief betroffen und fassungslos. Nun sei der Westen unter Beteiligung der Schweiz gehalten, seine «Sanktionen massiv zu verstärken». SP-Aussenpolitiker Fabian Molina fordert, dass die Schweiz den Handel mit fossilen Rohstoffen aus Russland verbietet.
Grüne wollen Import von Gas und Öl stoppen
Ähnlich äussert sich auch Grünen-Präsident Balthasar Glättli. Er zeigt sich in einer Mitteilung seiner Partei enttäuscht: «Während die russische Armee in der Ukraine Kriegsverbrechen begeht und Zivilisten massakriert, ringt sich der Bundesrat nicht einmal zur konsequenten Umsetzung der EU-Sanktionen durch.» Die Schweiz müsse nun endlich Haltung zeigen und die EU-Sanktionen «umfassend übernehmen und umsetzen», so Glättli. Weiter fordern die Grünen einen Boykott von Öl, Gas und Uran aus Russland.
Die nüchterne Stellungnahme des EDA kommt auch bei den Grünliberalen nicht gut an. Parteipräsident Jürg Grossen bezeichnet diese als «klar zu schwache Reaktion der offiziellen Schweiz auf die Verbrechen in Butscha». Einmal mehr fehle dem Bundesrat «Leadership». Grossen fordert, dass die Schweiz bisherige Sanktionen besser durchsetzen und «sämtliche internationalen Sanktionen übernehmen» müsse. Zudem müsse sie «rasch unabhängig werden von russischem Öl, Gas und Uran». Ein Embargo müsse allerdings koordiniert mit Europa geplant werden, damit es wirke.