«Mir ist es völlig egal, welches Geschlecht eine Person annimmt oder annehmen will»: SVP-Bundesrat Ueli Maurer spricht über Kontroverse rund um Kim de l’Horizon
Kim de l’Horizon, schriftstellerisch tätige Person, die soeben mit dem Deutschen Buchpreis für ihr Erstlingswerk «Blutbuch» ausgezeichnet worden ist, wandte sich in einem fulminanten, in der NZZ erschienen Essay an SVP-Bundesrat Ueli Maurer. Der abtretende Finanzminister hatte vor rund drei Wochen an der Pressekonferenz anlässlich seiner Rücktrittserklärung gesagt, ihm sei egal, ob auf ihn ein Mann oder eine Frau folge. «Solange es kein ‹Es› ist, geht es ja noch.»
Bei seiner Rede vor den SVP-Delegierten am Samstag in Luzern ging Maurer auf die von ihm ausgelöste Kontroverse ein, ohne de l’Horizons Namen zu nennen. «Mir ist es völlig egal, welches Geschlecht eine Person annimmt oder annehmen will. Das ist nicht die Aufgabe der Politik. Im Gegenteil, ich habe Bewunderung dafür, wenn jemand den Mut hat zu sagen, ich will so leben», sagte Maurer.
Aber wenn es gelinge, mit einem kleinen Wort mit zwei Buchstaben («Es») die Dekadenz der Gesellschaft aufzuzeigen, dann sei man in einer ernsten Situation. Der Aufschrei der Dauerempörten halle immer noch nach. Aber diesen Dauerempörten sei es egal, dass täglich Kinder verhungerten, dass Krieg herrsche, so Maurers Unterstellung: «Das sind keine Themen.»
Die SVP sucht ihren neuen Bundesrat. Die Jungpartei hat bereits einen Favoriten: Hans-Ueli Vogt. Der Zürcher habe als einziger Kandidat die Absichtserklärung der Jungen SVP unterschrieben, wie die JSVP am Samstag schreibt. Damit «beabsichtigt» Vogt gemäss der Partei, «im Falle einer Wahl in den Bundesrat, mit aller Kraft für die Kernthemen der Jungen SVP einzustehen». Diese sind «keinerlei neue Covid-Massnahmen», «Abbau von Regulierung und Bürokratie» und «Beendigung des Woke-Wahns». All diese Inhalte seien wichtiger als «Nebensächlichkeiten wie die kantonale und regionale Herkunft oder das Geschlecht möglicher Bundesratskandidaten», so die JSVP. (mg)
«Wir müssen uns darum kümmern, dass sich der Staat, die Politik den wahren Problemen der Gesellschaft annimmt», sagte Maurer. Es sei zwar erfreulich, wenn es gelinge, mit einem Wort mit zwei Buchstaben die Dekadenz der Gesellschaft aufzuzeigen. Doch gleichzeitig sei die daraus entstandene «Woke-Diskussion», die die wahren Probleme verdränge, auch besorgniserregend. Die Delegierten quittierten Maurers Aussagen mit grossem Applaus.
Maurer wollte nicht mit de l’Horizon reden
De l’Horizon bezeichnet sich als nonbinär. In der NZZ schrieb die Autorenperson, sie sei durch die Aussage des Bundesrats verletzt worden. Denn später, während derselben Pressekonferenz, sprach Maurer nachdenklich über die drohende Spaltung der Gesellschaft. «Die Sorge, die ich habe, ist, dass wir den Minoritäten genügend Rückhalt geben, den regionalen und gesellschaftlichen Minoritäten.» Im Essay fragte de l’Horizon den SVP-Magistraten: «Sind wir, die weder Mann noch Frau sind, wir ‹Es›, wir trans* und nonbinären Menschen, sind wir also keine Minderheit für Sie?» Und warf ihm vor: «Sie haben mir mein Menschsein abgesprochen.»
De l’Horizon lud Maurer dazu ein, zusammen ein Bier zu trinken. Sein Sprecher richtete via NZZ aus, der Bundesrat habe kein Interesse an einem Gespräch und wolle auch nicht in schriftlicher Form antworten: «Ihr Angebot zur Replik und das Gesprächsangebot nehmen wir so zur Kenntnis und danken für Ihr Verständnis, dass wir nicht darauf eingehen.»