Missbrauchsvorwürfe an den Bühnen Bern: Ballettmeister soll Tänzerinnen verbal und physisch belästigt haben
Ehemalige Tänzerinnen des Berner Balletts berichten in der neuen Ausgabe der «Zeit» von anzüglichen Kommentaren und unangemessenen Berührungen durch den Ballettmeister. Tänzerinnen, die auf seine Avancen nicht reagiert hätten, sollen beruflich benachteiligt worden sein. Zeugen berichten, es habe geradezu eine sexuell aufgeladene Stimmung am Haus geherrscht. Tänzerinnen seien während den Proben mit Sätzen wie «Du erregst mich mit deinem Tanz» oder «Mit solchen Brüsten solltest du ein engeres T-Shirt tragen» konfrontiert worden sein.
Offener Brief an die Leitung
Mehrere Beschwerdebriefe an die Direktion im März 2021 hätten den Fall schliesslich ins Rollen gebracht, berichtet die Zeitung. Das subventionierte Mehrspartenhaus habe daraufhin eine externe Untersuchung veranlasst. Der Ballettmeister, der dem fünfköpfigen Leitungsteam der Ballettsparte angehört, sei darauf zwei Monate beurlaubt worden. Der 61-seitige Untersuchungsbericht schildert gemäss «Zeit» Massagen ohne Einverständnis, unangemessene Berührungen bei den Proben und verbale Anzüglichkeiten wie Aufforderungen zum Sex. Die Juristen kommen in ihrem Abschlussbericht, welcher der «Zeit» vorliegt, zum Schluss, dass der Verdacht der verbalen Belästigung zutreffend sei. Den Verdacht der körperlichen Belästigung hingegen konnte man wegen zu vager Beschreibungen nicht erhärten. Der Bericht hätte eine Verwarnung des Ballettmeisters empfohlen.
Der Beschuldigte sei im August 2021 wieder auf seinen Posten zurückgekehrt. «Ich habe darauf gewartet, dass er oder jemand von der Leitung mit uns nochmals über die Belästigungen spricht. Oder dass man uns sagt, was für Massnahmen nun ergriffen werden, was für Kontrollinstanzen es gibt. Aber es haben einfach alle geschwiegen», erklärt eine Betroffene gegenüber der «Zeit». Der Ballettmeister habe sein Verhalten gemäss Aussagen mehrere Tänzerinen und Tänzer nicht geändert. Im Sommer 2021 hätten acht von ihnen das Haus verlassen müssen. Der Ballettmeister sei hingegen nach wie vor auf seinem Posten.
Der Berner Fall ist nicht der erste seiner Art. Erst im Juni 2022 hatte die «Zeit» Missbräuche an der Tanzakademie Zürich aufgedeckt. Die körperliche Unversehrtheit der Ballettschülerinnen und Ballettschüler sei wegen rigoroser Proben gefährdet gewesen. Einzelne Absolventinnen und Absolventen seien in die Magersucht getrieben worden. Die damaligen Leiter der Schule, Oliver Matz und Steffi Scherzer, mussten ihre Posten inzwischen räumen. Auch das Béjart Ballet in Lausanne war wegen Mobbingvorwürfen in die Kritik geraten. Auch hier hatte das Verhalten personelle Konsequenzen.