Klimaforscher machen Hoffnung trotz brennendem Planeten: «Wir haben die Werkzeuge»
UNO-Generalsekretär António Guterres ist deutlich: «Es ist Zeit, das Verbrennen des Planeten zu stoppen.» Das Ende der fossilen Brennstoffe und Kohle müsse kommen, sagt Guterres zu Beginn der Vorstellung des dritten, letzten und wichtigsten Teils des neusten Berichts des UNO-Weltklimarats (IPCC). Im letzten Jahrzehnt waren die durchschnittlichen jährlichen globalen Treibhausgas-Emissionen so hoch wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit. Zu spät sei es aber noch nicht, noch hätten wir eine Wahl.
Noch ist somit nicht alles verloren, und der IPCC-Vorsitzende Hoesung Lee sagt:
«Wir haben die Werkzeuge, um die Katastrophe noch zu verhindern.»
Welche, das zeigt der neueste IPCC-Teilbericht, an dem auch Anthony Patt von der ETH Zürich als Autor beteiligt war. Zwar nehmen die Emissionen weltweit noch zu. «In den meisten Industrieländern scheint aber eine Trendwende eingetreten zu sein», sagt Patt. Zweitens zeigen die Analysen der Klimaforscher, dass die Klimaschutzmassnahmen zu greifen beginnen. Und drittens, dass technische Klimaschutz-Optionen bezahlbar sind und sogar im Einklang mit einem anhaltenden Wirtschaftswachstum stehen können, wie Patt erklärt.
«Noch unternehmen wir aber zu wenig», betont IPCC-Autor Jim Skea an der globalen IPCC-Pressekonferenz. Deshalb betonen alle IPCC-Klimaforscher, dass es nun schnell gehen müsse. Die globalen Treibhausgas-Emissionen müssen gemäss den IPCC-Szenarien spätestens 2025 ihren Höhepunkt erreichen. Dann muss der Ausstoss sinken, und zwar bis 2030 um 43 Prozent. Gleichzeitig muss der Methan-Ausstoss, der grossteils aus der Landwirtschaft kommt, um einen Drittel verringert werden.
Ruhe gibt es erst bei null CO2-Emissionen
Die nächsten Jahre werden die härtesten, weil die Massnahmen zur Reduktion ihre Wirkung erst später entfalten. Die globale Temperatur wird sich nach Jim Skea erst stabilisieren, wenn die CO2-Emissionen Netto-Null erreichen. Will man die Erwärmung auf 1,5 Grad halten, muss das 2050 der Fall sein, bei 2 Grad braucht es die Entkarbonisierung bis 2070.
Anthony Patt ist aus mehreren Gründen trotz allem optimistisch. Zwar seien die Emissionen in den Ländern noch unterschiedlich, «aber mindestens 18 Länder, zu denen vor allem die europäischen Länder gehören, haben ihre produktions- und verbrauchsbedingten CO2-Emissionen in den letzten zehn Jahren reduziert», sagt Patt. Die Schweiz gehöre zu jenen, welche das CO2 aus der Produktion verringert haben, aber nicht jenes aus dem Verbrauch. «Die Verbrauchsemissionen steigen noch», sagt Patt.
Vorbild Grossbritannien
Die Reduktionen waren Folgen politischer Massnahmen und Veränderungen der Wirtschaftsstruktur. Den globalen Emissionsanstieg konnten die Bemühungen dieser Industriestaaten aber nur teilweise ausgleichen. Am vorbildlichsten sind dabei nach Patt Grossbritannien und die nördlichen Länder, allen voran Dänemark, das mehr Solarenergie als die Schweiz produziere, obwohl dort die Sonne weniger scheine.
«Die Klimaschutzmassnahmen beginnen zu greifen, müssen aber noch ausgeweitet werden», sagt Patt. Immerhin seien deswegen 2016 5,9 Milliarden Tonnen CO2 weniger emittiert worden, als dies ohne Massnahmen der Fall gewesen wäre.
Drei- bis sechsmal mehr investieren
Der Bericht zeigt, dass in diesem Jahrzehnt drei- bis sechsmal mehr investiert werden müsste, um die Erwärmung auf 2 oder 1,5 Grad zu halten. Und zwar in allen Sektoren und Regionen. «Das zeigt den Bedarf an politischen Massnahmen», sagt Patt.
Dass technische Klimaschutzoptionen bezahlbar sind, zeigt sich bei der Fotovoltaik und den Batterien für Elektroautos. Beide sind in den letzten zehn Jahren um 85 Prozent günstiger geworden. Gleichzeitig sieht man ein exponentielles Wachstum bei den Investitionen. «Alle emissionsarmen Technologien sind deutlich günstiger geworden, weil es dafür politische Massnahmenpakete gab und die weltweite Verbreitung gefördert worden ist», sagt Patt.
Solar und Wind mit grösstem Potenzial
Im Energiesektor ist dabei das Potenzial der Solar- und Windenergie am grössten. «Man kann weltweit durch Wind und Solar fünf Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr reduzieren – ohne Mehrkosten», sagt Patt. Emissionsintensive Produktion mit fossilen Brennstoffen sei teuer, das Halten an alten Technologien mache wirtschaftlich keinen Sinn. Die Umstellung auf emissionsarme Energiesektoren helfe nicht nur dem Klima, sondern auch unserer Gesundheit.
Die Umstellung auf erneuerbare Energien sei günstiger als der jetzige Energiemix. «Wirtschaftlich lohnt es sich», sagt Patt. Wenn man Elektromobilität und das Heizen mit Wärmepumpen mit Solar und Wind kombiniere, gebe man weniger Geld aus, als wenn man auf fossilen Treibstoffen beharre.
In der Schweiz sei das Sonnen- und Windpotenzial zwar kleiner als in anderen Ländern, aber die Kosten seien so stark gesunken, dass Solarenergie auch in der Schweiz konkurrenzfähig sei im Vergleich zu importiertem Gas. Im Winter fehlt es in der Schweiz zwar an Sonne und Wind. «Europa hat dieses Winterproblem aber nicht. Deshalb muss die Schweiz mit den anderen Ländern zusammenarbeiten», sagt Patt.
Eine Palette an Dringlichkeiten
Global betrachtet gilt, dass die Elektrisierung der Mobilität und des Heizens im Vordergrund steht und die damit verbundene Verringerung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe. Zudem muss die Energieeffizienz verbessert werden, mehr alternative Brennstoffe müssen verwendet werden, zum Beispiel Wasserstoff und synthetische Treibstoffe beim Fliegen und der Schifffahrt. Grosse Möglichkeiten haben Städte und städtische Gebiete, wenn diese kompakt und begehbar gestaltet werden, mit Freiflächen und Grünanlagen. Schliesslich müssen die Gebäude ohne fossile Energie auskommen.
Bei der Industrie gibt es grosses Reduktionspotenzial mit der effizienteren Nutzung von Materialien, verstärktem Recycling und der Minimierung von Abfällen. Energiefressende Produktionen von Stahl, Chemikalien und Baumaterialien müssen zu treibhausgasarmen Produktionsverfahren wechseln. Dieser Sektor ist für einen Viertel der weltweiten Emissionen zuständig und wohl am schwierigsten zu reduzieren. Hier müssen unter anderem Wasserstoff und CO2-Abscheidung helfen