Matto Kämpf lebt als Autor und Spassvogel in Bern. Sein neuer Roman ist der lustigste Lehrerabsturz der Schweizer Literatur
Seine lakonische Selbstironie muss man einfach mögen: «Bravo. Grosser Existenzialismus. Jetzt Aktiv-Tourismus», denkt sich dieser Schweizer Teilzeit-Mathelehrer. Gerade ist er wegen eines Missgeschicks verhaftet worden, seine Hände stecken in Handschellen auf dem Rücken, aber er entwischt zwei serbischen Polizisten, rennt wie ein Irrer durch Belgrad und steht nun vor einem peinlichen, skurrilen Problem. Wie trinkt er in Handschellen in dieser schummrigen Bar («Ein Ventilator surrt. Ein trauriger Western.») ein Bier? Geht eigentlich nur mit Strohhalm. Aber wie nur kriegt er den Gedanken an Kindersirup aus dem Kopf?
Der Mann steckt also in einem ziemlichen Schlamassel. Kein Geld, kein Pass, zu Fuss auf der Flucht. Und dies alles, weil er zur Hochzeit einer WG-Kollegin, mit der er vor vielen Jahren befreundet war, nach Serbien gereist ist. Was sich als grandioses Missverständnis entpuppt, ihm danach gefälschte Zug-Tickets untergejubelt worden sind und er deshalb eine Mini-Odyssee erlebt. Eine, Odyssee die heute nur noch als Groteske möglich scheint.
Seine Libido hat sich in Richtung Wurstsalat verabschiedet
Matto Kämpfs neuer Roman «Suppe, Seife, Seelenheil» liest man wie ein Slapstick-Abenteuer. Man wünschte sich einen wie Buster Keaton als Hauptdarsteller, der in der Literaturverfilmung stumm und zappelig alle Unbill des Lebens erträgt. Aber eigentlich ist er ja ein sehr schweizerischer Antiheld: gutgläubig, leidenschaftslos. Mit seinem faden Leben als Single und frustrierter Mathelehrer hat er sich abgefunden. Seine Libido hat «sich schon längst in Richtung Wurstsalat verabschiedet». Wenn so einer in eine Abenteuerstory gerät, kann er als Proviant eben doch nur Sprite und Snickers ergaunern. Also alles bloss Klamauk? Grossen Spass scheint Kämpf jedenfalls gehabt zu haben – beim Schreiben und beim Zeichnen der Illustrationen, welche die Gemütslagen seiner Hauptfigur in Miniaturen wie das «Hämpfeli» fasst.
Matto Kämpf ist ein Spassvogel. Aber einer, der seine Figuren zielgenau zu Zeitgeist-Satiren formt. Einer, der leichthändig und lustvoll mit Genres (Western, Odyssee, Stationendrama) spielt. Einer, der Albernheit und Selbstironie genauso beherrscht wie süffige Psychoanalyse-Kalauer. Noch selten hat man eine so freudianisch-lakonische Filmanalyse des Hitchcock-Klassikers «Psycho» gelesen: «Das Haus in ‹Psycho› ist nach Freud gebaut. Als der Sex ins Haus kommt, in Form der begehrenswerten Motelgästin, trägt Norman Bates das Mutterskelett aus dem ersten Stock in den Keller hinunter… Freud explained by a house.»
Auf Freud ist dieser Antiheld ohnehin nicht gut zu sprechen. Denn sein Abenteuer in Serbien muss er er einem Psychotherapeuten erzählen, auf Anordnung der Behörden, weil er verwirrt und verwahrlost in einem bosnischen Wäldchen aufgefunden worden ist. Übrigens sitzt er beim Psychotherapeuten auf der Polizeistation, der bloss gähnend anwesend ist: Sitzend, denn «nur noch die Nostalgiker liegen. Starren an die Decke hinauf und assoziieren auf sich herunter».