Musks spektakulärer Absturz: Diese Todsünde hat er noch nicht begangen
Elon Musk war eine der beliebtesten Persönlichkeiten der Welt. Politiker suchten seine Nähe, Millionen Fans verehrten ihn. Der Tesla-Gründer wurde nicht nur für seine unternehmerischen Erfolge und Innovationen gefeiert. Er revolutionierte die Autoindustrie und privatisierte die Raumfahrt fast im Alleingang, Musk selbst war Kult.
Heute gilt er als toxische Persönlichkeit, die die Demokratie gefährdet. Ein beispielloser Abstieg innerhalb weniger Monate, der sich nach der Übernahme des sozialen Netzwerks Twitter noch rasant beschleunigte.
Es ist kaum zu glauben – oder wie Musk selbst gerade lakonisch auf Twitter schrieb: «Vor 12 Monaten war ich Person des Jahres». Gemeint war der Titel, den das renommierte «Time»-Magazin an die einflussreichste Person des jeweiligen Jahres vergibt.
Elon Musks Absturz hatte auch handfeste finanzielle Folgen: Nicht nur sein Ansehen, auch der Aktienkurs seiner Unternehmen stürzte ins Bodenlose. Er ist nun der erste Mensch überhaupt, der innerhalb eines Jahres 200 Milliarden Dollar verloren hat.
Wie konnte das passieren? Wie konnte Elon Musk von einer Art Superheld zur Persona non grata werden?
Sein Fall begann schon vor der Twitter-Übernahme
Der bekannte deutsche Medienpsychologe Jo Groebel sieht im Gespräch mit t-online den einen wichtigen Grund dafür in Musks erratischem Verhalten. Und das wurde erst mit der tatsächlichen Übernahme Twitters im Oktober voll sichtbar: Nach wenigen Wochen als neuer CEO brach er sein grosses Versprechen für mehr Meinungsfreiheit und zensierte selbst. Der krasseste Fall war, als Musk die Konten mehrerer prominenter US-Journalisten sperrte, die für den Twitter-Boss Unbequemes zu sagen hatten.
Jo Groebel bezeichnet diese Willkür und Sprunghaftigkeit im Gespräch als «kindlich und kindisch». Sein Verhalten sei teils «überhaupt nicht mehr einschätzbar». Das schade allerdings nicht nur Musks Image, sondern auch seinen Firmen und seinem Vermögen. Doch möglicherweise stört sich der Unternehmer gar nicht daran. Groebel: «Irgendwann wird dann diese Egomanie zu einem fast schon pathologischen Fall.»
Das führe auch dazu, dass solche Leute sich irgendwann nichts mehr sagen lassen – auch nicht von Beratern. Menschen wie Musk besässen keine «soziale Achtsamkeit» mehr, wie Groebel es ausdrückt. Denn auch wenn dem Unternehmer persönlich der Verlust von ein «paar Milliarden» nichts mehr ausmache, sei sein Verhalten dennoch gefährlich und fahrlässig, «weil damit viele Existenzen verbunden sind».
Aufstieg und Fall in sozialen Medien – ein «Naturgesetz»?
Dass ausgerechnet ein soziales Medium jetzt für Musk zum Verhängnis wird, war nicht unbedingt abzusehen. Lange beherrschte der Unternehmer das Spiel mit dem Netz wie kein anderer. Musk avancierte zum «Memelord» – also zu einer der Person, die die Internetsprache von Generation Y und Z in Form lustiger Bilder (sogenannter Memes) spricht. So fand der 51-Jährige ganz neue Fans, die einen regelrechten Kult um seine Person aufbauten.
Für Groebel liegen Aufstieg und Fall in den sozialen Medien allerdings nah beieinander – es sei fast «ein Naturgesetz». Instagram, Twitter und Co. seien «generell natürlich immer dafür gut, einen Hype zu schaffen». Allerdings müsse man dann auch damit rechnen, «bei zwei, drei, manchmal schon einem einzigen Fehltritt» auch massiv an Beliebtheit einzubüssen.
Elon Musk konnte sich weit mehr als nur ein paar Fehltritte erlauben, bevor er schliesslich den Zorn von Millionen gegen sich heraufbeschwor. Doch bedeutet das aktuelle Stimmungstief einen Abstieg für immer – oder könnte sich der in Ungnade gefallene Unternehmer wieder hochkämpfen?
«Wer tief gefallen ist, wird umso begeisterter wieder aufgenommen. Das hat fast schon etwas Biblisches.»
Jo Groebel hält das durchaus für möglich – erst recht in den USA. Berühmte Personen, die ein fulminantes Comeback hinlegen, gehören zu den «beliebtesten Figuren der amerikanischen Populärkultur». Wer tief gefallen ist, werde umso begeisterter wieder aufgenommen. Das hat laut Groebel «fast schon etwas Biblisches», wie ein «bekehrter Sünder». Die Rückkehr an die Spitze ist also möglich – aber nur, weil er in keine der medialen Todesfallen tappte.
Elon Musk hat die gesellschaftliche Todsünde noch nicht begangen
Denn nicht jede Sünde kann durch Abbitte aus dem kollektiven Gedächtnis gestrichen werden. Zu jenen gesellschaftlichen Todsünden zählt etwa das, was Rapper Kanye West in den vergangenen Wochen getan hat. Wer sich offen rassistisch und antisemitisch positioniert, hat laut Groebel kaum noch die Chance auf Erlösung im öffentlichen Leben.
Ein ähnliches Beispiel sei der deutsche Sänger Xavier Naidoo, der von einem beliebten Musiker zu einer der Leitfiguren der deutschen Verschwörungsszene wurde. Solange Musk nicht ähnliches Verhalten an den Tag legt, habe er «noch alle Chancen» auf ein Comeback.
Bei aller angemessener Kritik an Musk dürfe man nicht die andere Seite der Medaille vergessen. Auf nur wenige Personen habe die Öffentlichkeit ähnlich grosse «Wünsche und Vorstellungen» projiziert. Je grösser diese seien, umso schlimmer sei die Enttäuschung, wenn die Person den Vorstellungen nicht gerecht werde. Das Verhalten Musks von und zur Öffentlichkeit «bedingt sich» gegenseitig. «Es hat eben alles immer zwei Seiten», so Groebel.