Verdacht auf Sabotage in James-Bond-Manier: Haben Russen Nordstream gesprengt?
Höchst Eigenartiges ereignete sich in der Ostsee unweit der dänischen Insel Bornholm am Montag: Aus den Tiefen des Meeres stiegen plötzlich grosse Mengen an Gas auf. Fotos aus einem F-16 Kampfjet der dänischen Luftwaffe zeigen den Blasenteppich mit rund 100 bis 200 Metern Durchmesser.
Der Grund: In der Nordstream 1 Gaspipeline ist ein Leck aufgetreten. Und ebenso in der Nordstream 2 Pipeline, die parallel dazu verläuft. Insgesamt drei Löcher haben die Behörden entdeckt. Eines in schwedischen und zwei in dänischen Gewässern. Der Schiffverkehr muss die Region umfahren.
Dänische Premierministerin: «Unfall ist schwierig vorzustellen»
Was die Ursache der Schäden ist, ist noch unklar. Aber vieles deutet auf einen gezielten Sabotageakt hin, zumal Brüche in den äusserst robust gebauten Pipelines höchst unwahrscheinlich sind. «Es gibt drei Lecks, weshalb es schwierig ist sich vorzustellen, dass es sich um einen Unfall handelt», sagte die dänische Premierministerin Mette Frederiksen.
Für den polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Moraweicki ist der Fall hingegen eindeutig: «Wir sehen klar, dass es ein Sabotageakt ist, in Verbindung einer weiteren Eskalation der Situation in der Ukraine».
Tatsächlich hat das nationale seismische Netzwerk Schwedens zwei Ereignisse mit «massiven Energiefreisetzungen» in der Region registriert. Mit anderen Worten: Explosionen. Eine soll laut Medienberichten in der Nacht auf Montag stattgefunden haben, eine am frühen Montagabend.
Deutsche Sicherheitskreise: Kann nur ein staatlicher Akteur gewesen sein
Falls es sich wirklich um einen Anschlag handelt, kommt gemäss deutschen Sicherheitskreisen wegen dem technischen Aufwand eigentlich nur ein staatlicher Akteur infrage. Der Verdacht fällt dabei schnell auf Moskau: Haben die Russen die beiden Nordsee-Pipelines gesprengt?
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow weiss von nichts. Man sei «extrem besorgt», liess er mitteilen und sagt: «Dies ist eine noch nie dagewesene Situation, die dringend untersucht werden muss.»
Aber selbst wenn die Russen es waren, muss man sich fragen: Weshalb hätten sie das tun sollen? Die Pipelines waren zwar mit Gas gefüllt. In Nordstream 2 zum Beispiel befanden sich 117 Millionen Kubikmeter, um den nötigen Betriebsdruck aufrecht zu erhalten.
Aber nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar ist durch die erst im vergangenen Herbst fertiggestellte Pipeline gar nie Gas nach Deutschland geflossen. Nordstream 1 hat Putin vor einigen Wochen stilllegen lassen, um den Druck auf die EU und die Gaspreise zu erhöhen.
Die Vermutung ist deshalb, dass Russland mit einer Sabotageaktion genau das zum Ziel haben könnte: Verunsicherung auf den Märkten stiften und die Preise in die Höhe treiben. Tatsächlich machten die zuletzt gesunkenen Gaspreise am Dienstag wieder einen deutlichen Sprung von rund zehn Prozent.
Neben dem wirtschaftlichen Druck könnte es aber auch darum gehen, eine symbolische Warnung auszusenden. Diese lautet, dass man in der Lage ist, auch andere Pipelines ins Visier zu nehmen. Zum Beispiel die just am Dienstag eröffnete baltische Pipeline, die Gas direkt aus Norwegen nach Polen bringt und in der Nähe der jetzigen Lecks durchgeht.
Darüber, wie Russland eine mutmassliche Sprengung der Nordsee-Pipelines bewerkstelligt hätte, kann nur spekuliert werden. Bekannt ist aber, dass Russland über Spezial-U-Boote verfügt, die solche Operationen wohl vornehmen könnten.