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Öffentlicher Verkehr im Aargau: Regierung setzt auf besseres Angebot – nicht auf tiefere Billettpreise

Uriel Seibert (EVP) und Maurus Kaufmann (Grüne) fordern den Regierungsrat auf, die Billettpreise im öffentlichen Verkehr zu senken und die Tarifzonen zu verkleinern. Doch die Regierung winkt ab: Damit würde der Kostendeckungsgrad sinken und das Angebot müsste abgebaut werden.

Eine Auswertung des Preisüberwachers aus dem Jahr 2020 zeigte, dass die Kilometerpreise im öffentlichen Verkehr in der Schweiz seit 1990 viel stärker gewachsen sind als der Konsumentenpreisindex. Auch im Vergleich mit dem motorisierten Individualverkehr sei ein gefahrener Bahn- oder Buskilometer teurer geworden, hielten die beiden Grossräte Uriel Seibert (EVP, Schöftland) und Maurus Kaufmann (Grüne, Seon) in einem Vorstoss fest.

Sie wollten vom Regierungsrat unter anderem wissen, ob sich dieser für günstigere Billettpreise einsetze. Aus klimapolitischen Gründen wäre es sinnvoll, wenn der Kanton im Bereich der A-Welle den Preis senken, und dafür einen tieferen Kostendeckungsgrad in Kauf nehmen würde. «Wenn dafür dann mehr Leute Bus oder Bahn nehmen, steigen die Einnahmen wieder», argumentierte Seibert.

Kritik: Halbtax-Tarife auf Kurzstrecken zu hoch, Abos erst ab zwei Zonen

Überdies regten die beiden Grossräte an, die Zonen innerhalb der A-Welle zu verkleinern. Auch davon würden laut Seibert und Kaufmann die ÖV-Benutzer profitieren, denn heute müssten Passagiere bei kurzen Fahrten oft für Leistungen zahlen, die sie gar nicht in Anspruch nehmen. So gelte das Billett für alle Verkehrmittel in der Zone und sei entsprechend teurer, auch wenn jemand nur von A nach B fahren wolle.

Die Grossräte Seibert und Kaufmann wohnen in der Zone 512 in Schöftland und in Seon. Um sich zu besuchen, müssen sie aber zwei weitere Zonen durchfahren, bei der schnellsten Route sogar drei Zonen.
Bild: zvg

Zudem kritisierten Seibert und Kaufmann, dass es keine Tageskarten und Abonnemente für einzelne Zonen innerhalb der A-Welle gebe. Stossend finden die Grossräte auch, dass ein Halbtax-Besitzer auf kürzeren Strecken nicht den halben Preis, sondern einen höheren Tarif zahlen müsse. Dies führe zu absurden Billettpreisen, «wo es sich lohnt, ein Ticket über den Bestimmungsort hinaus zu lösen, um zum günstigeren Preis zu gelangen».

Regierung: Vergleich des Preisüberwachers für A-Welle nicht anwendbar

In seiner Antwort hält der Regierungsrat fest, der Vergleich des Preisüberwachers beziehe sich nicht auf das Zonensystem von Tarifverbünden wie der A-Welle, sondern gelte nur für den sogenannten direkten Verkehr, als Punkt-zu-Punkt-Verbindungen. Zudem seien in der Auswertung auch die qualitative Entwicklung des öffentlichen Verkehrs sowie die Vorteile der Tarifverbünde mit der Zonengültigkeit nicht berücksichtigt.

Die Regierung hält fest, in den letzten 30 Jahren sei das Angebot massiv ausgebaut und die Fahrzeiten zum Teil verkürzt worden. Passagieren stehen heute ein dichterer Fahrplan zur Verfügung, zudem gebe es mehr Abend-, Spät- und Wochenendverbindungen. Zudem sei der Komfort mit klimatisierten Wagen und Niederflurbussen erhöht worden. Schliesslich habe man das Angebot digitalisiert, schreibt die Regierung und verweist auf Onlinetickets und den Echtzeitfahrplan.

Kanton investierte in Ausbau des Angebots statt tiefere Billettpreise

Zur Forderung nach tieferen Billettpreisen hält der Regierungsrat fest: «Der Kanton Aargau hat sich in den letzten Jahren nicht für Preissenkungen, jedoch für Effizienzsteigerungen eingesetzt.» Aufgrund des Bevölkerungswachstums sei dem Kanton daran gelegen, das Angebot auszubauen und somit auch dessen Attraktivität zu steigern. Die Regierung weist darauf hin, dass der Kostendeckungsgrad von Bahn und Bus durch den Grossen Rat vorgegeben werde. Mit tieferen Billettpreisen würden die Erträge sinken, und dann «müsste das Angebot abgebaut werden, um die vorgegebene Kostendeckung zu erreichen», warnt die Regierung.

Der kantonale Verkehrsdirektor Stephan Attiger am Bahnhof Aarau: Die Regierung setzt auf einen Ausbau des ÖV-Angebots.
Bild: Chris Iseli

Der Regierungsrat schreibt, dass die Kosten für die Benutzung des Schienennetzes in den letzten Jahren tatsächlich gesunken seien. Warum diese Trassenpreissenkungen im Bahnverkehr nicht zur Senkung der Billettpreise führten, erklärte er so: «Sie verringerten die ungedeckten Betriebskosten der Bahnen, die der Kanton zu bezahlen hatte und halfen auch mit, die Angebotsverbesserungen der S-Bahn Aargau 2016 ff. zu finanzieren.»

Halbtax-Problematik auf kurzen Fahrten bleibt vorerst ungelöst

Die Regierung räumt ein, dass das Halbtax für kürzere Fahrten keine halben Billettpreise ergebe. Der Tarif halbiere sich tatsächlich erst ab einer bestimmten Anzahl Distanzkilometern bei Streckenbilletten oder ab einer bestimmten Anzahl Zonen in Verkehrsverbünden. «Dies hat mit dem distanzunabhängigen Sockelpreis zu tun, einem minimalen Betrag, den jeder Fahrgast in der Schweiz zu zahlen hat (vergleichbar mit dem Grundpreis beim Taxi)», schreibt die Regierung.

Die höheren Halbtax-Preise treten bei Reisen über die Tarifverbundgrenze auf, wenn vom Verbundtarif auf den Streckentarif gewechselt wird. Laut dem Regierungsrat erarbeitet die ÖV-Branche zurzeit einen Vorschlag für die Harmonisierung der beiden Tarifsysteme. Der Kanton unterstütze diese Bestrebungen, die eine Harmonisierung der Billettpreise zum Ziel haben.

Regierungsrat gegen Abos und Tageskarten für einzelne Zonen

Die Forderung der beiden Grossräte nach Tageskarten oder Abos für einzelne Zonen innerhalb der A-Welle beurteilt die Regierung kritisch. Bei anderen Tarifverbünden mit solchen Regelungen seien solche Angebote nur 10 bis 20 Prozent günstiger. In anderen Verbünden würden städtische Kernzonen doppelt gezählt (zum Beispiel ZVV oder Passepartout).

Der Regierungsrat hält fest, da sich die A-Welle über mehrere urbane Kernzonen mit Ortsbuslinien erstreckt (Baden, Aarau, Olten, Lenzburg, Zofingen, Wohlen), müssten mehrere Zonen als Doppelzonen gezählt und die Preisdifferenzierung angepasst werden. «Vor allem die Doppelzonen würden die Komplexität für die Kundinnen und Kunden stark erhöhen», gibt er zu bedenken. Zudem sei die Ausgestaltung des Preissystems grundsätzlich Sache der Tarifverbünde.

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