Sexuelle Belästigung: Bundesrat will genauer hinschauen
Sexistische Bemerkungen, pornografische Nachrichten oder körperliches Aufdrängen: Sexuelle Belästigung kennt viele Formen. An seiner Sitzung vom Mittwoch hat sich der Bundesrat mit dem Thema befasst und den Bericht «Sexuelle Belästigung in der Schweiz: Ausmass und Entwicklung» verabschiedet. Das teilte das Innendepartement (EDI) mit. Er erfüllte damit einen Auftrag aus dem Parlament.
Der Bundesrat stützt seinen Bericht auf eine externe Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und der Universität St. Gallen ab. Diese analysiert vorhandene Statistiken und verschiedene Bevölkerungsbefragungen. Die Ergebnisse der Studie zeigen: Sexuelle Belästigungen sind in der Schweiz ein verbreitetes Phänomen.
In neun von zehn Fällen sind Frauen betroffen, 95 Prozent der Beschuldigten sind Männer. Je nach verwendeter Definition bei Befragungen haben zwischen 20 und 60 Prozent der Frauen in der Schweiz schon einmal sexuelle Belästigung erlebt, wie es in der EDI-Mitteilung heisst. Besonders gefährdet seien Menschen mit Behinderung und LGBTIQ+-Personen.
Datenlage in der Schweiz ist mangelhaft
Dabei kommt die Studie zum Schluss, dass die Datenlage dazu in der Schweiz unzureichend ist – auch weil bestehende Befragungsstudien sexuelle Belästigung unterschiedlich definieren. Zudem werden sie nur in die polizeiliche Kriminalstatistik aufgenommen, wenn sich Betroffene bei der Polizei melden. Dabei werde von einer geringen Anzeigenquote von unter 20 Prozent ausgegangen. Begründet wird diese tiefe Zahl mit einer «fehlenden Sensibilität» bei Polizei und Strafverfolgung. Und auch bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz wehren sich Betroffene gar nicht oder erst, wenn sie bereits gekündigt hätten oder krank geschrieben seien.
Der Bundesrat unterstützt die Empfehlung der Studie, dass die Datenlage hierzu verbessert werden muss. Derzeit werde abgeklärt, wie die Erfahrungen der Bevölkerung mit diesen Gewaltformen am besten untersucht werden können, schreibt das EDI. Auch gebe es Bemühungen, um die Anzeigen von geschlechtsspezifischer Gewalt- und Sexualdelikten zu erleichtern. (abi)