(5. März 2019)
Verschuldeter Freiämter gab Autoschilder nicht ab und wird verurteilt: «Das nächste Mal gehen Sie absitzen»
Es war keine Überraschung für den knapp vierzigjährigen Goran (Name geändert), als an einem Dienstag Mitte Mai dieses Jahres die Regionalpolizei an seiner Haustüre klingelte. Der Besuch der Beamten in einem Dorf im Bezirk Muri war telefonisch kurz zuvor angekündigt worden. Sie handelten im Auftrag des aargauischen Strassenverkehrsamtes. Dieses hatte den Einzug von zwei Fahrzeugausweisen und zwei Kontrollschildern verfügt.
Denn Goran hatte beides trotz behördlicher Aufforderung mit einem Ultimatum bis 15. Mai nicht rechtzeitig abgegeben. Das Strassenverkehrsamt wartete zu jenem Zeitpunkt noch immer auf die Bezahlung von zwei Rechnungen in der Höhe von 931 und 403 Franken für zwei Fahrzeuge.
Die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten klagte Goran deshalb an, weil er sich mit seinem Verhalten strafbar gemacht hatte. Sie beantragte eine unbedingte Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 80 Franken, also total 4800 Franken.
Die Polizei liess vor Ort nicht mit sich reden
Anfang dieser Woche sass Goran nun also ganz allein im Saal des Bezirksgerichts Muri und versuchte sich Gerichtspräsident Markus Koch zu erklären. «Als die Polizei anrief und sagte, dass sie die Autonummern abholen wird, habe ich sofort bei meiner Versicherung und dem Strassenverkehrsamt nachgefragt. Und die Rechnungen bezahlt», sagte Goran. Zugelassen waren die Fahrzeuge auf sein kleines Handwerksunternehmen.
Trotzdem sei eine Woche später die Polizei erschienen. «Ich sagte zu ihnen, dass das ein Fehler sein müsse. Aber sie liessen nicht mit sich reden», so der Beschuldigte. Auf weiteres Nachfragen bei den Behörden habe sich herausgestellt, dass trotz seiner Bezahlung noch ein kleiner Restbetrag offen gewesen sei.
Goran sprach mit gedämpfter Stimme. Regelmässig drückten die Emotionen durch. Wann ihm denn das erste Mal gesagt worden sei, dass noch Forderungen des Strassenverkehrsamts offen seien, wollte Richter Koch wissen. Daran konnte Goran sich nicht mehr im Detail erinnern.
«Ich hatte in jener Phase Probleme mit meinem Buchhalter in Zürich. Irgendwie klappte es auch mit den zugestellten Briefen nicht wie gewünscht», sagte Goran aus. Im Laufe der Verhandlung stellte sich rasch heraus, dass der zweifache Familienvater tief in den Schulden steckt. Er sagte:
«Ich habe immer versucht, wenigstens Wohnung und Krankenkasse meiner Frau und der Kinder zu bezahlen. Aber ich und meine Firma gingen finanziell bergab.»
Die Summe seiner aktuell laufenden Betreibungen schätzte er auf rund 50’000 Franken. «Die Rechnungen haben mich psychisch kaputtgemacht. Ich bin mit meinem Leben nicht mehr klargekommen», erklärte Goran. Er möchte schuldenfrei und seinen Kindern ein Vorbild sein. Er gebe die Selbstständigkeit auf und suche sich einen Job.
«Sie wissen genau, wie die Verfahren ablaufen»
Ihm sei klar, dass er bestraft werden müsse für sein Verhalten, er hoffe einfach auf etwas Milde. Etwas, was angesichts der Vorgeschichte Gorans aber schwierig zu handhaben ist. Denn wie Richter Koch ihm vorhielt, sei es bereits das fünfte oder sechste Mal innert weniger Jahre, dass er vom Strassenverkehrsamt einen Kontrollschildentzug angeordnet bekommen habe.
Koch sprach Goran schuldig, reduzierte die unbedingte Geldstrafe aber auf 60 Tagessätze à 60 Franken, also 3600 Franken. «Sie wissen genau, wie die Verfahren beim Strassenverkehrsamt in solchen Fällen ablaufen, und sie führen eine AG und sind verantwortlich, dass Schreiben sie erreichen», erklärte Koch.
Der Richter verzichtete zudem auf den Widerruf des bedingten Vollzugs einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die Goran im März von der Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten für gewisse Vermögensdelikte kassiert hatte. Und verwarnte ihn lediglich.
«Dies hing jetzt an einem seidenen Faden. Mit mir haben Sie das letzte Mal einen milden Richter gefunden. Das nächste Mal müssen Sie absitzen. Schauen Sie, dass Sie die finanzielle Situation in den Griff bekommen», verabschiedete Koch Goran nach Hause.