Klimastreik für 24-Stunden-Woche: Nicht die ganze Generation tickt so – sagen die Jungfreisinnigen
Unter dem Motto «Zeit für Wandel» demonstrieren am Samstag Klimaschützerinnen und -schützer in mehreren Schweizer Städten. Auch in Baden. Die Allianz «Strike for Future», zu der Klimastreik Schweiz gehört, fordert zusammen mit den Gewerkschaften, dass die wöchentliche Arbeitszeit radikal reduziert wird. Die Forderung steht auch im Klimaaktionsplan des Klimastreiks: Eine 24-Stunden-Arbeitswoche soll es demnach sein.
«Das Eindämmen der Klimakrise erfordert ganz grundsätzliche Veränderungen. Das ist nicht meine persönliche Meinung, sondern wissenschaftlicher Konsens», sagt auf Anfrage Nicola Bossard, aktiver Klimaschützer, angehender Umweltwissenschafter ETH und seit Januar Mitglied des Aargauer Grossen Rats (Grüne). Werde weniger gearbeitet, komme das der Umwelt zugute, argumentieren die Klimaaktivisten.
Wandel für Umwelt und Mensch
Die Rechnung ist einfach: Wird weniger produziert und konsumiert, sinken Energieverbrauch und CO2-Ausstoss. «Die Frage ist ganz grundsätzlich: Wie wollen wir leben? In den letzten Jahrzehnten ist die Wirtschaft gewachsen wie blöd, dennoch sind wir nicht zufriedener», sagt Nicola Bossard. Ein Wandel in der Arbeitswelt käme also auch den Menschen zugute.
«Auch wenn es wie eine Binsenweisheit klingt: Was uns wirklich glücklich macht, ist nicht das neueste iPhone oder ein grösseres Auto. Sondern ein Zuhause, Freunde und eine lebenswerte Zukunft.» Er sei bereit, diesen Aufbruch zu einem besseren Leben für alle in Angriff zu nehmen, versichert der Grossrat. Und er ist überzeugt, dass «eine grosse Mehrheit» diesen Wunsch teilt.
Jungfreisinnige sehen sozialistische und kommunistische Konzepte
Nicht auf ihrer Seite haben die Klimaaktivisten jedoch die Aargauer Jungfreisinnigen. «Der Klimastreik repräsentiert unsere Generation nicht!» schreiben sie in einer Medienmitteilung zum Klimastreik vom Samstag in Baden. Hinter den «grünen» Forderungen würden sich «alte sozialistische und kommunistische Konzepte» verbergen, findet die Partei. Mit den radikalen Ideen könne sich wohl nur ein Bruchteil der jungen Generation anfreunden.
Nur: Es liegt eigentlich sowieso nicht in der DNA der Jungfreisinnigen, sich an Klimastreiks zu engagieren, eher distanzieren sie sich betont von der Bewegung. Warum also machen sie jetzt besonders drauf aufmerksam, dass sie die Demonstration vom Samstag nicht unterstützen? Anna Staub, Vizepräsidentin der kantonalen Jungfreisinnigen, sagt auf Nachfrage:
«Wir sind eben auch Teil dieser Generation und wollen klarstellen, dass wir uns vom Klimastreik mit dieser Forderung nicht vertreten sehen.»
Besonders stört sich die Jungpartei der FDP daran, dass der Klimastreik mit den Gewerkschaften zusammenspannt. «Er lässt sich instrumentalisieren», sagt Anna Staub, «uns erschliesst sich aber der Zusammenhang zwischen Klimaschutz und der wöchentlichen Arbeitszeit nicht.»
Island hat seit letztem Sommer die Viertagewoche
Es brauche einen Wandel und in diesen müssten alle einbezogen sein, sagt Nicola Bossard. Zudem: «Verschiedene Studien zeigen, dass die Produktivität bei tieferer Wochenarbeitszeit sogar steigt.» In Island wurde, im Sommer des letzten Jahres, für einen Grossteil der Arbeitnehmenden die Viertagewoche eingeführt. In einem vierjährigen Versuch wurde zuvor festgestellt, dass die Produktivität gleichgeblieben ist oder sich sogar verbessert hat. Zudem waren die Arbeitnehmenden zufriedener.
Das hat sich herumgesprochen: In Aarau hat im letzten Herbst, aufgrund der Erfahrungen in Island, ein Grafikunternehmen auf die verkürzte Arbeitswoche umgestellt.
Weniger Wohlstand bedeutet weniger Klimaschutz
Die Konsequenz, würde man schweizweit nur noch 24 Stunden in der Woche arbeiten, wäre weniger Wohlstand und damit auch weniger Freiheit und weniger Klimaschutz, schreiben die Jungfreisinnigen in ihrer Mitteilung. Ein Blick auf ärmere Staaten zeige, dass es ohne Wohlstand auch keinen Klimaschutz gäbe. «Wir setzen uns für einen vernünftigen Klimaschutz ein und haben auch schon versucht, mit der Bewegung in Kontakt zu treten. Die radikalen Forderungen können wir aber nicht unterstützen», sagt Anna Staub.
Tatsächlich hatten die Aargauer Jungfreisinnigen vor einem knappen Jahr zur Trinkwasserinitiative Ja gesagt – entgegen der Parole der Mutterpartei. «Klimaschutz kann mit vielen unterschiedlichen Mitteln erreicht werden», sagt Anna Staub. Der von der FDP Aargau geforderte Emissionshandel wäre etwa ein gangbarer Weg. «Aber von der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung grenzen wir uns klar ab», stellt die Jungpolitikerin klar.
Man verdränge, wie dringend grosse und mutige Schritte sind, findet Nicola Bossard. Für den Aufbruch wolle er alle dabeihaben.