Knappes Verdikt: Verrechnungssteuer fällt an der Urne durch
Nach dem deutlichen Nein zur Abschaffung der Emissionsabgabe im Frühling erleiden Bundesrat und Parlament bereits die zweite steuerpolitische Niederlage: Das Stimmvolk spricht sich mit 52 Prozent knapp gegen die Teilabschaffung der Verrechnungssteuer aus. Die Stimmbeteiligung lag bei 51,7 Prozent.
Vor allem die Westschweizer Kantone lehnten die Vorlage teilweise mit über 60 Prozent deutlich ab – etwa die Kantone Neuenburg und Jura. Fast 63 Prozent Ja-Stimmen gab es dagegen in den Kantonen Zug und Nidwalden.
Mit der Reform wollten Bundesrat und Parlament den Fremdkapitalmarkt stärken und Hindernisse bei der Konzernfinanzierung beseitigen. Dazu sollte die Verrechnungssteuer auf Zinsen von neu ausgegebenen inländischen Obligationen und auf Zinserträgen von Anlagefonds abgeschafft werden – genauso wie die Umsatzabgabe auf inländischen Obligationen. Nicht betroffen von der Reform waren die Zinsen auf Guthaben auf dem Bankkonto und auf Dividenden.
So funktioniert die Verrechnungsseuer
Die Verrechnungssteuer ist eine Sicherungssteuer. Der Bund erhebt sie in Höhe von 35 Prozent auf Einkommen aus Zinsen und zieht sie direkt ab. In der Schweiz wohnende Privatpersonen können das Geld zurückfordern, wenn sie die Zinsen in der Steuererklärung angeben. Auf Zinsen von Obligationen fällt die Steuer bislang nur an, wenn die Titel in der Schweiz ausgegeben wurden.
Die Befürworter erhofften sich, dass die Konzerne ihre Finanzierungsaktivitäten künftig wieder in der Schweiz durchführen, Arbeitsplätze schaffen und hier mehr Steuern bezahlen als im Ausland. Zudem sollte der Finanzplatz profitieren, denn der Fremdkapitalmarkt ist im Vergleich zum Ausland «unterentwickelt», wie Finanzminister Ueli Maurer in der Parlamentsdebatte sagte.
Heute emittieren Unternehmen Obligationen oft im Ausland. Der Grund: Die Rückforderung der Verrechnungssteuer ist für ausländische Anleger aufwendig, sie können nicht immer den ganzen Betrag zurückfordern und ihnen fehlen liquide Mittel, wenn sie auf die Rückerstattung warten müssen.
Linke sehen in Reform Einladung zur Steuerhinterziehung
Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) rechnete mit jährlichen Steuerausfällen von 215 bis 275 Millionen Franken. Dazu kommen kurzfristige, einmalige Mindereinnahmen von über einer Milliarde Franken. Allerdings sollte die Reform dank der durch sie angestossenen Änderungen Mehreinnahmen künftig selbstfinanzierend sein.
Daran zweifelten SP, Grüne, EVP und die Gewerkschaften. Sie haben daher das Referendum gegen die Reform ergriffen. Die Linken befürchteten etwa, dass durch die Reform der Sicherungszweck geschwächt wird, was Steuerhinterziehungen begünstigen könnte. Zudem sahen sie in der Teilabschaffung eine weitere Belastung für den Bundeshaushalt.