Lula gewinnt Präsidentenwahl in Brasilien – wird der unterlegene Amtsinhaber Bolsonaro das Resultat anerkennen?
Bei der Stichwahl um das Präsidentenamt in Brasilien kam es am Sonntagabend zum erwarteten Herzschlagfinale zwischen dem ultra-rechten Amtsinhaber Jair Bolsonaro und seinem linksliberalen Herausforderer, Ex-Präsident Lula da Silva.
Lula da Silva kam in der Stichwahl auf 50,84 Prozent der Stimmen, wie das Wahlamt in Brasília am Sonntagabend (Ortszeit) nach Auszählung von über 99 Prozent der Stimmen bekannt gab. Der rechte Amtsinhaber Jair Bolsonaro erhielt demnach 49,16 Prozent. Eine Umkehr des Resultats war nach Angaben der Behörde mathematisch unmöglich.
Dabei hatte Lula da Silva den Amtsinhaber Bolsonaro erst rund eine Stunde vor Bekanntgabe des Schlussresultats erstmals bei der Auszählung überholt. Auch im ersten Wahlgang am 2. Oktober hatte Lula erst gegen 19 Uhr Ortszeit die Führung übernommen und am Ende mit einem Vorsprung von rund 5 Prozentpunkten gewonnen.
Damit trat beim Stichentscheid das befürchtete Szenario ein: Je knapper das Ergebnis bei einer Niederlage des Amtsinhabers ausfallen könnte, desto grösser sei die Gefahr der Nichtanerkennung seines Lagers und möglicher gewalttätiger Ausschreitungen, hatten Wahlbeobachter vor dem Entscheid prophezeit.
Die Entscheidung zwischen dem linksliberalen Herausforderer da Silva (77) und dem rechtsradikalen Bolsonaro (67) galt als die wichtigste Wahl nach Ende der Diktatur im Jahre 1985. Es ging um zwei widerstreitende Ideen von Brasilien.
Zur Wahl standen die tropische Variante der ungarischen Autokratie von Viktor Orbán und ein eher sozialdemokratisches Modell wie etwa in Chile. Bolsonaro hätte bei einem Wahlsieg alles daran gesetzt, sein ultra-rechtes Konzept auf Jahrzehnte im grössten Land Lateinamerikas zu verankern und die Demokratie perspektivisch abzuschaffen.
Lula dagegen wird nun versuchen, ein inklusives, links-liberales Modell umzusetzen, das soziale Verantwortung und einen Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie anstrebt. Diese Politik wird die gesamte Region auf Jahre hinaus prägen.
Hinderte die Polizei Lula-Anhänger bei der Stimmabgabe?
Der Wahltag verlief zunächst weitgehend ruhig. Allerdings kam es vor allem im Nordosten Brasiliens, wo Lula stark ist, zu Störungen. Die Verkehrspolizei stoppte mehrfach die extra für den Wahltag eingesetzten öffentlichen Nahverkehrsbusse. «Wir sind sehr besorgt über Berichte über Einsätze der Bundespolizei für Straßenwesen (PRF), die angeblich den Zugang zu Wahllokalen für Wähler verhindern oder verzögern», die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, erklärte die Menschenrechtsorganisation HRW.
Auch Lula da Silva kritisierte massiv diese vom Obersten Wahlgericht (TSE) verbotene Praxis der Verkehrspolizei.
Die beiden Kandidaten gaben früh ihre Stimme ab. Lula sagte dabei: «Heute entscheidet das Volk über das Brasilien, das es sich vorstellt». Der Präsident, der in Rio de Janeiro abstimmte, machte ein Siegeszeichen nach der Wahl und sagte: «Wir werden gewinnen».
Hässlicher Wahlkampf ging dem Stichentscheid voraus
In den Tagen vor dem Stichentscheid war der Ausgang als völlig offen taxiert worden. Auch die letzte TV-Debatte am Freitagabend brachte keine Verschiebungen mehr. Lula parierte die Angriffe Bolsonaros abgeklärt. Der Amtsinhaber hingegen sagte nach der fast dreistündigen Debatte auf mehrfaches Nachfragen, er werde die Wahlergebnisse anerkennen:
«Wer die meisten Stimmen hat, gewinnt. Das ist Demokratie.»
Die Aussage überraschte, denn Bolsonaro hatte bis zuletzt angedroht, er werde mangels Vertrauens in das Wahlsystem das Ergebnis nicht anerkennen, sollte er verlieren. Er bat darüber hinaus sogar die Streitkräfte, eine «parallele Stimmenauszählung» vorzunehmen, was ohne Beispiel bei Wahlen und auch in der Verfassung nicht vorgesehen ist.
Der Wahlkampf war über Monate hinweg von schweren gegenseitigen Beschuldigungen und im Internet verbreiteten Falschinformationen geprägt. Bis zuletzt kämpften beide Kandidaten um jede Stimme. Präsident Bolsonaro streute immer wieder Zweifel am Wahlsystem und deutete an, das Ergebnis möglicherweise nicht anzuerkennen. Einige seiner Anhänger forderten unverhohlen einen Militärputsch.
Mit Material der DPA.