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Militärübungen, Lügen und der Überfall: So kam es zum Angriffskrieg der Russen gegen die Ukraine

Vor exakt einem halben Jahr hat Russland die Ukraine mit einem gross angelegten Angriff überfallen. Seither tobt ein offener Krieg, der schon seit 2014 in der Luft liegt. Eine Übersicht über die bisherigen Ereignisse.

Ab Februar 2014,

Annexion der Krim und Kampf um den Donbass

Nach den politischen Spannungen in der Ukraine im Zuge des «Euromaidan» im Februar 2014 kommt es auf der Krim zu Auseinandersetzungen. Antirussische und moskautreue Demonstranten bekämpfen sich. Ende Februar besetzen Bewaffnete mit grünen Uniformen ohne Hoheitszeichen die Halbinsel.

Maskierte Soldaten ohne Hoheitsabzeichen kaufen im März 2014 in einem Supermarkt auf der Krim ein. International wurden sie als «grüne Männchen» bezeichnet.
Vadim Ghird / Keystone

Im Anschluss an die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch die Russische Föderation folgte – mit dem Aufbau prorussischer Milizen in den ostukrainischen Oblasten Donezk und Luhansk – der Krieg. Die Minsker Abkommen von 2014 und 2015 sollten die Situation entschärfen und sahen einen dauerhaften Waffenstillstand vor. Tatsächlich wurde der Konflikt aber nur teilweise «eingefroren». Tote und Verletzte gab es weiterhin. Der lokale Konflikt war nur ein Vorbote der Katastrophe.

September 2021:,

Nach der Militärübung: Die Ukraine in der Zange

Alle zwei Jahre führen russische und weissrussische Truppen gemeinsam die Militärübung «Sapad» durch. So auch im September 2021, doch diesmal kehren die Truppen nicht in ihre Kasernen zurück. Über 100’000 russische Soldaten bringen sich in Grenznähe zur Ukraine in Position, darunter auch Truppen der Nationalgarde.

Im November befürchtet die US-Regierung – aufgrund der ungewöhnlich grossen Truppenkontingente die Russland um die Ukraine zusammenzieht – einen Einmarsch in der Ukraine.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat den Angriff auf die Ukraine von langer Hand geplant.
Ivan Sekretarev / AP

Russlands Staatschef Wladimir Putin sagte dazu:

«Es geht nicht darum, Truppen dorthin zu schicken oder zu kämpfen, sondern darum, die Beziehungen zu verbessern.»

Bereits im Juli 2021 jedoch hatte Putin ein vielsagendes Essay «Zur historischen Einheit von Russen und Ukrainern» veröffentlicht, indem er der Ukraine die staatliche Souveränität abspricht. Auch Mitte Februar hat Russland seine Truppen nicht abgezogen. Die USA warnen mittlerweile eindringlich vor einem russischen Einmarsch in der Ukraine.

Der russische Aussenminister Sergej Lawrow verleugnete die kriegerischen Absichten Russlands bis zum Beginn der Invasion.
Natalia Kolesnikova / Pool / EPA

Der russische Aussenminister Sergej Lawrow beschwichtigt nach einem Treffen mit US-Aussenminister Anthony Blinken:

«Russland bedroht niemanden und überfällt kein Land.»

Seine Aussage ist eine Lüge, denn der russische Einmarsch in der Ukraine ist zu diesem Zeitpunkt längst beschlossen.

21. Februar 2022:,

Putin entsendet Truppen in den Donbass

Am Abend des 21. Februars anerkennt Putin die sogenannten «Volksrepubliken» Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten. Zudem kündigt er in einer Fernseh-Ansprache an, russische Soldaten zu entsenden, um den «Frieden» zu sichern. Putin bezeichnet die Ukraine als «gefährlichen Marionettenstaat der USA» und wirft dem Land vor, an eigenen Atomwaffen zu arbeiten. Noch am selben Abend werden russische Panzerkolonnen in der Region Donezk gesichtet.

24. Februar 2022:,

Die Invasion beginnt

Putin will die ganze Ukraine. Am frühen Morgen des 24. Februars beginnt die russische Invasion – eine Zäsur. Putin erklärt der Ukraine den Krieg: «Wir streben eine Demilitarisierung und Denazifizierung der Ukraine an», sagte er. Er habe deshalb beschlossen, eine «Militärische Spezialoperation» durchzuführen.

März 2022:,

Die Ukraine hält Kiew

Die ukrainischen Grossstädte stehen unter Beschuss. Am 3. März bringen russische Truppen mit Cherson in der Südukraine die erste Gebietshauptstadt unter ihre Kontrolle. Aufgrund der anhaltenden Kämpfe werden die EU-Sanktionen gegen Russland und Weissrussland ausgeweitet.

Mitte März erreichen die russischen Eroberungen ihre bisher grösste Ausdehnung seit dem Kriegsausbruch am 24. Februar
Infografik CH Media

Die ukrainischen Streitkräfte verteidigen Kiew erbittert. Mit Erfolg: Zum Ende des Monats kündigt Russland eine Änderung seiner Kriegsstrategie an. Die «Spezialoperation» soll sich zukünftig auf die Ostukraine konzentrieren. Daraufhin ziehen sich die Aggressoren aus der Region Kiew zurück.

April 2022:,

Grossoffensive im Osten, Kriegsverbrechen in Butscha

Die abgezogene russische Armee hinterlässt eine Spur der Verwüstung. In der Kleinstadt Butscha werden Massengräber mit getöteten Zivilisten entdeckt, so wie überall rund um Kiew.

Ukrainische Soldaten finden im Kiewer Vorort Butscha hunderte Leichen.
Vadim Ghirda / AP

Alleine bis Mitte April werden mehr als 1200 Leichen entdeckt. Die EU und die USA beschliessen daraufhin weitere Sanktionen.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski.
Ukrainian Presidential Press / AP

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski appelliert an den Westen, mehr Waffen zu liefern. Er warnt:

«Polen, Moldawien, Rumänien und die Baltischen Staaten werden die nächsten Ziele sein, wenn die Freiheit der Ukraine fällt.»

Dann startet die «Schlacht um den Donbass» – die russische Grossoffensive in der Ostukraine. Gleichzeitig sind rund 130’000 Menschen in der belagerten Hafenstadt Mariupol eingeschlossen.

Mai 2022:,

Mariupol fällt, EU beschliesst Teil-Boykott

Am 20. Mai kapitulieren die letzten Verteidiger Mariupols, die sich auf dem Gelände des Asowstahl-Stahlwerks verschanzt haben – nach monatelangem Widerstand. Die Stadt ist komplett zerstört.

Das Asowstahl-Stahlwerk in der Hafenstadt Mariupol: Die Verteidiger leisten monatelangen Widerstand gegen die russischen Aggressoren, bis auch das Stahlwerk fällt. Die Kämpfer geraten in russische Kriegsgefangenschaft.
Sergei Ilnitsky / EPA

Ende Mai verständigen sich die EU-Staaten in Brüssel auf einen Teil-Boykott russischer Öl-Importe. Im Donbass rücken die russischen Truppen weiter vor.

Juni 2022:,

Russland rückt im Osten vor, Nato will Truppen aufstocken

Die russische Armee führt ihre überlegene Artillerie ins Feld in der Ostukraine. Die USA wollen der Ukraine deshalb westliche Waffensysteme mit grösserer Reichweite liefern. Darunter sind auch einige Himars-Mehrfachraketenwerfer. In der Folge reduziert der russische Staatskonzern Gazprom die Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream.

Die USA liefern der Ukraine mehrere Himars-Mehrfachraketenwerfer. Mit ihnen kann die ukrainische Armee auch Ziele hinter der Front angreifen.
Tony Overman / AP

Der russische Angriffskrieg hat auch Auswirkungen auf das transatlantische Verteidigungsbündnis: Die Nato will ihre schnelle Eingreiftruppe auf mehr als 300’000 Soldaten erhöhen. Finnland und Schweden wollen dem Bündnis beitreten.

Juli 2022:,

Getreidedeal und Gas-Notfallplan

Die russische Armee erobert Anfang Juli die ostukrainische Stadt Lyssytschansk. Damit hat Russland das gesamte Gebiet Luhansk unter seine Kontrolle gebracht. Die Kämpfe verlagern sich auf das Gebiet Donezk.

Während die russische Armee in der Ostukraine weiter vorrückt, kann die Ukraine im Süden kleinere Gebietsrückeroberungen verzeichnen.
Infografik CH Media

Unterdessen scheinen die westlichen Waffenlieferungen ihre Wirkung zu zeigen: Vermehrt werden russische Munitionsdepots weit hinter der Front getroffen. Bei Gesprächen in Ankara erzielen Russland und die Ukraine derweil eine Einigung im Streit um die für die weltweite Nahrungsmittelversorgung wichtigen ukrainischen Getreide-Exporte. Nur einen Tag später treffen russische Raketen den für den Export wichtigen Hafen von Odessa.

August 2022:,

Krim unter Beschuss und Sorge um Atomkraftwerk

Mehrmals erschüttern Explosionen die russisch besetzte Krim und das Gebiet Cherson. Unterdessen soll auch die Krimbrücke bei Kertsch ein Ziel der ukrainischen Angriffe sein. Die Ukraine geht zum Gegenangriff im Süden über und schneidet den russischen Nachschub bei Cherson ab.

Auf der Halbinsel Krim ereignen sich zahlreiche Explosionen. Unter anderem werden russische Militärflugplätze und Munitionsdepots getroffen. Sie vermiesen den russischen Touristen den Urlaub.
AP

Gleichzeitig spitzt sich die Situation rund um das AKW Saporischschja immer weiter zu – die Kriegsparteien werfen sich gegenseitig den Beschuss des Geländes vor.

Trotz Ermüdungserscheinungen prorussischer Separatisten tobt der Krieg im Osten des Landes weiter. Relevante Gebietsgewinne kann im Moment keine Kriegspartei verzeichnen, mehr als 11 Millionen Menschen sind aus der Ukraine geflüchtet. Ob und wann der Krieg vorbei sein wird, steht in den Sternen.