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Beklemmend und beruhigend: Mit dem U-Boot auf den Grund des Vierwaldstättersees

Für knapp 500 Franken kann man 80 Meter tief im See abtauchen. Der Selbstversuch zeigt: Etwas beklemmend ist das schon, aber auch sehr beruhigend.

Das Wrack der «Portland» auf dem Grund des Vierwaldstättersees hätte das Zeug zu einer Touristenattraktion. Es gibt nur ein Problem: Das Schiff ist ziemlich schwer zugänglich, es liegt auf knapp achtzig Metern Tiefe. Das ist selbst für die meisten Sporttaucher unerreichbar; es braucht spezielle Ausrüstung und viel Erfahrung, um in eine solche Tiefe vorzudringen. Neuerdings können aber auch Landratten das gesunkene Schiff besichtigen. Alles was sie brauchen, ist ein Ticket für das U-Boot P-63.

Das erste U-Boot, das in der Schweiz touristische Fahrten anbietet. Das Oberflächenboot holt uns am Ufer ab und fährt uns zu der Boje, wo die P-63 vertäut ist. Philippe Epelbaum, der mit seiner Firma Subspirit das U-Boot betreibt, bittet uns schon mal auf die Waage. Er notierte sich die Gewichte der drei Passagiere und zählt sie zu seinem eigenen Gewicht dazu. Am Schluss drückt er die Zahlen einem der Fahrgäste in die Hand, damit dieser die Rechnung nachprüft. Hier ist alles ist doppelt und dreifach abgesichert. Unser Boot bremst ab, wir nähern uns dem U-Boot. Aus dieser Perspektive wirkt es wie eine kleine Badeplattform. Nur die transparente Kuppel deutet auf anderes hin. «Hallo, ist jemand da?» ruft Epelbaum, und prompt erscheint ein Kopf. Es ist Hansjürg Caprez, ein weiterer U-Boot-Pilot aus dem Team von Subspirit, der den Tauchgang vom Oberflächenboot aus überwachen wird.

Hansjürg Caprez schliesst die Luke der P-63 vor dem Tauchgang.
Bild: Severin Bigler

Durch die enge Öffnung klettern wir ein Leiterchen hinunter ins Innere. Pilot Epelbaum und ein Passagier setzen sich vorne bei den Armaturen und dem runden Fenster, das bereits unter Wasser liegt. Dahinter nehmen auf einer Matratze die zwei weiteren Fahrgäste Platz.

Notvorrat für drei Tage dabei

Es fühlt sich ein wenig wie in einem VW-Bus an. Und tatsächlich haben wir Ausrüstung dabei, um notfalls drei Tage lang im sechseinhalb Meter langen U-Boot zu überleben: Essen, Trockentoilette, Wärmedecken, Kalk für die Aufbereitung von Atemluft. Aber mit der Vorstellung, da drin festzusitzen, wollen wir uns lieber nicht zu lange aufhalten. Obwohl uns Philippe Epelbaum versichert, dass es technisch Möglichkeiten gibt, selbst bei Stromausfall aufzusteigen. Und dass sowohl Tiefentaucher als auch ein Unterwasserroboter für den Notfall bereit stehen. Luke zu. Epelbaum dreht hier an einem Ventil, drückt da einen Hebel nach vorne, zieht einen anderen nach hinten. An der Luke sehen wir das Wasser steigen, und schon sind wir komplett im See.

Die P-63 im Vierwaldstättersee ist auf 300 Meter Tauchtiefe ausgelegt. Konstruiert wurde sie 1987 in einer Werft am Bodensee. Seither war sie unter anderem für die Inspektion von Staumauern im Einsatz, bevor sie über verschlungene Wege zu Philippe Epelbaum fand. Dieser, ein erfahrener Taucher, hatte zuvor als Skipper gearbeitet. Wegen Corona fiel dies weg und er sah sich nach neuen Tätigkeiten um. So erwarb er das U-Boot, unterzog es einer Generalüberholung und taufte es nach seinem Intial und Geburtsjahr auf P-63. Seit Anfang Jahr bietet er touristische Fahrten an, derzeit zur «Portland». Ab Mai sind Fahrten zur «Vitzanove», einem beim Sturm Lothar gesunkenen Fahrgastschiff, geplant. Platz hat es nebst dem Piloten für drei Fahrgäste. Tickets gibt es für 490 Franken pro Person auf www.subspirit.ch.

Mit dreissig Metern pro Sekunde geht es runter

Noch schaukelt es ein wenig, doch es wird ruhiger und ruhiger, während wir langsam absinken. «Wir sind perfekt austariert», sagt Epelbaum zufrieden. Mit Bleigewichten wurde das U-Boot so beladen, dass es genau so schwer ist wie das Wasser, das es verdrängt. Ohne Motoren würden wir mehr oder weniger an Ort schweben. Es sind zwei kleine Schiffsschrauben, die dafür sorgen, dass es runter geht, mit gemütlichen dreissig Metern pro Minute. Es vibriert, der Motor brummt, es wird dunkler. Epelbaum schaltet die Scheinwerfer an. An der schwarz-weissen Leine, die wir durchs Fenster erblicken, sehen wir, dass es tatsächlich nach unten geht. «So, wir sind auf Grund», sagt der Pilot nach ein paar Minuten.

Sind wir das wirklich? Ich muss vorerst ihm und seinen Geräten vertrauen. Da plötzlich lässt sich der sandige Boden erkennen. Mit einigen Spuren drin. Sie müssen von uns stammen, sonst war niemand da. Epelbaum dreht das U-Boot, macht sich auf die Suche nach dem Wrack, das sich auf dem Sonarbildschirm bereits als längliche Form abzeichnet. «CO2 0,47, Sauerstoff 20,3» gibt er durchs Headset ans Oberflächenboot durch.

Beim Wrack angekommen

Und nun ist es soweit, im grünlichen Wasser vor uns wird nach und nach eine Kontur sichtbar.

U-Boot-Pilot Philippe Epelbaum steuert die P-63 in 80 Meter Tiefe hinunter auf den Grund, zum Wrack der «Portland».
Bild: Severin Bigler

Es ist der Bug der Portland. Langsam gleiten wir der Backbordseite entlang. Das Holz wirkt noch bestens intakt, als bräuchten wir bloss den Staub wegzuwischen, um das Schiff wieder in Schuss zu bringen. Das Geländer ist verrostet, aber noch immer intakt, nur von den Scheiben ist die eine oder andere eingeschlagen. Am Heck hängt ein Pneu, die Aufschrift «Goodrich» noch erkennbar. «Hier wohnt eine Rüsche», sagt Epelbaum, doch heute sehen wir diesen Fisch nicht und auch kein anderes Lebewesen.

Das Frachtschiff «Portland», eine 47 Meter lange Motornaue, ist 1955 bei einem Sturm vor Fürigen gesunken.
Bild: Severin Bigler

Der Kapitän ward nie mehr gesehen

Eine Schaufel, die Stiel voran neben dem Schiff im Schlick steckt, erinnert daran, dass an Deck einst auch Menschen am Werk waren. «Wir nähern uns dem Bug und alle fühlen sich wohl», gibt unser Pilot per Funk an die Oberfläche durch. Als die Portland in den Fünfzigern bei einem Sturm sank, habe sich ein Matrose retten können, der Kapitän sei nie gefunden worden. Epelbaum manövriert das U-Boot an den Führerstand mit dem Holzsteuerrad heran, wo dieser Kapitän einst gestanden hat. Jede Schraube ist erkennbar, neben dem Steuerrad drei Keramiksicherungen, wie wir sie aus alten Wohnungen kennen. Weiter geht es, sanft um den 47 Meter langen Rumpf herum, bis wir wieder zu jener Leine gelangen, wo die Umkreisung begonnen hat. Unser Pilot bereitet den Aufstieg vor, checkt mit der Stirnlampe eine Anzeige bei den Sauerstoffflaschen. Der Aufstieg kommt mir viel schneller vor als der Abstieg. Rasch wird es heller, durch die Luke werden Luftblasen sichtbar und schon durchbricht die Luke die Oberfläche.

U-Boot-Pilot Philippe Epelbaum steuert die P-63 in 80 Meter Tiefe hinunter auf den Grund.
Bild: Severin Bigler

Den Weltrekord hält ein Schweizer: Jacques Piccard (der Vater des Solarflugzeugpiloten Bertrand Piccard) tauchte 1960 zusammen mit dem US-Amerikaner Don Walsh in den Marianengraben ab. Nach über vier Stunden stiessen sie in 10916 Metern Tiefe auf Grund. Piccard war aber auch Pionier der touristischen U-Boot-Fahrten. Die von ihm konstruierte «Mésoscaphe» war die Attraktion an der Landesausstellung 1964. Es war das erste und bis heute grösste touristische U-Boot der Welt. An dieser Tradition knüpft nun das U-Boot P-63 an.

Rund eine Stunde waren wir unter Wasser. Hatte ich den Abstieg noch als leicht beklemmend empfunden, wich dieses Gefühl am Grund einer grossen Entspannung. Wir befanden uns in extrem ruhigen Welt, die nur uns offenstand. Der Marianengraben muss nicht sein. aber gerne wäre ich noch etwas länger da unten geblieben.