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Spendenflut für die Türkei in Oftringen – Zofinger Hilfswerk im Einsatz in Syrien

Batuhan Genc hat in Rothrist und Oftringen Material für die Erdbebenopfer in der Türkei gesammelt – das Zofinger Hilfswerk The Kite Project sucht derweil Spendengelder für die syrischen Opfer.

Es ist bitterkalt an diesem Dienstagabend auf dem EO-Parkplatz in Oftringen. Dennoch harren unzählige Menschen – die meisten mit türkischen Wurzeln – in der Kälte aus, bieten Batuhan Genc aus Oberbipp BE ihre Hilfe an. Der 22-Jährige hat – gemeinsam mit Kollegen – spontan eine Sammelaktion für die Erdbebenopfer in der Türkei aus dem Boden gestampft. Am Montag sammelte er Materialspenden in Rothrist, am Dienstagabend in Oftringen.

Wir konnten meine Verwandten nicht erreichen und machten uns Sorgen. Einen ganzen Tag blieben wir ohne Nachricht.

Batuhan Genc

Organisator Spendensammlung

Entstanden ist die Sammelaktion, weil Batuhan Genc selber Verwandte im Erdbebengebiet hat. «Als ich vom Erdbeben gehört habe, ging es mir im ersten Moment schlecht», sagt er, als er sich kurz Zeit nehmen kann für die Fragen der Journalistin. «Wir konnten meine Verwandten nicht erreichen und machten uns Sorgen. Einen ganzen Tag blieben wir ohne Nachricht.» Dann aber kam die Entwarnung. Der Familie von Batuhan Genc geht es gut.  

«Die Kinder weinen nonstop, die Häuser sind zerstört»

Er ist nicht der Einzige auf der Parkplatz, der Verwandtschaft im Erdbebengebiet hat. Da ist auch Asiye Baday aus Suhr, die mit ihren Kindern nach Oftringen gekommen ist. Ihre Verwandten vor Ort haben aktuell kein Essen. «Dazu kommt, dass es sehr kalt ist und die Erde immer wieder bebt», sagt sie. «Die Kinder weinen nonstop, die Häuser sind zerstört, alle Spitäler sind voll.» Vom Erdbeben hat sie früh erfahren. Sofort versuchte sie, ihre Verwandten zu erreichen. Bei einigen klappte es, bei einigen nicht. «Ich habe deshalb kaum geschlafen», sagt sie. Nach Oftringen gebracht hat sie Babynahrung und Winter-Kinderkleider. «Ich hoffe sehr, dass alles ankommt», sagt sie. Sieben Kartons gefüllt mit Kinderkleidern hat Ilknur Sacak aus Suhr. 

Das haben ihr viele gleich getan. Säcke, gefüllt mit Kleidern und Decken, stapeln sich auf Kisten, die Windeln oder Babynahrung enthalten. Es ist so viel an Material, dass Batuhan Genc nicht mehr weiss, wohin damit. Dabei hat er bereits fünf kleine Transporter mit Material gefüllt – doch noch immer fahren Leute mit ihren Autos hin und wollen ihre Spenden abgeben. «Ich habe nicht erwartet, dass so viele Leute kommen», gesteht Batuhan Genc. Die Männer greifen zu ihren Handys, telefonieren herum und gestikulieren wild dabei. Flugs organisieren sie weitere Transporter und Lastwagen.

Das Material wird danach nach Rheinfelden gebracht, von wo die grossen Lastwagen dann in die Türkei aufbrechen, um die Spenden zu den notleidenden Menschen zu bringen.

Hilfswerk in Syrien sammelt keine Materialspenden

Gänzlich auf Materialspenden verzichtet ein Zofinger Hilfswerk. Nalin Pettersson vom «The Kite Project» – ein soziales und humanitäres Netzwerk – sammelt seit 2016 Spenden für Syrien. Am Montag hat die Organisation zu Nothilfe-Spendengeldern aufgerufen. «Die Hilfe in Syrien ist dringend notwendig, da das Land bis jetzt keine internationale Hilfe erhält», sagt Pettersson, die in Zofingen wohnt.

Die Organisation nimmt nur Geldspenden entgegen, denn Material nach Syrien zu bringen, ist aktuell praktisch unmöglich. Grund dafür: Die Strassen zum einzigen Grenzübergang nach Idlib in Syrien sind total zerstört. Petterson geht davon aus, dass die Strassen für längere Zeit nicht befahrbar sein werden. Es werde unmöglich sein, Hilfsgüter per Lastwagen von der Türkei nach Syrien zu fahren. Zusätzlich habe die Coronapandemie die Kosten für Schifftransporte in die Höhe schnellen lassen. «Es kostet vier bis zehn Mal so viel wie vor der Pandemie», sagt sie.

Die Spendengelder seien bei «The Kite Project» in guten Händen, erklärt die Leiterin des Hilfswerks. Diese werden an das Team vor Ort in Syrien weitergeleitet. «Vor Ort kaufen die Leute dann das benötigte Material ein. Es gibt keinen Zwischenhandel», erklärt sie. Jeder Einkauf wird in der Buchhaltung erfasst und in die Schweiz weitergeleitet.

Zelte und Decken werden dringend benötigt

Dringend benötigt werden derzeit Decken und Zelte. Denn beispielsweise in der Region Idlib, die stark vom Erdbeben betroffen ist, regne es am Tag und schneie es in der Nacht. «Und die Menschen getrauen sich nicht zurück in ihre Häuser – aus Angst, dass diese auch noch einstürzen», sagt sie. «Die Männer sind mit blossen Händen dabei, verschüttete Menschen auszugraben.»

Wir haben seit drei Tage nicht geschlafen. Es ist ein Rennen gegen die Zeit. Jetzt geht es nur noch darum, Überlebende zu finden. Spätestens übermorgen sind alle tot.

Teamleiter The Kite Project

im Einsatz in Syrien

Einige tausend Franken sind inzwischen bereits zusammengekommen – das ist allerdings ein Bruchteil von dem, was benötigt wird. «In Syrien brauchen 3,5 Millionen Menschen dringend Hilfe», sagt Nalin Petterson. Am Dienstagabend hatte sie Kontakt mit dem Teamleiter von «The Kite Project» vor Ort. Er habe geschrieben: «Wir haben seit drei Tage nicht geschlafen. Es ist ein Rennen gegen die Zeit. Jetzt geht es nur noch darum, Überlebende zu finden. Spätestens übermorgen sind alle tot.»

Spenden für «The Kite Project»

Wer die syrischen Erdbebenopfer unterstützen möchte, kann Geldspenden an das Zofinger Hilfswerk «The Kite Project» senden. IBAN: CH51 0839 0036 6835 1000 1. Vermerk: Nothilfe.

 

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