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Von Autoposern bis zur Zuwanderung – das war das Wahlpodium in Aarburg

Die Gemeinderatskandidaten Mario Cadinu, Michèle Wehrli, Ronald Url und Patrick Kilchenmann stellten sich am Donnerstagabend den Fragen von ZT-Chefredaktor Philippe Pfister und aus dem kritischen Publikum.

Den Menschen die Gemeindepolitik näher bringen – das war das Ziel der SVP-Ortspartei, als sie sich dazu entschied, ein Podium mit den Gemeinderatskandidierenden zu organisieren. Noch selten war die Auswahl so gross. Gleich sechs Personen kandidieren für den freigewordenen Sitz von Fredy Nater (FDP): Mario Cadinu (SP), Michèle Wehrli (parteilos, portiert von Die Mitte), Ronald Url (parteilos), Patrick Kilchenmann (SVP), Patrick Müller (FDP) und Christian Schwizgebel (parteilos). Die ersten vier konnte die Aarburger Frau Vizeammann Martina Bircher (SVP) auf dem Podium begrüssen – dazu auch fast 40 interessierte Personen im Publikum. Moderiert wurde das Podium von ZT-Chefredaktor Philippe Pfister. Er wollte von den Kandidierenden wissen…

… was ist Ihre Motivation, für den Gemeinderat zu kandidieren?

Wehrli: «Ich möchte mich persönlich weiterbilden, den Gemeinderat unterstützen und an der Strategie 2030 mitarbeiten.»

Cadinu: «Aarburg erlebt seit Jahren einen kontinuierlichen Aufschwung. Ich setze mich für Lebensqualität für alle statt für wenige ein.»

Url: «Seit bald acht Jahren ist Aarburg mein Lebensmittelpunkt. Ich möchte mich hier positiv einbringen.»

Kilchenmann: «Ich möchte mich beteiligen, denn es stehen wichtige Geschäfte wie die Gesamtrevision der Nutzungsplanung an. Die darf so, wie sie jetzt ist, nicht durch den Gemeinderat.»

Haben Sie ein Wunschressort? Frei wird das Ressort 4: Gewerbe, Standortmarketing/Wirtschaftsförderung sowie Kultur/Vereine.

Wehrli: «Ich habe kein Wunschressort. Es geht darum, mit der Wahl den Gemeinderat vollständig zu machen und so zu entlasten. Ich denke nicht, dass die Ressorts komplett neu verteilt werden.»

Kilchenmann: «Wenn der Gemeinderat vollständig ist, werden die Ressorts neu verteilt. Ich probiere, mich überall einzuarbeiten und für die Bürger das Beste herausholen.»

Cadinu: «Es ist ein interessantes Ressort und meine Motivation dafür ist gross. Es ist kein unwichtiges Ressort.»

Url: «Es wäre meine Welt, schon nur aufgrund meines beruflichen Hintergrunds. Ich will hier jetzt aber keine Wahlversprechen machen, letztlich ist es wichtig, dass der Gemeinderat funktioniert.»

In Aarburg sind die Steuer- und Verkehrsbelastung das, was die Leute am meisten stört. Wie sähen Ihre Massnahmen aus?

Url: «Die Steuern müssten langfristig gesenkt werden. Allerdings ist das auch ein zweischneidiges Schwert. Einerseits wollen wir das Ortsbild erhalten, andererseits soll möglichst wenig ausgegeben werden. Und am Verkehr zum Feierabend wird man nicht viel ändern können.»

Kilchenmann: «Gesunde Finanzen sind mir wichtig. Die SVP fordert schon lange einen Steuerfuss von 115 Prozent. Das wäre attraktiv für Neuzuzüger. Allerdings bedeuten Neuzuzüger auch wieder mehr Verkehr und Lärm. Da müssen wir schauen. Der Ausbau der Oltnerstrasse wird fünf Jahre dauern und wir haben jetzt schon ein Verkehrschaos. Aber: Zwischen 9 und 11 Uhr am Morgen sind die Busse nach Olten leer. Dann braucht es meiner Meinung nach keinen Viertelstunden-Takt.»

Ich finde, wir sollten die Investitionen zuerst abbauen und den Steuerfuss danach senken.

Michèle Wehrli

Gemeinderatskandidatin

Wehrli: «Es zahlt wohl kaum jemand gerne Steuern. Und ja: In Aarburg sind sie sehr hoch. Allerdings haben wir auch noch immer einen Investitionsstau. Senken wir jetzt die Steuern, müssen wir sie in ein paar Jahren vielleicht wieder erhöhen. Ich finde, wir sollten die Investitionen zuerst abbauen und den Steuerfuss danach senken. Bezüglich Verkehr habe ich keine Lösung. Tatsache ist, dass es auch im Süden mehr Verkehr gibt, seit es die neue Wiggertalstrasse gibt. Die Alte Zofingerstrasse wird – unerlaubterweise – stärker befahren, selbst der Bahnübergang schreckt nicht mehr ab.»

Cadinu: «Die Steuern sind in Aarburg sehr hoch. Aber man bekommt auch etwas dafür. Die Schulkinder zum Beispiel wurden schon früh mit iPads ausgestattet. Während der Pandemie war das sehr hilfreich. Ich bin für eine kalkulierte, stufenweise Reduktion des Steuersatzes. Direkt auf 115 Prozent wäre ein zu grosser Schritt. Und zum Verkehr: Jeder kann ja selber wählen, wie er sich fortbewegen will. Liessen wir nur noch abbezahlte Autos auf die Strasse, wäre das Problem mit dem Stau und den Autoposern gelöst.»

Wie beurteilen Sie die Bau- und Nutzungsordnung, die aktuell revidiert wird?

Kilchenmann: «Die neue BNO hat zur Folge, dass Aarburg zubetoniert wird und der Strasse entlang Richtung Olten Höhere Bauten möglich sind. Zudem soll es möglich sein, dass drei- oder vierstöckige Bauten neben Einfamilienhäuser gebaut werden können. Da geht viel Lebensqualität verloren. Das Bevölkerungswachstum würde zunehmen, das bedingt mehr Infrastruktur, mehr Verwaltung und bedeutet mehr Lärm und Verkehr. Aarburg ist schon jetzt überwuchert von Leuten, wir müssen kein zweites Olten werden.»

Aarburg ist schon jetzt überwuchert von Leuten, wir müssen kein zweites Olten werden.

Patrick Kilchenmann

Gemeinderatskandidat

Wehrli: «Wir müssen uns bewusst sein, dass kein neues Bauland eingezont wird. Dort, wo gebaut werden kann, ist bereits Bauland. Zudem ist vieles vom Kanton vorgegeben. Der Gemeinderat hat in der Vergangenheit gezeigt, dass er Wert auf qualitative Bauten legt, siehe Webipark. Aber klar: So kann es nicht ewig weitergehen. Allerdings ist die BNO noch nicht fixfertig. Die Mitwirkung ist ja gerade erst zu Ende gegangen.»

Url: «Als ich in Aarburg zu arbeiten begann, war hinter der Musigburg noch alles grün. Als gebaut wurde, machte ich mir zuerst Sorgen, dass es Probleme geben könnte wegen Lärm usw. Das ist aber nicht passiert. Es braucht Zuzüger, gleichzeitig soll das Ortsbild erhalten werden. Das Städtli liegt mir am Herzen. Es muss also einen Mittelweg geben. 40 Meter hohe Bauten müssen aber nicht sein.»

Cadinu: «In der Schweiz herrscht Fachkräftemangel. Also müssen wir neue Leute anziehen. Und die müssen irgendwo wohnen. Aber auch ich will aus Aarburg kein New York machen.»

Im Anschluss durfte das Publikum Fragen stellen. Und da kamen einige, aus denen eine angeregte Unterhaltung entstand. Das Eis brach eine junge Frau.

Wie wollen Sie die jungen Leute mitnehmen? Nicht, dass es wieder so herauskommt wie bei der Badi, wo die Jugendlichen nicht gefragt wurden, was sie wünschen.

Url: «Die Jugendlichen sollten sich sicher auch bei Umfragen beteiligen. Eine Möglichkeit wären Workshops, um die Jungen abzuholen. Es geht aber auch darum, Angebote zu schaffen, die müssen aber nicht zwingend seitens Gemeinde kommen. Die grossen Kulturunterschiede in Aarburg machen es aber sicher nicht einfach. Letztlich ist auch Eigeninitiative der Jugend gefragt.»

Cadinu: «Ein Jugend-Gemeinderat wäre vielleicht die Lösung. Das würde ich als Gemeinderat mal vorbringen.»

Wehrli: «Wir haben in Aarburg 60 Vereine. Ich finde, dass auch Eigeninitiative gefragt ist.»

Kilchenmann: «Die Vereine sind vielleicht überaltert, das schreckt möglicherweise ab.»

Im Städtli ist kein Leben. Was würden Sie tun?

Kilchenmann: «Nun, wenn der ‹Bären› im Sommer bereits um 22 Uhr schliesst, ist diese Frage wohl beantwortet. Die Gastronomen könnten mehr machen, der Bärenkeller wird auch kaum genutzt.»

Wehrli: «Einen Laden mit Lebensmitteln gab es, aber das funktionierte wirtschaftlich nicht. Und zum ‹Bären›: Das hat sicher auch mit dem Lärm und der Nachbarschaft zu tun. Man kann nicht bis mitten in der Nacht Halligalli machen.»

Url: «Da müssen wir uns alle an der Nase nehmen und das lokale Gewerbe unterstützen. Wir können Privaten aber nicht sagen, was sie zu tun haben. Die Politik ist aber gefragt, in dem sie die Rahmenbedingungen attraktiv gestaltet.»

Warum nicht im Städtli eine Begegnungszone mit Tempo 20 einführen? Ein Versuche wäre es sicher wert.

Mario Cadinu

Gemeinderatskandidat

Cadinu: «Aktuell wird das Rathaus saniert, danach soll es ein Café geben. Warum nicht im Städtli eine Begegnungszone mit Tempo 20 einführen? Ein Versuche wäre es sicher wert.»

Kilchenmann: «Begegnungszonen sind schon gut, dann braucht es aber auch Polizisten, die das kontrollieren. Das Tempo gilt dann auch für Velofahrer.»

Url: «Zu Tempo 20 sage ich eher Nein. Erst recht, wenn das Gewerbe zurück ins Städtli kommen soll. Man sieht ja, was in Olten passiert.»

Wie wollen Sie die Integration von eher älteren Ausländern fördern?

Url: «Das dürfte am besten über Privatinteressen wie Sport, Vereine oder Musik funktionieren. Warum nicht mal wieder ein Grümpelturnier, ein Dorfturnier, durchführen. Da kann man sich gegenseitig kennenlernen.»

Wehrli: «Unmöglich ist es sicher nicht, aber jemand muss es in die Hand nehmen. Über die Vereine würde viel gehen, aber ist deren Angebot genügend bekannt? Eventuell müsste man den Verein Nordstern, der viel macht im Norden Aarburgs, mehr unterstützen. Und man müsste die Leute besser abholen.»

Kilchenmann: «Wir leben ja schon in einer Parallelgesellschaft. Integration muss von beiden Seiten kommen. Und die ausländische Bevölkerung muss akzeptieren, wie es hier läuft.»

Cadinu: «Ja, Integration muss von beiden Seiten kommen. Wir haben in Aarburg einen Portugiesen-Verein und ein italienisches Clublokal. Da sehe ich sehr wenige Schweizer.»

Der Gemeinderat hat kein Vereinsreglement eingeführt. Wie stehen Sie dazu?

Wehrli: «Eventuell müsste man den Reglementsentwurf nochmals überarbeiten. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass alle Vereine gleich behandelt werden sollen, denn alle machen etwas für Aarburg. Hier ist aber auch der Vorort der Vereine gefragt.»

Kilchenmann: «Ich bin auch für die Gleichberechtigung, alle Vereine sollen das gleiche Recht haben. Die Frage ist: Sind alle Vereine aktiv?»

Url: «Gleichbehandlung fände ich auch richtig. Nach all den Bauaktivitäten dürfte man jetzt auch mal den Vereinen mal wieder etwas zurückgeben. Dafür braucht es aber auch eine gewisse Aktivität der Vereine.»

Cadinu: «Wichtig ist, dass die Vereine die öffentliche Infrastruktur zur Verfügung gestellt bekommen. Denkbar wäre auch ein Sponsoring oder die Unterstützung durch den Werkhof. Als Gemeinderat könnte ich das aber sicher nicht selber entscheiden.»

Die letzte Frage stellte Philippe Pfister.

Was würden Sie sofort ändern, wenn Sie könnten?

Kilchenmann: «Die integrative Schule abschaffen. In Aarburg schafft kaum jemand mehr den Übertritt an die Bezirksschule. Das hatte auch zur Folge, dass wir die Bez an Oftringen verloren haben.»

Cadinu: «Ein absolutes Handyverbot an den Schulen.»

Wehrli: «Etwas ganz Simples: Die Gemeindeversammlung auf den Donnerstag- statt auf den Freitagabend legen.»

Url: «Am liebsten den Tunnel bis nach Olten ziehen, aber das ist nicht gerade realistisch. Im Ernst: Ich würde die Neuzuzüger besser auf das Kultur- und Gewerbeangebot in Aarburg aufmerksam machen.»

Nach dem Podium bedankte sich Martina Bircher bei den Teilnehmenden mit dem Satz: «Ich freue mich darauf, bald mit jemandem von euch zusammenarbeiten zu können.» Danach lud sie die Anwesenden an den von ihr gesponserten Apéro ein, wo noch das eine oder andere angeregte Gespräch geführt wurde.

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