SP und Grüne kritisieren Steuerstrategie – Mitte und GLP verlangen ausgewogenes System – Handelskammer und FDP fordern tiefere Firmensteuern
Die Grünen begrüssen es, dass ein Planungsbericht über die künftige Steuerstrategie erarbeitet wurde. Dieser zeige auf, wo die Regierung die Schwerpunkte setzen wolle, schreibt Fraktionschef Robert Obrist. Damit beginne eine überfällige Diskussion über die Finanzpolitik und darüber, wie der «Service Public» ausgestaltet und wie Entwicklungsschwerpunkte finanziert werden sollten.
Deutlich weniger positiv bewerten die Grünen die Steuerstrategie des Regierungsrats inhaltlich. Solange nicht klar sei, welche Ausfälle die im Mai beschlossene Unternehmenssteuerreform bringe, will sich die Partei gegen jede weitere Steuersenkung wehren. Obrist rechnet mit jährlichen Kostensteigerungen von 2 bis 4 Prozent im Gesundheitswesen und höheren Ausgaben für die Prämienverbilligung.
Die Grünen befürchten, dass mit der Umsetzung der Steuerstrategie das Geld fehlen könnte, um Zukunftsprojekte zu finanzieren. Obrist nennt unter anderem die im Entwicklungsleitbild 2021-2031 von der Regierung festgelegten Schwerpunkte, wie Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Frühförderung von Kindern, oder Klimaschutz und Klimaanpassung. Grundsätzlich hält er fest, der Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen sei kein zukunftsgerichtetes Modell.
SP kritisiert, der Regierungsrat locke und begünstige nur Reiche
Noch schärfer fällt die Kritik der SP aus, sie wirft dem Regierungsrat vor, dieser verliere den Bezug zur Bevölkerung. Die Steuerstrategie befeuere den ruinösen interkantonalen Steuerwettbewerb, kritisieren die Sozialdemokraten. Und weiter:
«Der Aargau lockt und begünstigt Reiche und vergisst und bestraft Armut. Vorab geht es um Steuererleichterungen und Kompensationen für Grossunternehmen, Gutverdienende und Vermögende.»
Die SP kritisiert weiter, dass der Kanton die Strategie saldoneutral umsetzen wolle. Dies heisse, dass die kleinen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für die Ausfälle der Unternehmen und Reichen aufkommen müssten. Bei den Kleinstverdienenden werde die Schraube angezogen, kritisierte die SP: Der Pauschalabzug werde gestrichen, mit dem möglichen Effekt, dass Betroffene künftig mehr Steuern zahlen müssten.
«Die vorliegende Strategie reisst Löcher in die Staatsfinanzen und schwächt so den Service Public», lässt sich Grossrätin Lelia Hunziker zitieren, «und das in einer Zeit, in welcher der Staat mehr denn je für Grundgüter wie Bildung, Gesundheit, Energie und Verkehr sorgen muss».
Mitte: Mehrbelastung der Eigenheimbesitzer kompensieren ist richtig
Die Mitte zeigt sich in einer Mitteilung erfreut, dass der Regierungsrat auf ihre Forderung eingegangen sei «und die Mehrbelastung für die Eigenheimbesitzer aus der Steuergesetzrevision Schätzungswesen zu einem wesentlichen Teil kompensieren will.» Dabei geht es um rund 65 Millionen Franken, die dem Kanton zufliessen und über tiefere Vermögenssteuern an die Bevölkerung zurückgegeben werden sollen.
Aus Sicht der Partei muss es gelingen, längerfristig ein ausgewogenes Steuersystem für alle zu erreichen. Dazu sagt Fraktionspräsident Alfons Kaufmann: «Wirtschaft und Privatpersonen müssen überzeugt werden, dass im Kanton Aargau für alle gerechte Steuern erhoben werden.» Auch der Grundsatz der Saldoneutralität wird von der Mitte gutgeheissen. Es werde sich aber erst noch zeigen müssen, wie sich dies realisieren lasse.
GLP: Steuersenkung darf Handlungsspielraum nicht zu sehr einschränken
Die Grünliberalen unterstützen die Zielsetzung der Steuerstrategie, den Aargau als Wohn- und Wirtschaftsstandort zu stärken und im Kantonsvergleich steuerlich besser zu positionieren. Dabei gelte es zu beachten, dass die Steuerbelastung und das Leistungsniveau für eine nachhaltige Steigerung der Attraktivität im Gleichgewicht sein sollten.
Die GLP hält fest, dass sich die Mehrerträge für den Kanton auf die zwingende Anpassung im Schätzungswesen beschränken, die auf den aktuell rechtswidrigen Zustand beim Eigenmietwert zurückzuführen ist. Bei der Beratung sei deshalb zu prüfen, wie stark die Vermögenssteuern «zwecks Kompensation der Mehrbelastung der Eigenheimbesitzerinnen und Eigenheimbesitzer reduziert werden können, ohne dass der weitere Handlungsspielraum zu sehr eingeschränkt wird».
EVP will Festsetzung der Steuerstrategie um zwei Jahre verschieben
Die EVP schreibt, die geplanten Massnahmen der Steuerstrategie belasteten zum wiederholten Male vermögendere Schichten zuungunsten Ärmerer. Die Partei sieht die geplante Rückgabe der Mehreinnahmen aus dem höheren Eigenmietwert über tiefere Vermögenssteuern kritisch. Diese Gelder würden «angesichts des prognostizierten jährlichen kantonalen Haushaltsdefizits im dreistelligen Millionenbereich an anderer Stelle dringend benötigt».
Die geplante Kompensation erhöhe das Risiko allgemeiner Steuererhöhungen zum Ausgleich des defizitären Kantonshaushalts massiv. «Hauptleidtragender ist der Mittelstand – besonders Immobilienbesitzende ohne grosse Vermögenswerte, welche doppelt – im Falle kommunaler Steuererhöhungen gar dreifach – bezahlen, ohne nur im Geringsten zu profitieren», schreibt die EVP.
Aufgrund der schwer abschätzbaren Entwicklung des Kantonshaushaltes sowie den Auswirkungen der Unternehmenssteuersenkung erachtet die EVP den aktuellen Zeitpunkt als ungeeignet zur Festsetzung der strategischen Grundsätze. Eine Verschiebung um zwei Jahre wäre einer transparenten und fundierten Strategie dienlicher, findet die Partei.
FDP: Steuersenkung für höhere Einkommen und Vermögen wichtig
Die Freisinnigen halten fest, dass der Aargau bei den tieferen Einkommen schon heute steuerlich attraktiv sei. Mit einer Reduktion des Steuersatzes für höhere Einkommen sowie der Vermögenssteuer, wie es die Regierung vorsieht, werde man auch in diesen Bereichen wettbewerbsfähiger. «Die gezielte Entlastung von Eigenheimbesitzern durch die Mehreinnahmen der Gesetzesrevision beim Schätzungswesen entspricht einer FDP-Forderung und wird sehr begrüsst», hält die Partei fest
Mit erhöhten Abzugsmöglichkeiten von Drittbetreuungskosten werde zudem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützt und dem Fachkräftemangel entgegengewirkt. Bei der Unternehmensbesteuerung sieht die FDP weiterhin Handlungsbedarf, zumal der Aargau im letzten Standortrating der CS von Rang 5 auf Rang 7 abgerutscht sei. «Unsere Ambition muss sein, bei der Standortattraktivität die Nummer 1 unter allen Kantonen zu werden», sagt Fraktionschef Silvan Hilfiker.
Erst im Mai hat das Aargauer Stimmvolk einer schrittweisen Senkung der Unternehmenssteuern auf 15,1 Prozent zugestimmt. In der Steuerstrategie der Regierung ist vorerst keine weitere Senkung der Belastung für Firmen vorgesehen. Dies sei zwar verständlich, wirke jedoch auch zögerlich und sei nicht im Sinne der Attraktivität, kritisiert die Aargauische Industrie- und Handelskammer (AIHK). Direktor Beat Bechtold gibt zu bedenken: «Andere Kantone rücken bereits vor, so dürften in Baselland bis 2025 weitere Senkungen folgen. Es ist deshalb notwendig, schon heute die Diskussion über neue Unternehmenssteuersenkungen zu eröffnen.» Für eine ordentliche Gegenfinanzierung wäre gesorgt, schreibt die Handelskammer: «Mit der Umsetzung der OECD-Mindeststeuer und der Steuergesetzrevision zum Schätzungswesen kommen für die Übergangszeit Mehreinnahmen in die Staatskasse.»