Budget-Debatte: Dem Bund fehlt das Geld – und dem Parlament ein Rezept dagegen
Nach Jahren fetter Überschüsse musste sich das Parlament am Dienstag erstmals wieder mit einer unbequemen Finanzlage befassen. Nächstes Jahr liegt das Budget mit 86,2 Milliarden Franken zwar noch im Lot. Doch ab 2024 kann die Schuldenbremse nicht mehr eingehalten werden, und die jährlichen Defizite steigen bis 2026 auf 3,1 Milliarden Franken.
Schuld daran hat gemäss Finanzminister Ueli Maurer in erster Linie das Parlament. «Fachkommissionen beschliessen Ausgaben ohne Rücksicht auf irgendwelche politischen Konsequenzen. Irgendwann läppert sich das zusammen», sagte er am Dienstag im Nationalrat. Maurer hatte das Parlament in den vergangenen Wochen wiederholt als zu ausgabenfreudig kritisiert. Er appellierte, bereits jetzt mehr Disziplin zu zeigen: «Wenn Sie Erhöhungen beantragen, dann sagen Sie, wo wir gleichzeitig kürzen müssen.»
Wie düster die Aussichten sind, wurde im Rat jedoch unterschiedlich beurteilt. Einen alarmistischen Ton schlugen die bürgerlichen Kräfte an. Der Tessiner FDP-Nationalrat Alex Farinelli verglich die Situation mit der untergehenden Titanic: «Wir sind dabei, mit einem finanziellen Eisberg zu kollidieren, von dem wir jetzt nur die Spitze sehen.» Heinz Siegenthaler (Mitte/BE) nannte es etwas nüchterner eine «Trendwende». Das Einnahmenwachstum der letzten Jahre habe falsche Anreize gesetzt. «Man hatte plötzlich das Gefühl, für alles und jedes Geld zu haben», so Siegenthaler.
SNB-Gewinnausschüttung ist ungewiss
Gelassener nimmt es die Ratslinke. «Unsere Schuldenquote ist immer noch eine der tiefsten weltweit», sagte SP-Finanzpolitikerin Sarah Wyss (BS). Sie warb für eine «genauere» Budgetierung. So gebe es etwa bei der Armee jedes Jahr Kreditreste in Millionenhöhe. «Anstatt das Budget einfach global aufzustocken, soll zuerst das Geld ausgegeben werden, das bereits gesprochen wurde», sagte Wyss.
Auch die SVP war in einigen Punkten nicht zufrieden mit der Arbeit ihres Finanzministers Ueli Maurer. Geht es nach ihr, kaschiert der budgetierte Voranschlag das Ausmass der Problematik. So hätten die SNB-Ausschüttungen in der Höhe von 670 Millionen Franken gar nicht erst ins Budget aufgenommen werden dürfen, da sie zu ungewiss seien. Zudem kritisierte die SVP, dass die Bundesbeiträge an die Kantone für ukrainische Flüchtlinge ausserordentlich verbucht werden, obwohl die Entwicklung voraussehbar sei.
Kürzungen fanden keine Mehrheit
Trotz der Kritik stimmten alle Fraktionen dem Budget 2023 in den Grundzügen zu. Weder namhafte Kürzungen noch Mehrausgaben stiessen im Rat auf Zustimmung. So versuchten SP und Grüne vergeblich, die Mittel für die Winterhilfe in der Ukraine von 100 auf 200 Millionen Franken zu erhöhen. Auch Mehrausgaben für die weltweite Ernährungssicherheit und einen internationalen Klimafonds wurden abgelehnt.
Ebenso erfolglos war die SVP. Sie hatte im Vorfeld angekündigt, Kürzungen in der Höhe von über einer Milliarde Franken einzubringen. Diese betrafen unter anderem die Sozialhilfe für Geflüchtete aus der Ukraine (40 Millionen) und Integrationsmassnahmen für ausländische Personen (81 Millionen). Weitere Kürzungen beantragte sie bei der Kultur, der familienergänzenden Kinderbetreuung und dem Verwaltungspersonal. Von «entlarvenden Anträgen» sprach dabei die Linke. «Gespart werden soll – wie könnte es anders sein – überall, ausser bei der Armee und der Landwirtschaft», sagte Sarah Wyss.
Mitte bringt Mehreinnahmen ins Spiel
Ohnehin kursierten im Rat noch andere Ideen, wie sich der Haushalt wieder ausgleichen lässt. Die GLP will in erster Linie auf das Wirtschaftswachstum setzen. «Trotz der hohen Defizite wird die Schuldenquote weiter sinken, weil das Bruttoinlandprodukt stärker wächst als die Schulden», gab sich Roland Fischer (GLP/LU) gelassen. So betrachtet seien die Defizite an sich «kein Grund zur Sorge».
Mitte-Politiker Siegenthaler brachte derweil die zusätzlichen Einnahmen aus der OECD-Mindeststeuer ins Spiel. Beim Streit über die Verteilung der zusätzlichen Einnahmen spiele allerdings aktuell der «Kantönligeist» mit. «Wir aber sind das nationale Parlament und haben die Interessen des Bundes zu wahren, wenn es zur Freigabe dieser Mittel kommt.»
Wenig Kompromissbereitschaft
Finanzminister Mauer dämpfte die Hoffnung, dass die OECD-Steuer einen substanziellen Beitrag zur Besserung des Budgets beitragen könnte. Falls statt – wie geplant einem Viertel – die Hälfte der Einnahmen an den Bund gingen, würde dies 200 bis 300 Millionen ausmachen, möglicherweise etwas mehr ab 2027.
Er sei zuversichtlich, dass man Lösungen finde, sagte Maurer, aber es brauche Kompromisse. Genau diese Bereitschaft war in der ersten Runde der Budgetdebatte im Nationalrat nicht zu spüren. Die Anträge stiessen kaum über die Fraktionsgrenzen hinaus auf Zustimmung. Der Nationalrat berät das Budget noch bis am Donnerstag, anschliessend ist der Ständerat am Zug.