Glückse(e)ligkeit trifft Melancholie: Die zweite Ausgabe von «Wilhelmina» gehört der Natur
Der Auftakt von Wilhelmina – dem Fest der Künste – stand im vergangenen Sommer unter keinen einfachen Voraussetzungen. Dennoch habe man seinen Platz am Hallwilersee gefunden, sagt Walter Küng, Künstlerischer Leiter, kurz vor der zweiten Ausgabe des Festivals:
«Das Format Wilhelmina hat gegriffen. Unter Coronabedingungen können wir so weit zufrieden sein. Und obwohl das Wetter nicht optimal war, konnten wir alle Abende durchführen.»
Das Schloss Hallwyl ist eine eindrucksvolle Kulisse, doch scheint sein Pflaster kein einfaches zu sein für Musik und Theater unter freiem Himmel. 2020 war die Schlossoper Hallwyl nach 16 Jahren unsanft beerdigt worden. Und die bereits lange angekündigte Inszenierung «De Ring vo Hallwyl» des 2019 gegründeten Vereins Freilichttheater Seetal kann im Sommer 2023 scheinbar nicht stattfinden. Die nächsten Daten an einem anderen Spielort am Hallwilersee sind für 2024 angekündigt. Das Fest der Künste hingegen startet Mitte August wie geplant in die zweite Runde und umgeht so geschickt die Ballungszeit der Aargauer Klassikfestivals im Frühsommer.
Eine Hauptrolle für die historischen Mauern
Die diesjährige Ausgabe steht unter dem Motto «Natur», das sich, mal zurückhaltender mal prominenter, durch insgesamt sechs Programmpunkte zieht. Wieder hat sich Walter Küng zur Aufgabe gemacht, der Umgebung eine Hauptrolle auf den Leib zu schreiben: «Wir beschwören an diesen Abenden die Glückseligkeit und die Melancholie», sagt Walter Küng. «Es gibt eine inszenierte romantische Serenade, an der vor verführerischer Kulisse von der Liebe gesungen und gesprochen wird. Und dann gibt es den Abend im Schloss Brestenberg, wo man zunächst dem Zerfall und der Vergänglichkeit der alten Mauern begegnet, um dann schliesslich bei einem rauschenden Fest im Park den Beginn einer Zukunft mit einem euphorischen Fest feiert.» Das Schloss Brestenberg war bisher für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Das ändert sich nun mit der Inszenierung, so der künstlerische Leiter:
«Der Abend ist damit als Ouvertüre zu verstehen.»
Die grosse Oper, wie sie einst im Schloss Hallwyl stattfand, wird es auch in diesem Jahr nicht geben. «Dass wir dieses Konzept nicht nachahmen, war von Anfang an die Ansage von Wilhelmina», sagt Walter Küng. Im letzten Jahr gab es jedoch eine aufwendig inszenierte Operette, die man im aktuellen Programm vergeblich sucht. «Das Musiktheater wird in diesem Jahr auf etwas kleinerer Flamme gekocht, weil wir nächstes Jahr etwas grösseres Musiktheatrales planen», verspricht Küng.
Für das Publikum – und mit dem Publikum
Was sich aber im ersten Jahr, im aktuellen, zweiten Jahr und voraussichtlich auch im nächsten Jahr im Programm zeigt, ist das Einbinden der Gäste. Bei ihnen sei das Publikum nicht nur Zuschauer, erzählt Küng: «Ein roter Faden, der sich durch unsere Projekte zieht, ist, dass das Publikum zum Tanzen gebracht wird. Vielleicht ist das eine Sprache von Wilhelmina: Bühne, Schloss und Publikum sind nicht strikt getrennt. Unsere Stücke sind rund um einen herum und man ist mitten in ihnen drin.»
Viele der Beteiligten hinter den Kulissen stammen aus der Region, viele von ihnen waren schon im letzten Jahr dabei und wollen sich auch für die nächste Durchführung engagieren. Und auch auf der Bühne stehen Menschen aus der Nachbarschaft. So üben zurzeit Schulkinder für ihren Auftritt in Erich Kästners «Konferenz der Tiere».
Musiktheatrale Highlights sind die Serenade Deine Augen funkeln wie die Sterne in der Nacht! und der Besuch im Brestenberg! sowie das Kinderstück Jugendlicher Übermut. Kulinarisch wird es bei Laut & Luise, das nicht nur Musik serviert, sondern auch ein Glas Wein, und zu Fern hallt es im Schlosse – das Jagdhorn ruft gehört ein frühherbstliches Jagdessen. Das Festival schliesst mit einem Schlosshofkonzert des Kammerensembles des Jugend-Sinfonieorchester Aargau.
Und der Ausblick, das Versprechen für die nächste Wilhelmina-Ausgabe? «In der Recherche bin ich auf zwei Frauenfiguren aus der Region gestossen», verrät Walter Küng, «die Erste heisst Helene Fischer. Statt in das Stromunternehmen ihrer Familie einzusteigen, wurde sie zunächst Ski-Rennfahrerin, dann konzertierte sie als Geigerin in Amerika und wurde schliesslich eine Fotografin, die mit Grössen wie Ernest Hemingway und Leni Riefenstahl befreundet war. Die Zweite, 45 Jahre später geboren, ist Ursula Rodel. Sie hat für Fellini und Lars von Trier Filme ausgestattet, gründete ein erfolgreiches Modelabel und galt als Ikone der Schweizer Lesbenbewegung.»
Diesen beiden Frauen werden – im kommenden, dritten Wilhelmina-Jahr – drei Inszenierungen gewidmet.