Das sagte Ruth Humbel bei ihrem allerletzten Votum im Nationalrat – und Berset war ausnahmsweise mit ihr einig
Am Mittwochnachmittag ging die aktive Nationalratszeit für die Birmenstorferin Ruth Humbel (65, Die Mitte) zu Ende. Nach fast 20 Jahren im Parlament hielt sie ihr letztes Votum. Und zwar zur Volksinitiative «Für ein besseres Leben im Alter», die eine 13. AHV-Rente verlangt.
Humbel lehnt die Initiative ab. «Eine 13. AHV-Rente löst kein Problem. Sie kostet viel und bringt die AHV zu Lasten der jungen Generation aus dem finanziellen Gleichgewicht», sagte sie vor dem Rat. Noch immer basiere die Alters- und Hinterbliebenenversicherung auf dem Familienverständnis der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit dem Prinzip des Einernährerhaushalts. Dabei seien inzwischen 87 Prozent der Frauen in der Schweiz erwerbstätig.
Die AHV müsse also grundsätzlich reformiert und den heutigen gesellschaftlichen Verhältnissen angepasst werden. «Ein genereller Ausbau leistet nichts zur Weiterentwicklung der AHV, sondern führt zu Finanzierungslücken und ist daher abzulehnen.»
Sie erachte es als grosses Privileg, dass sie so lange im Bundeshaus für Land und Bevölkerung habe politisieren dürfen, sagte Ruth Humbel nach ihrem Votum zum Abschied. Ihr Dank galt den Kolleginnen und Kollegen, der Verwaltung, den Mitarbeitenden im Bundeshaus. Der Nationalrat applaudierte.
Humbel und Berset für einmal einig
Dann war Bundesrat Alain Berset an der Reihe. Er fühlte sich ebenfalls privilegiert, und zwar, weil er direkt nach Humbel reden durfte. Die Zusammenarbeit mit ihr habe er sehr geschätzt, auch wenn er und die Aargauerin nicht immer gleicher Meinung gewesen seien – meistens sogar weit davon entfernt. Zum Schluss von Humbels Nationalratszeit aber sollte das anders sein. Auch er lehne die Initiative ab, sagte Berset. Das sei die Meinung des Bundesrats.
Bundesrat und Humbel waren damit auf der Seite der Mehrheit, der Nationalrat sprach sich mit 123 zu 67 Stimmen gegen die 13. AHV-Rente aus. Das letzte Wort hat jedoch das Volk.
Für die AHV hätte Ruth Humbel andere Ideen. Am Mittwoch reichte sie ihren letzten Vorstoss ein, in dem sie die Prüfung eines neuen Modells fordert: Die Lebensarbeitszeit soll zum Kriterium für die AHV werden. Gegenüber der AZ sagte die Noch-Nationalrätin, das sei zwar schwierig umzusetzen, ihres Erachtens aber der richtige Weg, um die AHV langfristig finanziell zu sichern.
AHV als roter Faden
Die AHV, und wie diese auch für künftige Generationen noch Existenzen sichern kann, war eines der Kernthemen der Gesundheits- und Sozialpolitikerin Humbel. Ihre erste Abstimmung war die elfte AHV-Revision im Jahr 2004. Ihre letzte war die Annahme der AHV-Reform 2022 im vergangenen September.
Ruth Humbel hat in ihrer Zeit im Nationalrat, vom 15. September 2003 bis am 14. Dezember 2022, insgesamt 62 Motionen, 51 Interpellationen, 28 Postulate und neun parlamentarische Initiativen eingereicht. Hinzu kommen zehn Anfragen und 54 Fragen im Rahmen der Fragestunde. Ihr erster Vorstoss war ein Postulat zu den Auswirkungen von Mobilfunkantennen. Das wurde vom Nationalrat überwiesen, so wie 17 weitere Postulate und zehn von Ruth Humbels Motionen.
Hängig von ihr sind noch elf Geschäfte. Darunter ihre Motion gegen Medikamentenverschwendung oder jene, dass Hyaluronsäure und Botox nur von Ärztinnen und Ärzten gespritzt werden sollen. Mehrere Vorstösse setzen sich aber vor allem mit der digitalen Transformation im Gesundheitswesen auseinander. Humbel wird bei der Diskussion nicht mehr mit dabei sein.
Noch bis Februar Nationalrätin
Offiziell ist sie noch bis im Februar Parlamentsmitglied. Für die nächste Session rückt, mit aller Wahrscheinlichkeit, Andreas Meier aus Klingnau nach. Bestätigt hat er das bisher nicht, aus dem Grossen Rat ist er wegen des Nationalrats allerdings bereits im Sommer zurückgetreten.
Eine 13. AHV-Rente hatte übrigens bei der Aargauer Delegation im Nationalrat einen schweren Stand. Lediglich die drei Sozialdemokratinnen Yvonne Feri, Gabriela Suter und Cédric Wermuth stimmten zu, die anderen 13 dagegen.