Die Pandemiemassnahmen liessen auch eine Grippe-Variante komplett aussterben
Vor der Corona-Pandemie waren Grippewellen unser alljährlicher Begleiter. So kam es praktisch jeden Winter zu einer Epidemie, verursacht durch Influenzaviren. Die Pandemie-Massnahmen haben darauf nicht nur Sars-CoV-2 eingedämmt, auch Grippefälle gab es in den letzten beiden Jahren auffallend wenige.
«Primär zeigen die letzten zwei Jahre, dass Influenza mittels Tröpfchen übertragen wird und mit chirurgischer Maske und Social Distancing gut kontrolliert werden könnte», sagt dazu Infektiologe Christoph Fux vom Kantonsspital Aarau. Um eine künftige Grippewelle einzudämmen, wäre es deshalb laut Fux wichtig, auf solche Verhaltensmassnahmen zurückzugreifen.
Eine Unterart der Grippeviren wurde ausgerottet
Bei den Influenzaviren, die den Menschen betreffen, wird zwischen Influenza-A und Influenza-B unterschieden. Beide Arten werden in Subtypen weiter kategorisiert. Influenza-A Subtypen erhalten Bezeichnungen wie H1N1 bei der Schweinegrippe. Influenza-B wird in Stammlinien eingeteilt und nach dem Ort ihres Auftretens benannt.
Wie nun ein Forschungsteam um Vijaykrishna Dhanasekaranum in einem Artikel aufzeigt, der bei Nature Communications erschien, ist seit April 2020 kein Influenza-B-Virus der Yamagata Linie mehr nachgewiesen worden: Die Hygiene- und Kontaktmassnahmen haben ihn vermutlich aussterben lassen. Beim einem anderen wichtigen B-Strang, der Victoria-Linie hat nur eine Variante überlebt. Und auch bei Influenza-A sind zahlreiche Varianten ausgestorben.
Dass die Massnahmen sich auch auf Influenza ausgewirkt haben, war zu erwarten: Grippe ist viel weniger ansteckend als Sars-CoV-2. Der R-Wert, also die Anzahl Leute, die ein Infizierter im Durchschnitt ansteckt, liegt nur bei 2. Bei Omikron dagegen ist der R-Wert vergleichbar mit dem von Masern, also zwischen 12 und 18. (Berechnungen des RKI hier)
Geschwächte Immunität gegen Grippeviren
Die tiefen Grippezahlen seit 2020 könnten zu einer schlechteren Immunität in der Bevölkerung geführt haben. Das BAG rechnet nicht damit, wie es auf Anfrage mitteilt. Infektiologe Christoph Fux hingegen ist vorsichtiger: «Das Immunsystem ist zwei Jahre nicht trainiert worden für Influenza. Wenn das nächste Grippe-Virus zusätzlich eine wirklich neue Variante ist, müssen wir eine schwerere Grippesaison erwarten.»
Eine solche kann nach wie vor entstehen, besonders auch eine Rekombination der Hauptstämme, wie Infektiologe Fux zu bedenken gibt. Denn diese passieren weiterhin in Asien, wo Menschen Schweinen und Hühnern zu nahe kommen. «Sobald das Reisen wieder beginnt, steigt auch dieses Risiko wieder.»
Bei Kindern unter zwei Jahren ist der Effekt noch wahrscheinlicher: Da Säuglinge und Kleinkinder wegen der Pandemie noch keine Immunität aufbauen konnten, kommen nun drei Jahrgänge aufs mal mit den Viren in Kontakt. Deshalb muss im nächsten Winter mit mehr Infektionen gerechnet werden. Die Krankheit dürfte deswegen aber nicht schwerer verlaufen.
Schwierigkeiten bei der Impfstoffherstellung
Während die Grippe für die meisten bloss ärgerlich ist, kann sie für Risikogruppen eine echte Gefahr darstellen. Risikofaktoren sind dabei – ähnlich wie bei Covid-19 – Alter und Vorerkrankungen. Um diesen Gruppen zu helfen, wird jedes Jahr ein Impfstoff entwickelt, der vor den voraussichtlich häufigsten Influenza-Subtypen schützen soll.
Für die Entwicklung von Impfstoffen ist die aktuelle Situation eine Herausforderung. Denn laut der oben erwähnten Studie sind die Verschiedenen Influenza-Stränge nicht so global verteilt wie vor der Pandemie. Stattdessen gibt es regionale Ausbrüche. Das erschwert es, vorauszusagen, welche Virusvarianten in der nächsten Welle dominieren werden und mit Impfungen bekämpft werden sollen.
Wegen der vermutlich gesunkenen Immunität wäre ein guter Impfstoff umso wichtiger, der gegen alle Grippe-Varianten wirkt. Fortschritte in der Forschung lassen auf einen solchen universellen Impfstoff hoffen, auch dank mRNA Impfstoffen.
Bis dahin müssen die verbleibenden Stränge genau beobachtet werden, um frühzeitig darauf reagieren zu können.