Forscher fanden Ärzte, die sehr oft Antibiotika verschreiben – neue Test sollen Abgabe reduzieren
Die Daten, die den Forschenden von den drei grössten Krankenkassen zur Verfügung gestellt wurden, waren anonymisiert. Dennoch gelang es dem Team um den Basler Epidemiologen Heiner Bucher herauszufinden, welche Ärzte besonders häufig Antibiotika verschreiben. «Aus den Abrechnungsdaten von Krankenkassen lässt sich für einzelne Patientinnen und Patienten herauslesen, wann, für was und in welcher Praxis sie ein Antibiotikum erhalten haben», schreibt der Schweizerische Nationalfonds (SNF), der die Studie mitfinanziert hat, am Dienstag in einer Mitteilung.
«Auch wenn wir weder Namen noch Adressen sahen, konnten wir alle Antibiotikaverschreibungen bestimmten Ärztinnen und Ärzten zuordnen», wird Projektmitarbeiterin Soheila Aghlmandi in der Mitteilung zitiert. Wer viele Antibiotika verschreibe, könne so ein Feedback erhalten, ohne persönlich identifiziert zu werden.
Im Rahmen des Projektes erhielten 1500 Ärztinnen und Ärzte mit eher hohem Antibiotikaeinsatz jeweils alle drei Monate eine Rückmeldung. «Innerhalb der Studiendauer von zwei Jahren führten die Massnahmen allerdings zu keiner Verbesserung der Verschreibungspraxis», heisst es in der Mitteilung weiter.
Für schweizweite Überwachung müssen Krankenkassen Daten liefern
Aghlmandi zeigt sich in der Mitteilung dennoch zufrieden. «Wir haben gezeigt, dass man den Antibiotikagebrauch in der Grundversorgung kontinuierlich erfassen könnte». Dies lasse sich zu einem schweizweiten Überwachungssystem ausbauen. Voraussetzung dafür sei, dass die Krankenkassen die erforderlichen Daten lieferten.
Eine zweite vom SNF finanzierten Studie zur Antibiotika-Verschreibung zeigte hingegen einen direkten Erfolg: Am Waadtländer Universitätsspital CHUV wurde um die Ärztin Noémi Boillat Blanco ein Diagnose-Verfahren erarbeitet um die Abgabe von unnötigem Antibiotika bei einer Lungenentzündung zu reduzieren. Ist der Grund dafür nämlich eine virale und keine bakterielle Infektion, nützen Antibiotika nichts.
Das Team am CHUV kombinierte ein Lungen-Ultraschall mit einem sogenannten Procalcitonin-Test. Beide Methoden für sich seien zu ungenau, dachte man. Dreissig Hausärzte und Hausärztinnen, welche das neue Vorgehen anwandten, verabreichten einen Drittel weniger Antibiotika als dreissig Kollegen in der Kontrollgruppe.
Ein Schnelltest könnte viele Antibiotika-Verschreibungen verhindern
Überraschenderweise reichte aber alleine schon der Procalcitonin-Test. Dieser fiel meist so schwach aus, dass ein Lungenultraschall nicht mehr nötig war, weil auch so schon klar war, dass die Lungenentzündung höchst wahrscheinlich nicht bakteriell bedingt war.
Auf die Genesung der Patientinnen und Patienten habe die geringeren Antibiotikaverschreibungen keinerlei negativen Auswirkungen gehabt, schreiben die Forschenden. «Das heisst, wir können mit dem Procalcitonin-Test die Antibiotikaverschreibungen deutlich reduzieren, ohne dass die Behandlungsqualität darunter leidet», sagt Noémie Boillat Blanco. Deswegen hat die Schweizerische Gesellschaft für Infektiologie den Test in ihre Leitlinien zum Behandlungsmanagement von Lungenentzündungen aufgenommen. Ob sich der Test durchsetzt, hängt aber davon ab, ob er von den Krankenkassen bezahlt wird. Die Handhabung jedenfalls ist ähnlich einfach wie ein Corona-Schnelltest.
Hintergrund der Studien ist das Problem von Antibiotikaresistenzen: Häufiger und unsachgemässer Einsatz von Antibiotika kann dazu führen, dass sich bei bestimmten Bakterienstämmen jene Mutationen durchsetzen, denen die Antibiotika nichts anhaben können. In der Veterinärmedizin werden daher Anstrengungen unternommen, den Antibiotikaeinsatz zu vermindern. Dabei gibt es erste Erfolge, in der Humanmedizin bleiben diese bisher aus.