Drei Sonderermittler für einen Richter – wie Bundesstrafrichter Olivier Thormann die helvetische Justiz auf Trab hält
Am 14. Juni 2022 kündigte der ehemalige Uefa-Präsident Michel Platini am Fifa-Prozess in Bellinzona Strafanzeige gegen Olivier Thormann an. Es ging um angebliche falsche Zeugenaussage vor Gericht sowie Amtsgeheimnisverletzung.
Platinis Anwalt reichte die Anzeige wenig später bei der Bundesanwaltschaft ein. Diese setzte «für die Prüfung der Strafanzeige» einen ausserordentlichen Staatsanwalt ein: Thomas Weltert, ehemaliger Staatsanwalt in St.Gallen.
Die Sache ist verzwickt. Strittig ist unter Fachleuten, ob der Ermittler korrekt eingesetzt wurde. Denn: Thormann war einst Staatsanwalt des Bundes, mittlerweile ist er Bundesstrafrichter. Der Sachverhalt, um den es geht – die Eröffnung des Strafverfahrens gegen die damaligen Fifa-Grössen Sepp Blatter und Michel Platini im Jahr 2015 –, liegt in der Zeit, als er Staatsanwalt war. Und andere Staatsanwälte, die damals beteiligt waren, arbeiten immer noch bei der Bundesanwaltschaft (BA).
Wer war zuständig für die Einsetzung?
Auf Anfrage schreibt Andrea König, Sprecherin der Bundesanwaltschaft (BA): «Es liegt in der Zuständigkeit der BA, Anzeigen gegen eidgenössische Richterinnen und Richter zu bearbeiten, was auch vorliegend der Fall ist.» In Einzelfällen setze der Bundesanwalt für die BA einen ausserordentlichen Staatsanwalt ein, insbesondere um kurzfristig Ressourcen im operativen Bereich zu verstärken.
Im Verfahren gegen Thormann «wurde zudem bewusst ein ausserordentlicher Staatsanwalt ausserhalb des früheren Arbeitsumfelds der beanzeigten Person eingesetzt», so die Sprecherin.
Thormann ist allerdings auch Beschuldigter in einem weiteren Verfahren: im Strafverfahren der beiden Sonder-Bundesanwälte um die nicht protokollierten Treffen ehemaligen Bundesanwalts Michael Lauber und Fifa-Chef Infantino. Es geht dort ebenfalls um Fifa-Geschichten. Warum kümmern die Sonderermittler sich nicht auch um die Platini-Anzeige?
Patrick Gättelin, Leiter des Sekretariats der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA), hält fest: Von Gesetzes wegen ernenne die AB-BA ausserordentliche Staatsanwältinnen und Staatsanwälte des Bundes «dann, wenn als mögliche Täterinnen und Täter auch Staatsanwältinnen und Staatsanwälte der Bundesanwaltschaft in Frage kommen».
Die AB-BA sei von der BA über die Ernennung von Thomas Weltert in Kenntnis gesetzt worden.
Da die Strafanzeige nicht bei ihr eingegangen sei, habe die AB-BA eine allfällige Zuständigkeit nicht vorab geprüft. Fragen könnten sich auch zur Unabhängigkeit des Ermittlers stellen. Weltert ist Mitglied der dreiköpfigen Fachkommission Strafverfolgung in Innerrhoden. Präsident ist alt Bundesrichter Niklaus Oberholzer, Kanzleipartner von Infantinos Anwalt Dave Zollinger sowie Vertrauter von Lauber. Weltert und Oberholzer waren beide lange in der St.Galler Justiz tätig.
Zum Gang des Verfahrens sagte Weltert kürzlich auf Anfrage nur, es werde zurzeit geprüft, ob die Voraussetzungen für eine Verfahrenseröffnung erfüllt seien. Für Richter Thormann gilt die Unschuldsvermutung.